Windräder zu Lande bleiben die Leistungsträger

Offshore wird perspektivisch wichtiger - Projektentwickler und Investoren immer aktiver - Zuverlässig berechenbare Cash-flows

Windräder zu Lande bleiben die Leistungsträger

Weltweit wird immer mehr Strom aus Windenergie produziert. Das gilt auch für Europa und hier insbesondere für Deutschland – mit Betonung auf Land. Onshore wird auf absehbare Zeit der Leistungsträger unter den erneuerbaren Energien bleiben, auch wenn Offshore, also Stromerzeugung auf offener See, im Energiemix perspektivisch wichtiger wird. Der starke Ausbau der Windenergie fußt auf einer breiten Basis von Projektentwicklern und einer Vielzahl von Investoren. Das ist eine gute Nachricht für die Energiewende, denn das große privatwirtschaftliche Engagement ist bisher einer der Garanten dafür, dass die ehrgeizigen Ziele der Politik verwirklicht werden können. Das verdeutlicht auch ein Blick auf das bisher Erreichte. Drehzahl steigt in EuropaSeit dem Jahr 2000 hat sich die installierte Windkraftkapazität in Europa von 12,9 auf 128,8 Gigawatt beinahe verzehnfacht. Die zwei größten Produzenten, Deutschland und Spanien, stehen gemeinsam für 48,3 % der vorhandenen Leistung. Doch zugebaut wird mittlerweile auch abseits dieser Kernmärkte: Beispiele hierfür sind Schweden oder die Türkei mit jeweils rund 1 Gigawatt Wachstum im vergangenen Jahr. Es ist davon auszugehen, dass der Boom in Europa weiter anhält und bis 2018 die installierte Kapazität jährlich um fast 10 % wächst.Momentan liefern die Windräder zu Lande mit 254,43 Terawattstunden gegenüber Offshore mit 29,59 Terawattstunden pro Jahr noch fast die zehnfache Menge an Strom. Die Windenergie hat den Sprung auf das Meer geschafft, doch es ist noch nicht absehbar, dass die Offshore-Parks in der Gesamtleistung zu Onshore aufschließen können. Dies liegt auch daran, dass der Zubau im gesamten Windmarkt in den vergangenen Jahren durch Onshore geprägt war; 2014 betrug der Anteil 87 %. Fortlaufende technische Weiterentwicklungen sorgen auch bei Onshore für immer effektivere Stromgewinnung. Im Rahmen des sogenannten Repowering ersetzt an vielen Standorten bereits die nächste Generation ältere Windenergieanlagen und erbringt im besten Fall die zehnfache Leistung. Zusätzlich werden durch Repowering weniger Windenergieanlagen benötigt, was zu einer hohen Akzeptanz bei Anwohnern führt. Standorte mit schwächeren Windbedingungen können dank moderner Schwachwindturbinen ebenfalls wirtschaftlich an das Netz gebracht werden.Während die Entwicklung im Netzausbau oder bei den Speichertechniken nur langsam voranschreitet, sind Projektentwickler und Investoren im Bereich Onshore aktiver denn je. Insbesondere die Erfolge in Deutschland fußen auf einer breiten und mittelständisch geprägten Projektentwicklerlandschaft. Ihr Hauptziel ist es, schlüsselfertige Windparks zu projektieren und an Investoren zu verkaufen. Und die Nachfrage ist groß: Die Käuferschaft von Onshore-Windenergieanlagen wächst kontinuierlich. Institutionelle greifen gern zuZu den Investoren gehören die strategischen Akteure, also Energieversorger wie Stadtwerke und die Energiekonzerne. Die entscheidenden Wachstumsimpulse kommen jedoch von institutionellen Investoren, denn Versicherer und Pensionsfonds suchen im Niedrigzinsumfeld langfristige Anlagemöglichkeiten mit zuverlässigen Renditen. Während sich die Gesamtzahl aller Käufe und Verkäufe von Windkraftprojekten verdoppelte, haben die institutionellen Investoren ihr Engagement vervierfacht. Waren sie 2009 noch an 15 der in Europa gemeldeten Windpark-Deals beteiligt, waren es 2013 bereits 61. Mit den gängigen Windparks an Land können institutionelle Anleger beispielsweise in Deutschland circa 2 bis 8 % Rendite erzielen.Die Stromgestehungskosten für Onshore sind zuverlässig prognostizierbar. Die Technik für Windenergieanlagen zu Lande ist ausgereift, und der durchschnittliche Ertrag eines Standortes kann mit detaillierten Windmessungen berechnet werden. Neben einem recht geringen Wartungsaufwand sind insbesondere Kosten für Pacht und Verwaltung zu berücksichtigen. Die Stromgestehungskosten für Windenergie hängen hauptsächlich von der Höhe der Investition und den dabei zu berücksichtigenden Kapitalkosten ab. Konkurrenzfähige KostenAlle Länder der Europäischen Union haben sich mit der Richtlinie 2009/28/EG zu einem Ausbau der erneuerbaren Energien verpflichtet, und die verschiedenen Fördermodelle, etwa in Großbritannien