IM INTERVIEW: JAN BETTINK UND JENS TOLCKMITT, VERBAND DEUTSCHER PFANDBRIEFBANKEN (VDP)

"Wir haben viel für den Pfandbrief erreicht"

Privilegierung soll verteidigt werden - BaFin soll zusätzliche Kapitalpuffer verordnen dürfen - Harmonisierung nur teilweise möglich

"Wir haben viel für den Pfandbrief erreicht"

Bei den Regulierungsvorhaben der vergangenen Monate und Jahre ist der Pfandbrief gut weggekommen, finden Jan Bettink, Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP), und Jens Tolckmitt, VDP-Hauptgeschäftsführer. Diese Privilegierung gelte es zu verteidigen, fordert Tolckmitt im Interview.- Herr Bettink, welches Thema treibt die Mitglieder des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) im Moment am meisten um?Bettink: Beherrschende Themen für die Branche insgesamt, nicht nur für die Pfandbriefbanken, sind derzeit Asset Quality Review (AQR) und Comprehensive Assessment – vor allem wegen der damit verbundenen hohen Arbeitsbelastung für die Institute, etwa durch immer wieder neue Templates, aber natürlich auch wegen der Frage, was bei den Prüfungen herauskommt. Auch unseren Verband beschäftigt das Thema intensiv. Der VDP hat zum Beispiel bei einigen Spezialthemen wichtige Vorarbeiten geleistet.- Was meinen Sie mit Spezialthemen?Bettink: Generell wollte die Europäische Zentralbank, geprägt von einem gewissen Misstrauen, nationale Besonderheiten weitestgehend eliminieren. Das ist verständlich, führt in der Praxis aber zu großen Problemen. Ein Beispiel sind Immobiliengutachten. Die EZB wollte ursprünglich keine Gutachten akzeptieren, die vor dem 1. Januar 2013 datiert oder von einem internen Gutachter erstellt worden sind. Mit dem deutschen Ansatz ist das nicht kompatibel. Wir nehmen zwar externe Gutachten, aber die müssen erst noch von unseren bankeigenen Gutachtern geprüft werden, denn diese machen den Vorschlag für den Beleihungswert – der traditionell immer unter dem Verkehrswert liegt und für unsere Finanzierungen maßgeblich ist. Es gab dazu intensive Gespräche, auch mit den Vertretern des VDP.Am Ende sind wir gemeinsam mit der nationalen Aufsicht, die uns da sehr unterstützt hat, zu einem allgemein akzeptierten Verständnis gekommen.- Und das sieht wie aus?Bettink: Wenn es keine großen Abweichungen gibt, werden auch interne Gutachten akzeptiert. Einige Häuser, darunter auch meine Bank, die Berlin Hyp, mussten einige wenige Gutachten nachliefern. Aber grundsätzlich haben wir erreicht, dass unser bewährtes System mit der Kombination aus internen und externen Gutachten auch weiterhin anerkannt werden dürfte.- Wie ist der Stand bei regulatorischen Themen?Bettink: Bei allen regulatorischen Themen geht es uns vor allem darum, dass die herausragende Qualität des Pfandbriefs angemessen berücksichtigt wird. Mit diesem Anliegen sind wir bei den zuständigen Institutionen überwiegend auf positive Resonanz gestoßen und konnten wichtige Erfolge für den Pfandbrief erzielen. Das gilt zum Beispiel für die aus unserer Sicht sachlich nicht zu begründende Idee, in den ersten Überlegungen zur Liquidity Coverage Ratio (LCR) und zum Eigenkapital-Regelwerk bei Versicherungen (Solvency II) Pfandbriefe genauso zu behandeln wie unbesicherte Schuldverschreibungen. Diese Idee ist Gott sei Dank vom Tisch.- Und wie lief es aus Ihrer Sicht für den Pfandbrief beim Thema Regulatorik, Herr Tolckmitt?Für den Pfandbrief lief es auf der regulatorischen Ebene in der Tat ziemlich gut. Er ist in allen wichtigen Regulierungsvorhaben der jüngeren Vergangenheit – angesichts seiner Produkteigenschaften und einzigartigen gesetzlichen Basis absolut zu Recht – privilegiert worden.