"Wir brauchen öffentliche Versicherer"

Private Eigentümer- oder Trägerschaft ist nicht vorstellbar - Die historischen Wurzeln und die heutige Marktstellung bilden eine gute Basis

"Wir brauchen öffentliche Versicherer"

Wer von außen auf die Landkarte der öffentlichen Versicherer in Deutschland schaut, bekommt den Eindruck eines Flickenteppichs. Schnell liegt der Schluss nahe, dass hier doch dringend eine Flurbereinigung nötig sei, vor allem da die Wettbewerber schlanker und oft international vernetzt aufgestellt sind – der genossenschaftliche Sektor als Hauptwettbewerber der Sparkassen sogar mit nur einem Unternehmen. VersorgungssicherheitVergessen werden bei dieser Betrachtung jedoch die historischen Wurzeln, die in Einzelfällen deutlich älter sind als unsere Sparkassen. Diese Wurzeln mit ihrer hohen Wertigkeit sind ein Schatz. Sie stehen für Versorgungssicherheit seit Generationen, für Bodenständigkeit und feste Verankerung in der Region. Auf diesem Fundament bauen die öffentlichen Versicherer auf. Dieses einfach einzureißen wäre fatal.1913 – also genau vor 100 Jahren – gab der Deutsche Sparkassentag eine offizielle Empfehlung an die Sparkassen, beim Versicherungsgeschäft mitzuarbeiten. Vor allem der Einstieg in das Geschäft mit Lebensversicherungen und die Gründung entsprechender Versicherungsanstalten wurden empfohlen. “Die Versicherungsanstalten sind nichts anderes als modifizierte Sparkassen”, heißt es zum Beispiel im Beschluss zur Errichtung einer öffentlichen Lebensversicherungsanstalt in Württemberg-Hohenzollern.100 Jahre später stehen die öffentlichen Versicherer wieder einmal im Fokus der Aufmerksamkeit. Während sich in den vergangenen Jahren die regionalen Verbände und auch der DSGV verstärkt mit den Landesbanken beschäftigen mussten, gerieten die öffentlichen Versicherer teilweise etwas aus dem Blickfeld.Aber auch bei den elf Erstversicherungsgruppen, die zur Sparkassenfamilie gehören, ist die Zeit nicht stehen geblieben. Das zeigt schon ein Blick auf unsere eigene Gesellschaft, die SV SparkassenVersicherung, in der wir gemeinsam mit den Kollegen aus Hessen-Thüringen die Verantwortung tragen.Die SV ist der Regionalversicherer der Sparkassen in Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz. Sie entstand in ihrer heutigen Form 2004 durch eine Fusion der Sparkassenversicherer in Baden-Württemberg und in Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz. Dies war aber nur die letzte Fusion in einer langen Unternehmensgeschichte. Die SV hat zwölf ehemals eigenständige Wurzeln, deren älteste, die Badische Gebäudeversicherungsanstalt (“Brand-Assecurations-Societät”), wurde 1758 gegründet – und damit weit vor den meisten Sparkassen.Entscheidend für die Entwicklung des heutigen Konzerns war die Abschaffung der Monopol- und Pflichtversicherung im Zuge der Liberalisierung des Versicherungsmarktes im Jahre 1994. Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hessen wurden die Gebäudeversicherungsanstalten in mehreren Stufen miteinander verschmolzen und an die jeweiligen Sparkassenversicherer verkauft. Ein Kraftakt für alleHeute können wir festhalten, dass diese Fusionsgeschichte, die ganz unterschiedliche Unternehmenskulturen von Monopol-Versicherungen bis hin zu kleinen Regionalversicherern verschmolzen hat, ein Erfolg ist. Aber für Mitarbeiter, Vorstände und Eigentümer war es ein Kraftakt. Viele Schritte waren notwendig – und dieser Prozess wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen.In den vergangenen zwei Jahren haben wir bei der SV vor allem die Ausrichtung auf die Sparkassen und die Kunden optimiert. Mit der Initiative “Pro SV” wurden in über 300 Einzelprojekten deutliche Fortschritte im Vertrieb und bei der Zusammenarbeit mit den Sparkassen gemacht. Ein Großprojekt, das zwar Kraft, Aufwand und Zeit gekostet hat, aber die Ergebnisse werden heute intern wie extern gelobt. Die SV hat damit einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Fest in der SparkassenfamilieUm es klar zu sagen: Für mich gehören die öffentlichen Versicherer auch in Zukunft fest zur Sparkassen-Finanzgruppe. Eine private