Wieder einmal wider Willen im Mittelpunkt
Von Bernd Neubacher, Frankfurt Die Attacke von Cerberus auf die Commerzbank rückt als Adressaten des Brandbriefs aus New York City einen Manager in den Mittelpunkt, der dort nicht gerne steht: Stefan Schmittmann, Vorsitzender des Aufsichtsrats. Paul Achleitner, Leiter des Kontrollgremiums der Deutschen Bank, gibt Medien reihenweise Interviews, um sich und die Welt zu erklären; Schmittmanns öffentliche Auftritte in diesem Amt haben sich bislang auf die Leitung der Hauptversammlungen in diesem und im vergangenen Jahr beschränkt, die er freilich routiniert herunterspulte, als hätte er nie etwas anderes getan.Nun soll er sich nach dem Willen der US-Beteiligungsgesellschaft bis Geschäftsschluss am heutigen Freitag erklären, ob die Bank Cerberus zugestehen wird, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu benennen. Das erste Mal ist es nicht, dass Schmittmann, bis 2023 ins Amt gewählt, unversehens in den öffentlichen Fokus rückt. Verfrühter AbschiedVor fünf Jahren hatte er seinen bis Oktober 2016 laufenden Vertrag als Risikovorstand der Commerzbank bereits vorzeitig aufgelöst, um sich als Endfünfziger in seine Heimatstadt München zurückzuziehen – verfrüht, wie sich bald herausstellen sollte. Denn weil die Commerzbank auf der Suche nach einem externen Kandidaten für die Nachfolge von Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller nicht fündig wurde, ließ sich Schmittmann, der aus finanziellen Gründen nicht dazu gezwungen gewesen wäre, in die Pflicht nehmen und übernahm 2018 mit 61 Jahren den Aufsichtsratsvorsitz.Interessantes Timing hatte der Manager schon gezeigt, als er 2008 nach Stationen bei der Bayerischen Vereinsbank und mehreren Jahren als Vorstandsmitglied der Vereins- und Westbank beziehungsweise der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank (HVB) als Risikovorstand der gelben Bank angeheuert hatte: Keine zwei Monate nach Amtsantritt musste das Institut den staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) anzapfen. In den kommenden Jahren war Schmittmann mit Großreinemachen in der Bilanz beschäftigt, und zwar ganz großen Stil. In der Bank erarbeitete er sich in diesen Jahren einen tadellosen Ruf. So beschloss die Bank unter seiner Ägide den Rückzug aus der Schiffsfinanzierung, Jahre bevor diese wie im Falle der Nord/LB eine Rekapitalisierung erzwang. Aus den Reihen der von ihm geführten Abteilung hat nicht nur die Commerzbank seinen Nachfolger als Risikovorstand, Marcus Chromik, rekrutiert, sondern auch die Europäische Zentralbank für die Ende 2014 neu formierte europäische Bankenaufsicht deren für Querschnittsaufgaben zuständigen Generaldirektor Korbinian Ibel. Hadern mit der AufsichtWie Schmittmann vor seinem vermeintlichen Abschied Ende 2015 im Interview der Börsen-Zeitung klarmachte, gewann er in diesen Jahren den Eindruck, dass es der Regulierung an Willen zur Strategie mangelt. “Ich sehe keine wirkliche Vision der Regulierung”, sagte er damals. “In den USA ist diese klar: Die Amerikaner haben im Wesentlichen etwa eine Handvoll große Banken. Wie aber soll die Bankenstruktur in zehn Jahren in Europa aussehen? Das muss geklärt werden.” Seinen Befund dehnte er auf die Aufsicht aus. Die damals populäre These, Eurolands Bankenaufsicht verfolge eine geheime Agenda grenzüberschreitender Fusionen durch aufsichtliche Harmonisierung, kommentierte er trocken: “Ganz ehrlich: Ich hatte das einmal gehofft. Allein, ich kann nicht erkennen, dass es einen solchen Plan gibt, und wenn ich mit prominenten Regulatoren rede, nehme ich es so wahr, dass man sagt: Wir müssen jetzt die Banken sicherer machen, und was am Ende herauskommt, wissen wir auch nicht. Dabei prägt Regulierung doch Geschäftsmodelle.” Fast hellseherisch wirkt mit einem Abstand von fünf Jahren seine damalige Warnung vor prozyklischen Effekten des Bilanzstandards IFRS 9 – drei Jahre vor dessen Einführung 2018. Aufsicht und Bilanzrat IASB haben seine Vorgaben in der Coronakrise deutlich gelockert, um einer Orgie an Risikovorsorge im Sektor vorzubeugen.Auch Schmittmann aber dürfte klar sein, dass die Lage der Bank, deren Kontrolle er verantwortet, nicht nur externe Ursachen hat und sehr wohl Fallhöhe besteht. Dass der Vorstand des teilverstaatlichten Instituts im höchsten Bürogebäude der Republik residiert, schien ihm schon vor Jahren unangenehm. Dies dürfte sich kaum gebessert haben, seitdem das Haus in den MDax abgestiegen ist und an der Börse nur mehr 18 % seines Buchwerts auf die Waage bringt, symbolisiert letztlich aber nur die Kritik von Cerberus: dass die Bank gemessen an ihren Ertrag schlicht auf zu großem Fuß lebt, gerade im Vergleich mit Wettbewerbern. Schmittmann muss nun das Kunststück vollbringen, einen Angreifer abzuwehren, von dem er selbst wissen dürfte, dass dieser die besseren Argumente hat.