"Wir realisieren im Netz erfreuliche Ergebnisse"
Während der Ostdeutsche Sparkassenverband einen drastischen Gewinneinbruch bei seinen Mitgliedsinstituten als Folge der anhaltenden Nullzinsen befürchtet, gibt sich die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam zuversichtlich, der EZB zum Trotz auch künftig überdurchschnittlich verdienen zu können. Dabei hat Vorstandschef Andreas Schulz keine Angst vor digitalen Geschäften, da diese bei einer strengen Kostenkontrolle weder die Gewinnmarge noch das stationäre Netz kannibalisierten.Von Ulli Gericke, BerlinEs waren Horrorzahlen, die der Ostdeutsche Sparkassenverband (OSV) vor einigen Monaten ermittelte. In einer Simulationsrechnung hatte der Verband kalkuliert, wie sich die Null- und Negativzinsen in den nächsten Jahren auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung seiner Mitgliedssparkassen auswirken werden. Das Ergebnis war alarmierend: Erzielten die Ost-Sparkassen 2011 noch 1,30 % der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS) als Betriebsergebnis vor Risiko – womit sie in der Sparkassenfamilie einsam an der Spitze liegen -, dürfte der Wert bei anhaltendem Niedrigzins bis 2019 auf magere 0,44 % zusammenschnurren.Werden davon die Risikovorsorge abgezogen, eine Bewertung auf Eigenanlagen bei vielleicht dann doch mal wieder steigenden Zinsen sowie Steuern, kann aus der Gewinn- dann schnell eine Verlustrechnung werden. Eine solche Zahl sei “kreuzgefährlich”, urteilt Andreas Schulz, der Vorstandschef der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam (MBS), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung – “da dürfen wir niemals hinkommen”.Dieser Satz gilt generell – und für sein eigenes Haus erst recht. Schließlich sind die Ansprüche in Potsdam hoch. Die Sparkasse, deren Geschäftsgebiet Berlin im Norden, Westen und Süden umfasst, ist die profitabelste Großsparkasse hierzulande – und will es auch bleiben. Entsprechend ist sich Schulz sicher, auch 2019, wenn im Osten sonst nur noch 0,44 % der DBS erwirtschaftet werden dürften, noch eine 1 vor dem Komma zeigen zu können – “und wir arbeiten daran, dass dahinter noch möglichst viel steht”.Deutlich skeptischer ist Schulz bei den vom OSV vorgeschlagenen Rezepten gegen den Margenverfall. In der “Geschäftsstrategie 2020” hält der Verband nicht nur an einem breiten Filialnetz fest. Er plädiert zudem für eine Steigerung des Provisionsüberschusses durch die Intensivierung des Verbundgeschäfts und eine “veränderte Preispolitik im Bereich Giro”. Steigende Kontoführungsgebühren überlegen zwar auch die Potsdamer – zumal die letzte Preiserhöhung bei Firmenkunden mit der Umstellung von D-Mark auf Euro einherging, die schon einige Tage zurückliegt. Doch grundsätzlich gibt Schulz zu bedenken, dass das Provisionsergebnis in der öffentlich-rechtlichen Gruppe nur ein mageres Fünftel zum Ergebnis beiträgt. 80 % kämen dagegen (bisher) aus dem Zinsüberschuss. “Die Provisionen sind ja ein enorm wichtiges Thema. Aber den Zinsrückgang können sie nicht ausgleichen”, relativiert der Bankchef anderslautende Empfehlungen. Zinsen bleiben niedrigDiesem grundsätzlichen Diktum wird auch der Verband nicht widersprechen wollen. Der hat jedoch in der Zwischenzeit jegliche Hoffnung begraben, dass an der Zinsfront jemals die guten alten Zeiten wiederkommen könnten. Es beunruhige ihn, erklärte OSV-Präsident Michael Ermrich vor wenigen Tagen, “dass völlig unabhängig von der EZB die langfristigen Zinsen weltweit seit 35 Jahren eine sinkende Tendenz aufweisen, wofür offenbar ganz andere Wirkungsmechanismen als die Einflussnahme der Zentralbank ursächlich sind und folglich wohl auch ein Kurswechsel der Geldpolitik nicht zurück zu alten Zinshöhen führen wird.” Damit stelle sich für die Sparkassen immer drängender die Frage, wo sie die Spargelder ihrer Kunden noch sinnvoll anlegen