Eigentümer- oder Trägerschaft kann ich mir hier genauso wenig vorstellen wie bei einer Landesbank oder einer Sparkasse. Für die öffentlichen Versicherer sind die detaillierten Kenntnisse über ihr Geschäftsgebiet und dessen Risikostruktur eine hervorragende Basis, um Marktpotenziale zuverlässig einzuschätzen und Marktchancen erfolgreich zu nutzen. Das ist der große Pluspunkt der Struktur unserer Gruppe – von den Sparkassen angefangen über die Landesbanken, die Landesbausparkassen bis hin zu den Versicherern.Die Sparkassen werden als Allfinanz-Dienstleister von den Kunden geschätzt. Dass dabei fast alle Angebote von öffentlich getragenen Unternehmen kommen, die seit Jahrzehnten und teilweise Jahrhunderten erfolgreich arbeiten, ist ein großer Vorteil. Darauf gründet das Vertrauen vieler unserer Kunden. Viele kommen tatsächlich mit allen Fragen, “wenn’s ums Geld geht”, zu uns.Gerade die Krise der vergangenen Jahre hat das Modell auch in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung gefestigt. Wenn man jetzt bei den Versicherungen die öffentliche Trägerschaft in Frage stellt, werden dieselben Argumente schnell auf andere Finanzdienstleistungen unserer Gruppe übertragen. Am Ende könnte erneut die Frage stehen, ob Deutschland noch Sparkassen in kommunaler Trägerschaft braucht. Daher ist die ganze Gruppe gut beraten, dieses Alleinstellungsmerkmal nicht leichtfertig aufzugeben. Mögliche künftige WegeGleichzeitig bedeutet dies nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen können. Die Wettbewerbssituation, die zunehmende Regulierung und schließlich die Niedrigzinsphase, die wohl noch einige Zeit anhalten wird, zwingen zum Handeln. Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, bevor möglicherweise ernsthafte Schwierigkeiten bei einzelnen Unternehmen auftauchen. Daher ist es richtig, ausgelöst von den Diskussionen rund um die Provinzial Nordwest, dass die Eigentümer auf Sparkassenseite das Thema jetzt unter Moderation des DSGV angehen.Dabei muss die Lösung nicht automatisch Fusion heißen – auch wenn unsere eigene Sparkassenversicherung ein gelungenes Beispiel für eine Fusion ist. Zusammenschlüsse können Sinn machen, wenn sich die oft heterogenen Eigentümer einig sind und die Gespräche nicht mit unerfüllbaren Erwartungen (zum Beispiel an hohe Synergieeffekte in kurzer Zeit) überfrachtet werden. Kooperationen sind denkbarEine Alternative sind Kooperationen. Auch diese sind nicht einfach. Es gab dazu in den vergangenen Jahren Rückschläge wie auch Erfolge. An erster Stelle steht für mich dabei die IT. Wir haben mit der Finanz Informatik ein Unternehmen, das inzwischen die IT für alle 422 Sparkassen in Deutschland bündelt. Es wäre daher ideal, wenn dieses Unternehmen aus einer Hand auch die IT-Lösungen für Landesbanken, Landesbausparkassen und vor allem die öffentlichen Versicherer anbieten würde. Die Sparkassen haben bereits erfahren, was für einen enormen Kostenvorteil dies bietet. Eine gemeinsame IT kann auch viele Schnittstellenprobleme der vergangenen Jahre zwischen den Sparkassen und ihren Versicherern lösen. Daher bin ich sehr dafür, diese Kooperationsmöglichkeiten nach allen Seiten intensiv auszuleuchten und dann auch zu ergreifen. Die SV SparkassenVersicherung ist bereits auf dem Weg in Richtung Finanz Informatik.Darüber hinaus sind natürlich auch auf vielen anderen Feldern verschiedene Formen der Zusammenarbeit denkbar. Zum Beispiel bei gemeinsamen Produktentwicklungen, Asset Management und dem Ausbau der bereits vorhandenen gemeinsamen Unternehmen (unter anderem Krankenversicherung, Rechtsschutz, Rückversicherung).Fazit – Die historischen Wurzeln der öffentlichen Versicherer und ihre heutige gute Marktstellung sind eine gute Basis für die künftige Entwicklung. Die Kunden vertrauen den öffentlichen Versicherern. Damit die Zukunft gelingt, brauchen wir einen Prozess, der unsere Unternehmen noch effizienter und damit auch in Zukunft leistungsfähig macht – dieser ist angestoßen. Die Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg bringt sich dabei gerade auch mit der Erfahrung unseres eigenen Unternehmens gerne ein.