26. DEUTSCHER SPARKASSENTAG

"Wieder langfristiger und großräumiger denken"

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 17.5.2019 Auch zu Beginn des zweiten Tages des 26. Deutschen Sparkassentages in Hamburg wird es gleich ernst. Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler, die Schriftstellerin Thea Dorn, der...

"Wieder langfristiger und großräumiger denken"

Von Carsten Steevens, HamburgAuch zu Beginn des zweiten Tages des 26. Deutschen Sparkassentages in Hamburg wird es gleich ernst. Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler, die Schriftstellerin Thea Dorn, der Präsident des Deutschen Städtetages und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe sowie der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider treffen aufeinander, um über Werte, Haltung und demokratische Tugenden in der Welt von morgen zu sprechen. Ob in der halbstündigen Runde Skepsis oder Zuversicht überwiegen, ist schwer zu messen.Voraussetzung dafür, dass man mit Problemen vernünftig umgehe, sei eine Bestandsaufnahme, bei der man sich nichts vormache, mahnt Münkler. Zuvor hat ihm Autorin Dorn eine “pessimistische Lesart unserer Zeit” bescheinigt, die sie teile. Die Lage sei ernst, weil “aus dem Herzen der westlichen Welt heraus Mentalitäten weiter gefördert und zugespitzt” würden, die “das Von-sich-selber-absehen-Können immer schwieriger” machten. Städtetag-Präsident Lewe konstatiert in vielen Bereichen immer mehr Opferdebatten, was “oft mit Stil- und Haltungsfragen zu tun” habe und mit neuen Plattformen, die die seriöse Presse zum Teil ersetzen würden. Er appelliert, den Blick zu richten “auf die, die sich in den großen Diskussionen nicht mehr ernst genommen fühlen”. Lewe warnt vor “immer mehr ,closed shops'” in wachsenden Städten und spricht von einer “Segregationsphase” mit Stadtvierteln, in denen “nur noch die Schönen und Reichen wohnen”. Sparkassenpräsident Schneider verweist auf nachlassende Bindungen und eine zunehmend polare Welt.Münkler schlägt vor, eine Win-win-Situation zu erreichen und denjenigen, die nur an ihre eigenen Interessen dächten, zu verdeutlichen, dass Wertebindung letztlich auch in ihrem Interesse sei. Wenn man es aber nur per moralischen Appell mache, gelte “das, was man Sonntagsrede nennt”. Es komme darauf an, “entlang des Modells der rationalen Entscheidung, also dem, was man Homo oeconomicus nennt”, Bedingungen zu schaffen, “dass diese Werte auch im tagtäglichen Handeln Geltung haben, ohne dass ich das Gefühl haben muss, ich bin der Financier von allem und jedem”. Es seien Konstellationen notwendig, wieder langfristiger und großräumiger zu denken und rational abzuwägen. Demokratie sei, so Münkler, ein “ungeheuer aufwendiges Verfahren”, ihre “Wurzel” die Kommunalpolitik.Autorin Dorn betont, es sei wichtig, “ein Bewusstsein zu erhalten, dass wir uns in einem hochzersplitterten Wertekosmos befinden und dass es an uns liegt, wie wir mit den Werten klarkommen und nicht einen Wert verabsolutieren”. Hüter einer Ordnung seien alle in der Demokratie. “Wenn wir dieses Pathos aufgeben, sehe ich tatsächlich schwarz.”Städtetag-Präsident Lewe hebt die “Kraft der kommunalen Selbstverwaltung” hervor, auf die es zu achten gelte. Wenn man den Rahmen bewahre, sei er optimistisch. Städte seien aber auch “immer mehrdimensional” zu sehen. “Die Ideologie der autogerechten Stadt war die letzte Grütze, weil man alle anderen Aspekte untergeordnet hat.”Sparkassenpräsident Schneider verweist auf die demokratisch verfassten Aufsichtsorgane, die für das Funktionieren von Sparkassen “und das, was wir an Wertegefüge dem Markt und den Menschen bieten”, enorm wichtig seien. Deswegen sei er auch “gegen jede dümmliche Aufschreiberei der Regulatorik, die so was in Zukunft zunichtemacht”.—-Die Sorge um Werte, Haltung und demokratische Tugenden in Theorie und Praxis—-