"Wir müssen besser zusammenarbeiten"
Die Allianz regt ihre Einheiten in der deutschen Industrieversicherung zu ressortübergreifendem Arbeiten an. Ziel ist es, den Kunden umfassend zu betreuen. Deutsche Großkonzerne unter den Allianz-Kunden zielen verstärkt auf eine Absicherung der gesamten Bilanz, statt sich vor einzelnen Risiken zu schützen.Von Michael Flämig, MünchenTrotz starken Wettbewerbs verzeichnet die Allianz in der deutschen Industrieversicherung im ersten Halbjahr ein Beitragsplus. Christopher Lohmann, der für die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) neben Deutschland/Zentraleuropa die Aktivitäten in Osteuropa betreut, betonte im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: “Wir sehen ein ordentliches Umsatzwachstum.” Darunter versteht die Allianz in der Regel einen Beitragsanstieg mit einem einstelligen Prozentwert. Dies sei angesichts des Konkurrenzdrucks und der eigenen Marktstellung ein gutes Ergebnis, fügte Lohmann hinzu. Bereits im Gesamtjahr 2014 waren die Beiträge in Deutschland/Zentraleuropa um 4 % auf 1,25 Mrd. Euro gestiegen (siehe Grafik).Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote liege trotz überplanmäßiger Großschäden in der Luftfahrt-Versicherung im profitablen Bereich, sagte der Länderchef – also unter der Marke von 100 %. Bei den Frequenzschäden sei die AGCS besser unterwegs als noch zu Jahresbeginn vorhergesehen. Rüstzeug für BeschäftigteLohmann registriert einen leicht überproportionalen Beitragszuwachs beim Verkauf über Makler, ansonsten aber ein Anziehen in der Breite des Geschäfts. Er führte dies auch darauf zurück, dass sich der Industrieversicherer in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren verstärkt an den Wünschen der Versicherten ausgerichtet habe. 80 % der jüngst befragten 40 deutschen Großkunden hätten eine deutliche oder spürbare Verbesserung registriert, berichtet Lohmann.In einer ersten Befragungsrunde im Jahr 2013 hatten sich die Industrieunternehmen vor allem eine umfassendere Betreuung, erhöhte Underwriting-Geschwindigkeit und eine Verbesserung der operativen Abläufe gewünscht (vgl. BZ vom 15.10.2013). Nun seien das Interesse am Kunden und die Ganzheitlichkeit der Ansprache gelobt worden, berichtet Lohmann.Der AGCS-Manager strich Veränderungen auf drei Ebenen heraus. Der Ausgangspunkt: “Die Entscheidungsträger gehen zum Kunden und hören zu.” So gebe es Gesprächsrunden mit AGCS-Vorständen; außerdem erhielten die Kunden einen Experten-Newsletter. Damit jedoch sei es nicht getan: “Wenn die Beschäftigten nicht mitgenommen werden und das nötige Rüstzeug erhalten, kriegt man die Maßnahmen nicht auf die Straße.” Eine besondere Rolle habe daher zweitens das “Operational Excellence”-Instrumentarium gespielt, das die Allianz im Jahr 2009 unter dem Kürzel “Opex” gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Volans einführte. Wichtig für Lohmann ebenfalls: “Wir haben die Entscheidungsrechte der Underwriter und Schadenbearbeiter signifikant erhöht.” Gesamtpaket schnürenAls dritte Ebene ordnet er die interne Organisation ein. “Wir müssen besser zusammenarbeiten.” So habe man die Koordinationsfunktion der Key-Account-Manager nach innen wie außen geschärft, so dass die von ihnen betreuten Kunden in stärkerem Maße ganzheitlich bedient würden. Auch hätten nun die fünf funktionalen Einheiten innerhalb einer Sparte – vom Underwriting bis zum Rechnungswesen – die gemeinsame Verantwortung für den gesamten Prozess. Die neue Struktur werde von den internen Zielvereinbarungssystemen unterstützt. Wo hat AGCS noch Nachholbedarf? “Es ist eine lange Reise”, lautet die Antwort von Lohmann. Sie habe vor zwei Jahren begonnen und gehe natürlich noch weiter. Dabei sei die Kundenbetreuung nur ein Aspekt.Fraglich sei auch, inwiefern die Aufstellung nach Sparten noch zu einer veränderten Nachfrage passe. Denn Lohmann beobachtet den Wunsch großer Kunden, nicht einzelne Risiken abzusichern, sondern ein Gesamtpaket zu schnüren – quer durch Schaden-, Transport- und Technikversicherungen. Der operative Gewinn solle als Ganzes abgesichert werden: “Firmen wollen ihre Bilanz schützen.” Die Nachfrage habe sich bisher nicht auf breiter Front geändert, aber jährlich kämen ein bis zwei Firmen mit entsprechenden Wünschen. Lohmann ist sich daher sicher: “Dies ist die Debatte der nächsten fünf Jahre.” Herausforderung für BrancheDas ist eine harte Nuss für die Branche, die sich vom 9. bis 11. September zum traditionellen Industrieversicherungskongress in der bayerischen Landeshauptstadt München trifft. Denn einerseits schrumpft damit die Nachfrage – schließlich können Großkonzerne einen Teil des Risikos über Diversifizierungseffekte durchaus auf das eigene Buch nehmen. Andererseits ist auch der gesamte Rückversicherungsmarkt nach Sparten aufgeteilt, so dass gebündelte Erstversicherungen nicht ohne weiteres weitergereicht werden können.Ein weiterer Markttrend aus Sicht von Lohmann: Die Serviceleistungen jenseits des reinen Risikotransfers spielten eine immer größere Rolle. Die Allianz kooperiert dabei teils mit Experten. So arbeiten die Münchner bei der Abwehr von Cyberattacken mit der Deutschen Telekom zusammen, für Einsätze in Krisen- und Terrorfällen steht seit Juni der Partner Red24 bereit. Für die internationalen Versicherungsprogramme plant die Allianz eine Terrorpolice, die noch in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen soll.Innovationen sind aus Sicht von Lohmann ein Mittel, um dem Preisdruck zu begegnen, der durch die Vielzahl von Wettbewerbern bedingt ist. Sehr erfolgreich sei die Allianz mit Versicherungen im Bereich erneuerbare Energien gestartet. Mittlerweile trage dieses Segment 20 % zum Beitragsaufkommen in der technischen Versicherung bei. In der Cyberversicherung erwartet Lohmann einen deutlichen Anstieg der Abschlüsse Anfang des kommenden Jahres. Bei der erweiterten Managerhaftpflichtversicherung (D & O), die einen Schutz für ausscheidende Führungskräfte über deren Amtszeit hinaus bietet, gehe man selektiv vor. Es handle sich schließlich um ein sehr langfristiges Risiko. Umsatz im Osten verdoppelnExpansionschancen sieht Lohmann auch in Osteuropa – für die Industrieversicherung der Allianz in dieser Region ist er seit kurzem ebenfalls verantwortlich: “Wir wollen das Beitragsvolumen in den nächsten drei bis fünf Jahren verdoppeln.” Allerdings ist das Ausgangsniveau relativ niedrig, jährlich erzielt die AGCS dort einen sehr niedrigen zweistelligen Euro-Millionenbetrag an Beiträgen. In Osteuropa werde man sich zunächst auf jene acht Märkte fokussieren, in denen die Allianz bereits mit eigenen Gesellschaften unterwegs sei. Zu deren Marktnähe bringe man die AGCS-Expertise in der Industrieversicherung. Mit einem Team in Wien betreut der Manager die Region: “Ich freue mich auf diese Aufgabe.”