- Wie sieht diese Privilegierung denn genau aus?Tolckmitt: Unter Basel III respektive CRD IV wird der Pfandbrief zum einen bei der Risikogewichtung privilegiert behandelt, zum anderen ist der Pfandbrief für den künftig vorgeschriebenen Liquiditätspuffer der Banken qualifiziert. Auch das neue Regulierungsregime für Versicherer (Solvency II) berücksichtigt die spezifischen Eigenschaften des Pfandbriefs durch eine Vorzugsgewichtung für “AAA”- und “AA”-geratete Pfandbriefe. Eine Ausnahmeregelung zeichnet sich darüber hinaus im Rahmen der EU-Krisenmanagement-Richtlinie (EU Bank Recovery and Resolution Directive) ab, die die Einbeziehung von Gläubigern für den Fall der Gefährdung eines Instituts durch sogenannten “Bail-in” vorsieht. “Secured Liabilities” wie der Pfandbrief sollen davon ausgenommen sein.- Wie schwer war es, dies durchzusetzen?Tolckmitt: Das war unser Ziel und 2009, als ich mein Amt beim VDP angetreten habe, so nicht unbedingt absehbar. Denn damals vor dem Hintergrund der Finanzkrise wollten Regulierer nationale oder Produktbesonderheiten nicht mehr akzeptieren, doch wir hatten für den Pfandbrief eben gute Argumente auf unserer Seite.- Also Entspannung auf ganzer Linie?Tolckmitt: Nein, das bedeutet eben nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen können. Es gibt noch viele größere und kleinere Baustellen zu bearbeiten – manche davon durchaus nicht ungefährlich.- Was heißt das konkret?Tolckmitt: Wir diskutieren zum Beispiel seit vier Jahren darüber, wie Pfandbriefe in der LCR berücksichtigt werden. Jetzt, in der Endphase der Regulierung, tauchen immer wieder neue Kriterien auf. Wir müssen also, obwohl wir im Grundsatz einer angemessenen Behandlung schon sehr nahe sind, immer wieder darauf Acht geben, dass dieses Ergebnis auch am Ende steht. Aber so ist das im politischen Prozess nun einmal.- Ist die Privilegierung des Pfandbriefs nun gesichert?Tolckmitt: Wir haben viel für den Pfandbrief erreicht. Aber seine Privilegierung muss auch in Zukunft immer wieder aufs Neue gerechtfertigt werden. Diese Herausforderung darf man nicht unterschätzen, zumal die Privilegierung nicht in allen Punkten unumstritten ist. Alle zwei oder drei Jahre – davon müssen wir ausgehen – dürfte sie überprüft werden.- Wie kann erreicht werden, dass diese Privilegierung auf Dauer bleibt?Tolckmitt: Wir fahren zweigleisig. Zum einen lassen wir nicht nach in unseren Bemühungen, die relevanten Entscheidungsträger auf nationaler und vor allem auf europäischer Ebene von den Vorzügen und speziellen Sicherungsmechanismen des Pfandbriefs zu überzeugen. Zum anderen entwickeln wir unser nationales Pfandbriefgesetz, letztlich die Basis für die Privilegierung, immer weiter. Zum Jahresbeginn 2014 gab es eine Novelle des Pfandbriefgesetzes, eine weitere bereitet der Gesetzgeber gerade vor. Diesen Prozess begleiten wir als VDP sehr aktiv.- Worum geht es dabei?Tolckmitt: Die Finanzaufsicht BaFin, die auch in Zukunft für das Pfandbriefgeschäft zuständig bleibt, muss die notwendigen Instrumente für die Beaufsichtigung in die Hand bekommen. Das ist nicht trivial, da die sonstige Bankenaufsicht, zumindest für bestimmte Institute, ab November bei der EZB liegt. Viele der Rechte, die die BaFin im Rahmen der Pfandbriefaufsicht wahrnimmt, leiten sich aus dem Kreditwesengesetz (KWG) ab. Wechselt die Zuständigkeit für die operative Bankaufsicht zur EZB, müssen also die einschlägigen Instrumente, die im KWG zu finden sind, wie zum Beispiel das Meldewesen, auf Produktgesetzebene verankert werden.- Was wollen Sie noch tun, um das Produkt Pfandbrief qualitativ weiterzuentwickeln?Tolckmitt: Es soll ein sogenannter Deckungs-Add-on eingeführt werden. Er gäbe der BaFin die Möglichkeit, die sogenannte Überdeckung von Pfandbriefen unter Risikogesichtspunkten zu variieren. Das ist bisher in der Welt der Covered Bonds einzigartig und orientiert sich vom Grundsatz her an den neuen Kapitalvorschriften, bei denen es bereits verschiedene Formen der Capital Add-ons, also zusätzlicher Kapitalpuffer, gibt.