IM GESPRÄCH: THOMAS FÜRST, WEBID SOLUTIONS

"Wir haben's erfunden"

Fintech hat Patent für Teile des Video-Ident-Prozesses - Wachstumsfeld elektronische Unterschrift befeuert internationale Expansion

"Wir haben's erfunden"

Das Postident-Verfahren zur Legitimation bei der Kontoeröffnung hat ausgedient, denn Antragstellung und Freischaltung können komplett online erledigt werden. WebID Solutions fühlt sich als Pionier dieses Verfahrens nun gerüstet für eine internationale Expansion von Frankfurt aus, sagt Geschäftsführer Thomas Fürst.Von Björn Godenrath, FrankfurtDie Geschichte des Video-Ident-Verfahrens in Deutschland begann am 1. Januar 2014. An diesem frostigen Neujahrsmorgen erhielt das Unternehmen WebID Solutions die Freigabe für seinen Dienst der Online-Identifikation mittels Video-Telefonie durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundesministerium für Finanzen (BMF). Seitdem kann das bislang in Bingen am Rhein und Berlin ansässige Fintech sein Verfahren zur Legitimationsprüfung über das Internet insbesondere im Kontoeröffnungsverfahren anbieten.Banken haben diesen Dienst im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategien schnell adaptiert, zählt Thomas Fürst als einer der beiden Geschäftsführer und Gründer von WebID doch heute bereits mehr als 60 Finanzdienstleister europaweit zu den Kunden. “Die Idee war, ein komplementäres Produkt zu Postident marktfähig zu machen, das zeit-, orts- und geräteunabhängig funktioniert. Und dafür haben wir einen Prozess geschaffen, der überall eingesetzt werden kann, wo ein Anbieter zur rechtssicheren Legitimation seiner Kunden verpflichtet ist”, sagt er. Die Post selbst bietet seit Mai 2015 ein eigenes Video-Ident-Verfahren an.Für WebID Solutions war es ein Glücksfall, dass die Finanzaufseher 2013 im Rahmen eines Update der Geldwäschevorschriften (GwG) sich gleich so gründlich den zusätzlichen Sorgfaltspflichten für die Online-Legitimation von Personendaten widmeten. Dabei hatten Fürst und sein Partner Frank S. Jorga nach der Gründung 2012 bewusst die räumliche Nähe zu den Regulatoren gesucht, habe man doch in dieser Phase in regelmäßigen Abständen intensive Termine mit vielen kritischen Rückfragen der Aufseher gehabt. Das BMF ist Wächter des Geldwäschegesetzes in Deutschland. Nutzungsquote steigtDie Anfangsphase bis zu den behördlichen Genehmigungen dauerte 12 bis 15 Monate, mit der SWK Bank aus dem heimischen Bingen war dann auch sofort ein erster Kunde gefunden, der dem Video-Ident-Verfahren zu seiner Premiere verhalf. Anfangs lag die Nutzungsquote bei 7 %, heute sind es 60 bis 70 %. Das Treiben der WebID Solutions blieb indes nicht lange unbemerkt, was Fürst zufolge rund zwölf Nachahmer auf den Plan rief. Davon sei heute nur noch die Hälfte übrig, sagt er. Neben WebID Solution gilt vor allem die Münchener IDnow als bekannter Anbieter im Markt. Direktbanken wie die Comdirect setzen auf hauseigene Video-Ident-Lösungen und behalten die gewonnenen Kundendaten damit im eigenen Haus.Dass einige Institute eigene Wege gehen, tangiert Fürst nicht weiter. “Wir haben’s erfunden”, sagt er in Anspielung auf die Tatsache, dass sein Unternehmen ein europaweites Patent für Teile des Prozesses besitzt – und das eröffnet in Verbindung mit dem Big-Data-Schatz aus den Registrierungsprozessen Möglichkeiten. Denn regulatorisch folgte auf die Kontoeröffnung dann die Online-Legitimation für Tagesgeldkonten und Depots grundsätzlich über mobile Endgeräte. Und über die Verwendung sogenannter qualifizierter elektronischer Signaturen (QES) als Äquivalent für die händische Unterschrift können Bankkunden nun auch direkt online Verträge abschließen. Mit der elektronischen Unterschrift entfällt der Papierkram und das Hin- und Herschicken von Verträgen. Biometrie ersetzt PasswortDie Online-Abschlussfähigkeit von Produkten ist ein Feld, das die Finanzinstitute beackern wollen – und WebID Solutions steht ihnen bei der Umsetzung mit einem eigens dafür entwickelten Verfahren zum Identitätsmanagement zur Seite. Mehr als 1 Million Nutzer sind identifiziert, ihre Profile inklusive eines Fotos und einer minimal kleinen Stimmprobe aus der Datenbank abrufbar. Auf Basis dieser Daten könnte in Verbindung mit QES-Trustcentern eine Vielzahl von Transaktionen mit der elektronischen Signatur plus TAN-Freischaltung begleitet werden, bei denen zukünftig Passwörter durch biometrische Merkmale ersetzt werden, was vor allem auf mobilen Geräten geschehe mit 1-2-3-Faktor-Systemen für den Zugang. “Wir helfen Banken, ein medienbruchfreies digitales Geschäft durchzuführen”, sagt Fürst.Diese sich abzeichnende Verknüpfung des Identitätsmanagements mit der Transaktionswelt veranlasst Fürst nun, den Aufbau einer Plattform für die internationale Expansion aufzusetzen. “Das steht jetzt ganz oben auf der Agenda. Wir wollen unsere Story innerhalb der kommenden 24 bis 36 Monate global ausrollen.”Für die Einbindung in die Transaktionswelt hat man die Pilotphase bereits verlassen, es finde bereits eine erste Integration statt. Dabei müssten die Banken kein monatelanges IT-Projekt aufsetzen. Da ausreichend Schnittstellen vorhanden seien, lasse sich das innerhalb von Wochen stemmen, sagt Fürst. UmzugspläneUm den nächsten Schritt in der Unternehmensentwicklung zu gehen, wollen Fürst und Jorga den Unternehmenssitz schon bald nach Frankfurt verlegen, um näher bei den Kunden zu sein sowie die gute Infrastruktur für die internationale Expansion zu nutzen.Bezogen werden sollen Räumlichkeiten in dem geplanten zentralen Fintech-Zentrum, über dessen Standort und Betreiberkonzept in Kürze von der öffentlichen Hand entschieden werden soll. Die Bemühungen der Stadt Frankfurt und ihrer Finanzplatz-Akteure zur Schaffung eines lebendigen Ökosystems stießen auf gute Resonanz auch in der Berliner Fintech-Szene, weiß Fürst zu berichten.Nachdem WebID Solutions bislang nur eine externe Finanzierungsrunde – Hannover Finanz zahlte im März 2015 für einen Anteil von 10 % rund 2 Mill. Euro – absolvierte, will Fürst nun eine zweite Runde einläuten und dafür schon bald auf Roadshow gehen. Das Grundgerüst des Aktionärskreises besteht aus vier privaten Anteilseignern seit der Gründung 2012.