und Deutschland, verleihen der Windkraft entscheidende Impulse. Gleichzeitig werden in allen europäischen Ländern die Kosten für nachhaltigen Strom kritisch hinterfragt. Die Abwägung der Förderungskosten gegenüber den Kosten für konventionelle Energie berücksichtigt jedoch oftmals nicht alle tatsächlich vorhandenen Faktoren, die gerade bei fossilen Energieträgern zu einem Anstieg der Erzeugungskosten führen. Konventionelle Kraftwerke haben im Vergleich zu Onshore oder Fotovoltaik viel höhere Investitionskosten, und auch die Rohstoffpreise werden langfristig weiter anziehen. Bei einer Vollkostenbetrachtung wären sowohl die Umweltbelastungen als auch der Rückbau inklusive Dekontamination der Anlagen zu berücksichtigen. Bereits heute sind die Stromgestehungskosten für Windenergie an guten Standorten konkurrenzfähig.Onshore-Windkraft kann sich jedoch nicht zu normalen Marktbedingungen an der Strombörse Epex refinanzieren. Die Herausforderung: Die Verfügbarkeit und damit die Handelbarkeit von Strom aus Windenergie ist kaum steuerbar, insbesondere im Mittel- und Langfristbereich. An windreichen Tagen entsteht ein Überangebot und drückt die Preise am Spotmarkt gegen null. Wurden 2011 im Schnitt an der Epex Spot noch 51,12 Euro je Megawattstunde gezahlt, waren es 2013 nur 37,78 Euro – also nur noch 3,8 Cent je Kilowattstunde.Derzeitiges Ziel der Politik ist es, feste Förderungen abzubauen und stattdessen die Vergütungen stärker an Angebot und Nachfrage auszurichten und gleichzeitig den großen Angebotsschwankungen am Markt entgegenzuwirken. So soll die Liberalisierung des Marktes mit nachhaltigem Strom, die für Onshore 2017 stattfindet, über Direktvermarktungen und inverse Auktionsverfahren ausgestaltet werden. Kritisch wird in diesem Zusammenhang der administrative Aufwand betrachtet, der sich für Projektentwickler und Investoren aus Ausschreibungsverfahren ergibt. In der mittelständisch geprägten deutschen Onshore-Landschaft könnte dieser Faktor einen Verdrängungswettbewerb begünstigen, der das Angebot und die Vielfalt verringert. Mittel- und langfristig würde diese Entwicklung dann wieder zu höheren Preisen führen. Vorsichtig liberalisierenUm den bisherigen Erfolg der Energiewende fortzusetzen, sollte die Liberalisierung den Wettbewerb fördern, ohne die Akteursvielfalt zu gefährden. Für die Vermarktung von Windstrom sind präzise Zusagen über die Stromproduktion in der nahen Zukunft vorteilhaft. Windparks mit sehr konstanten Erträgen sind somit in der Direktvermarktung sehr wertvoll. Volatilere Windstandorte müssen ihren Platz im Portfolio eines Direktvermarkters finden, indem sie möglichst gegenläufige Effekte zum allgemeinen Windaufkommen versprechen.Und noch einen Punkt gilt es zu beachten: Die Investoren richten ihr europaweites Engagement grenzüberschreitend nach den nationalen Förderungsregelungen aus. Das bekommen zurzeit beispielsweise Spanien und Italien zu spüren. Beide Länder waren im europäischen Vergleich bei Windstrom zeitweise führend und mussten in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang von neu installierten Projekten verzeichnen, nachdem die Einspeisevergütungen zuletzt sogar rückwirkend stark gekürzt wurden. Ein erfolgreiches Ausschreibungsmodell für Deutschland wird Anforderungen genügen müssen, die mit einem Magischen Viereck vergleichbar sind. Es muss EU-Konformität wahren, die Akteursvielfalt erhalten und die Klimaziele trotz sinkender Preise erfüllen.Die Rahmenbedingungen der Stromerzeugung zukunftsfähig und preisgünstig zu gestalten, gehört zu den großen Herausforderungen der kommenden Jahre. Die Kosten für konventionelle Energien werden steigen. Die weit verbreitete Annahme, dass der Verbraucher durch die Energiewende besonders stark belastet würde, kann so grundsätzlich nicht bestehen bleiben, da beispielsweise Windstrom dank immer effizienterer Technik der Anlagen weiter billiger werden dürfte. Onshore wird maßgeblich zu dem Ziel beitragen, in 20 Jahren 55 bis 60 % des in Deutschland benötigten Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Die bisherige Entwicklung hat gezeigt: Durch die große Anzahl der Akteure, insbesondere auch auf Investorenseite, können die für die Energiewende benötigten Zubauzahlen erreicht werden. Bedarfsgerecht eingesetzte Förderungselemente für Windenergie führen dazu, dass privates Kapital effizient für eine umweltverträgliche Stromerzeugung arbeitet.—Lars Quandel, Leiter Renewable Energy bei der HSH Nordbank