"Wir brauchen Edis nicht"
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDer vom Euro-Rettungsfonds ESM vorgelegte Fahrplan für eine europäische Einlagensicherung (Edis) stößt bei den deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken auf Kritik. Ihr Dachverband BVR beklagt vor allem, dass nach den Vorstellungen des ESM Termine offenbar eine größere Rolle spielten als die Qualität der politischen Prozesse und ihrer Ergebnisse. Doch bestreiten die Kreditgenossen auch schon die Zuständigkeit des ESM für das Thema. Der Fonds sei auf dem Höhepunkt der Finanz- und Staatsschuldenkrise, insbesondere im Fall Griechenland, sehr wichtig gewesen, habe jedoch nicht das politische Mandat, die Bankenunion weiterzuentwickeln, so BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann gegenüber der Börsen-Zeitung.Das Diskussionspapier des ESM (vgl. BZ vom 16. Oktober) sieht einen Fahrplan mit politischer Einigung über die gemeinsame Einlagensicherung 2020 und danach vorgegebene Termine bis 2028 für eine immer engere Integration der Bankenunion vor. “Zuständig hierfür sind jedoch auf EU-Ebene die am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe Kommission, Rat und Parlament”, sagt Hofmann und weist auf die vorliegende Roadmap des Rats für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) hin, in der – ohne zeitliche Vorgaben – Bedingungen für die stufenweise Einführung einer europäischen Einlagensicherung definiert würden. “Zeitpläne entfalten oft eine magische Kraft. Termine sind jedoch nie wichtiger als Inhalte.”Zu den Inhalten gehöre nicht nur der Abbau fauler Kredite in einer Reihe von Ländern, sondern auch die Harmonisierung des Insolvenzrechts und die Enttabuisierung des Themas risikoreiche Staatsanleihen in den Bankbilanzen mancher Länder. Diese Vorhaben sollten nach den ESM-Plänen erst nach einer mehrjährigen Rückversicherungsphase und damit erst kurz vor der Vollvergemeinschaftung realisiert werden – viel zu spät, meint Hofmann und vermutet, “dass man diese Punkte aus politischen Gründen am Ende aufgibt”. Milliardenrisiko für BankenVorrang sollte zudem haben, ein wetterfestes Bankenabwicklungssystem zu schaffen, das etwa bei der Schieflage einer in mehreren EU- und auch Drittländern tätigen Bank funktionieren müsse. Dieses Ziel sei nicht erreicht. Auch in diesem Kontext seien die zu unterschiedlichen nationalen Insolvenzregime nicht hinnehmbar. Sie machten die Arbeit des Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board – SRB) ineffizient, ließen den “No Creditor Worse Off”-Test (NCWO), nach dem Gläubiger durch ein Abwicklungsverfahren nicht schlechter gestellt werden dürfen als in einem Insolvenzverfahren, schwierig bis unmöglich werden und führten zu Klagen von Investoren, die per Bail-in Geld verlieren. Wenn aber der SRB in Milliardenhöhe verklagt würde, trügen alle Banken das Risiko, weil Verluste und Kosten gegebenenfalls über erhöhte Bankenabgaben zu erstatten seien.Umgekehrt gelte: Wenn die Bankenabwicklung funktioniere, der ESM als Backstop für den Abwicklungsfonds fungiere und Liquiditätshilfen organisiert seien, sei der Bedarf für Edis gering bis nicht mehr existent. An diesen Vorbedingungen und Hindernissen im Abwicklungsregime und den übrigen Voraussetzungen sollte die EU verstärkt arbeiten. Sie hätten eine größere Bedeutung für die Finanzstabilität als die vergemeinschaftete Einlagensicherung. Brüssel “verfolgt jedoch lieber das politische Prestigeprojekt Edis”.Das Diskussionspapier spreche auch die Möglichkeit an, nationale institutssichernde Systeme von Edis auszunehmen, empfehle eine solche Ausnahme aber nicht. Doch bestünde gerade hier Spielraum für eine sinnvolle Subsidiarität. Die BVR-Institutssicherung sei wesentlich älter als die EU und habe seit ihrer Entstehung vor 85 Jahren deutsche Genossenschaftsbanken trotz mancher Krisen und Wirren ohne Ausnahme stabil gehalten. Hofmann: “Ein solches System werden wir nicht opfern. Wir brauchen Edis nicht.” Dies sei auch die Meinung der Mehrheit der Bankenvertreter in der EU.