- Wie kann man sich die individuelle Festlegung des Deckungs-Add-on vorstellen?Bettink: Die gesetzliche Mindestdeckung beträgt heute 2 %. Wir haben uns die Frage gestellt: Sollte die gesetzliche Mindestdeckung pauschal erhöht werden oder sollte die BaFin die Möglichkeit bekommen, nach bestimmten Kriterien individuelle Aufschläge zu bestimmen? Wir halten Letzteres für den sinnvolleren Weg, und wir sind zuversichtlich, dass sich dies auch in der nächsten Novelle widerspiegeln wird.- Ist schon klar, welche Kriterien das genau sein werden?Tolckmitt: Die Diskussion läuft noch, aber vorstellbar sind etwa Konzentrations- oder Zinsänderungsrisiken. Grundsätzlich legen wir Wert darauf, dass diese Kriterien transparent sind und ihre Datenbasis nachvollziehbar ist, vor allem für die Pfandbriefkäufer. Die Transparenz muss nicht bis ins letzte Detail gehen, aber die Prinzipien sollten klar sein. Wir gehen davon aus, dass dies im weiteren Gesetzgebungsverfahren gewährleistet wird. Typischerweise steht eine allgemeine Ermächtigung im Gesetz und die BaFin erhält den Auftrag, diese zu präzisieren.- Wann soll das Gesetzespaket in Kraft treten?Tolckmitt: Möglicherweise noch in diesem Jahr, da es in engem Zusammenhang mit der Übernahme der Aufsicht durch die EZB steht. Es könnte auch erst zum 1. Januar 2015 in Kraft treten, was aber aus unserer Sicht kein Problem wäre.- Droht der Privilegierung der Covered Bonds auf europäischer Ebene Gefahr?Tolckmitt: Zumindest gibt es dort entsprechende Prüfaufträge. Der umfassendste Auftrag geht von der Europäischen Kommission aus, die über das Grünbuch Langfristfinanzierung Merkmale benennen will, die man bei Covered Bonds auf europäischer Ebene harmonisieren könnte. Wir werben dafür, dass im Interesse der Investoren qualitativ hochwertig harmonisiert wird, und machen entsprechende Vorschläge. Parallel dazu will die Europäische Bankenaufsicht EBA im Sommer einen Bericht an die Kommission geben, in dem festgelegt wird, welche Covered Bonds unter den neuen Regeln überhaupt noch privilegierungsfähig sein sollen.- Gibt es denn schon Kriterien für die Privilegierungsfähigkeit?Tolckmitt: Ja, allerdings sehr allgemeine. Wir erwarten, dass diese Kriterien weiter spezifiziert werden. Es heißt dann also zum Beispiel nicht nur, dass ein Covered Bond dann privilegierungsfähig ist, wenn es eine besondere öffentliche Aufsicht gibt, sondern es wird genauer festgelegt, welchen Kriterien eine öffentliche Aufsicht genügen muss. Denn da gibt es zwischen den Staaten große Unterschiede.Bettink: Für die Emittenten ist das Thema immens wichtig, weil es einen weiteren Schritt in Richtung EU-Harmonisierung darstellt. Es fängt jetzt mit der Aufsicht an, und in fünf oder zehn Jahren werden womöglich alle Gesetze vereinheitlicht sein. Jetzt werden die Weichen dafür gestellt, wie weit diese Harmonisierung gehen kann – und wo Schluss sein muss. Da wir das anspruchsvollste Produkt haben, ist die Gefahr groß, dass die Mehrheit der anderen sagt: So viel Qualität muss nicht sein.- Gibt es auch Bereiche, die Sie nicht für harmonisierungsfähig halten?Tolckmitt: Ja, zum Beispiel alle detaillierten Regelungen zum Insolvenzregime rund um Pfandbriefe. Denn das ist nationales Insolvenzrecht, das jenseits des Covered Bond gar nicht harmonisiert ist. Es wäre eine Herkulesaufgabe, das anzugehen. Wir glauben nicht daran, dass jemand diesen Versuch wirklich unternimmt, und wir hielten ihn auch nicht für sinnvoll. Unser Eindruck ist, dass uns die Aufseher da zustimmen.- Welche Bereiche lassen sich denn harmonisieren?Tolckmitt: Zum Beispiel Transparenzvorschriften, um Investoren vergleichbare Informationen über alle Covered Bonds in Europa zu geben. Außerdem lässt sich die Definition der Assetklassen, die Covered-Bond-fähig sind, harmonisieren. Damit würde das in der Krise so erfolgreiche Produkt gegen Begehrlichkeiten abgeschirmt, es auf andere, weniger geeignete Assetklassen zu übertragen. Schließlich ließen sich Standards festlegen, wie der Investor eines privilegierungsfähigen Covered Bond durch dessen Isolierung von der Insolvenzmasse einer insolventen Bank adäquat geschützt wird.- Wie weit ist man da im zeitlichen Ablauf?Bettink: Die EBA hat eine Bestandsaufnahme gemacht. Der Prozess steht am Anfang, aber er ist in Gang gesetzt.Tolckmitt: Die EBA wird in Kürze ihre Analyseergebnisse mit ihren Empfehlungen an die Kommission weiterleiten. Wir rechnen damit, dass die Kommission dann gegen Jahresende auf Basis der EBA-Analyse einen eigenen Bericht an den Rat und das Europäische Parlament schicken wird. Im Laufe des kommenden Jahres könnte der ganze Prozess schon abgeschlossen werden. Aber zuerst muss die neue Kommission formiert sein. Es wird sich zeigen, welchen Stellenwert das Thema Covered-Bond-Harmonisierung dort haben wird. Ich gehe davon aus, dass es weiter prioritär verfolgt werden wird, weil der Covered Bond eines der wenigen Themen im Kapitalmarktbereich ist, bei dem es bisher noch keine Harmonisierung gegeben hat.- Wie ist der Stand bei der Leverage Ratio?Tolckmitt: Man spürt auf internationaler Ebene den Druck hin zu einer höheren Leverage Ratio. Auf europäischer Ebene gibt es ein klares Mandat, die Auswirkungen der Leverage Ratio auf unterschiedliche Geschäftsmodelle zu prüfen. Daran hat sich nach unserer Kenntnis nichts geändert. Wir werden uns dann in die Diskussion einschalten, wenn das Thema auf europäischer Ebene konkret adressiert wird. Darauf warten wir.- Die neue Regulierung verlangt Ihren Mitgliedsinstituten einiges ab. Der Kostendruck jedenfalls wächst dadurch weiter, und auch auf der Zins- und Marktseite bleibt das Umfeld sehr herausfordernd. Was bedeutet das für den Verband?Bettink: Der VDP muss sich wie jeder andere Verband immer wieder fragen, wie er noch effizienter mit seinen Ressourcen umgehen kann, um seinen Mitgliedern bei möglichst niedrigen Kosten den maximal möglichen Nutzen zu stiften – gerade dann, wenn die Mitglieder selbst an der Kostenschraube drehen müssen.Tolckmitt: Bisher sind unsere Mitglieder mit der Verbandsarbeit hoch zufrieden, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Wir warten nicht, bis sich das vielleicht irgendwann einmal ändert, sondern stellen uns frühzeitig und proaktiv auf das sich ändernde Umfeld ein.- Was heißt das konkret?Tolckmitt: Wir haben gerade eine Straffung unserer Strukturen beschlossen, die auch mit einem moderaten Personalabbau verbunden sein wird. Wir legen einige Bereiche zusammen und geben Randaktivitäten ohne erkennbaren Nutzen für die Mehrzahl unserer Mitglieder auf. Zugleich werden wir einige unserer Dienstleistungen, speziell im Immobilienbereich, verstärkt extern vermarkten und dadurch zusätzliche Erträge generieren. Wir schlagen also mehrere Fliegen mit einer Klappe: Wir werden schlanker, effizienter und fokussierter, stellen uns damit nachhaltig zukunftsfähig auf – und entlasten zugleich unsere Mitgliedsinstitute.- Können Sie als verschlankter Verband dann auch noch all das leisten, was Ihre Mitglieder von Ihnen erwarten?Bettink: Absolut. Der VDP bleibt, was er ist: ein leistungsstarker Dienstleister für seine Mitglieder und Interessenvertreter für den Pfandbrief. Dafür stehen Herr Tolckmitt und ich selbst auch in Zukunft.—-Das Interview führte Thomas List.