könnten. Diese Frage treibt vor allem – aber nicht nur – die Sparkassen in den neuen Ländern um, die wegen der chronischen Industrieschwäche und daraus folgend des geringen Firmenkreditgeschäfts sehr passivlastig sind. Sehr kontroverse DiskussionAls einzigen Ausweg sieht Schulz, das Kreditgeschäft auszuweiten – wobei “Marge und Risiko” stets äußerste Aufmerksamkeit erforderten. Doch selbst ein überproportionales Kreditwachstum (mit dem der Kreditbestand im ersten Halbjahr um immerhin 4,6 % ausgeweitet werden konnte) werde den rapiden Zinsrückgang nicht ausgleichen, sondern maximal abpuffern können, ist sich der Sparkassenchef sicher. Den Potsdamern gelingt dabei, ihre Kredite fast hälftig an Firmen- und Privatkunden auszureichen – was das Geschäft in Zeiten tiefgreifender Verunsicherung stabilisiert, wie aktuell bei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht. Wie bei vielen anderen Banken sackten auch bei der MBS die Zusagen für Wohnungskredite in den vergangenen Monaten um gut ein Zehntel weg, was Schulz vor allem auf besagte “schlecht gemachte” Wohnkreditrichtlinie zurückführt.Bei dem Ziel, möglichst viel neues (und sicheres) Kreditgeschäft in die Bücher zu bekommen, stellten sich die Potsdamer schon vor Jahren die Frage, wie sie es mit Vermittlungsportalen halten sollen. “Nach sehr kontroverser Diskussion”, wie Schulz freimütig einräumt, habe sich “sein” Haus als eine der ersten Sparkassen überhaupt dazu durchgerungen, bei diesem digitalen Geschäft mitzumachen – ohne das analoge, stationäre Vertriebsnetz zu kannibalisieren. Vorgabe war – und ist -, nicht breit bei möglichst vielen Plattformen Präsenz zu zeigen, sondern sich auf bekannte Adressen mit großen Volumina zu beschränken. Wie etwa auf die Interhyp für Baufinanzierungen. Online-Zins kaum günstigerUnd da bei den eigenen betrieblichen Aufwendungen die “Hausaufgaben gemacht” worden seien, könnten auf der Plattform auch “attraktive Zinsen” gezeigt werden, ist sich Schulz sicher – “wir realisieren im Netz ganz erfreuliche Ergebnisse”. Was in Heller und Cent bedeutet, dass mit einem kleinen dreistelligen Millionenbetrag inzwischen etwa ein Viertel aller Neuzusagen von Baudarlehen digital erfolgt.Dabei ist die MBS – anders als andere Sparkassen – bei dem über Portale eingeworbenen Geschäft ausschließlich in ihrem eigenen Sparkassengebiet tätig – plus Berlin. Aber hier gehören Überschneidungen zum normalen Geschäftsalltag beider Sparkassen, der Potsdamer wie der Berliner, arbeiten und wohnen doch Hunderttausende von Menschen mal dies-, mal jenseits der Ländergrenzen. “Ich bin ein Fan des Regionalprinzips”, beteuert Schulz, da er nur die heimische Region beurteilen könne – und damit auch die Risiken. Im Gegensatz zu anfänglichen Befürchtungen sind die Zinsen im Netz “nicht viel günstiger” als in den Filialen der Mittelbrandenburgischen Sparkasse – “hier wurde unsere Marge nie kannibalisiert”.Da das Back Office gleich und die Kosten bei den standardisierten Produkten und Prozessen dieselben seien, gebe es zwischen on- und offline keine wesentlichen Unterschiede mehr. “Kreditkonditionen dürfen heute nicht mehr so weit auseinanderliegen”, resümiert Schulz – “wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass unterschiedliche Kunden unterschiedliche Zugangswege nutzen wollen”.Doch ist die Präsenz auf der Interhyp-Plattform mehr als ein erzwungenes Muss: Etwa zwei von drei neuen Verträgen werden mit Bauwilligen abgeschlossen, die bislang keine Verbindung zur Sparkasse hatten. Aus diesen neuen Geschäftsverbindungen gilt es mehr zu machen, mahnt der MBS-Chef – “wir müssen uns mehr um unsere Kunden kümmern”. Dies gelte vor allem für die schon vorhandenen Kundenbeziehungen, aber auch für potenzielle Neukunden, die über die Interhyp oder eine andere Plattform zu den Potsdamern stoßen. Denen kann inzwischen immerhin eine Kontoeröffnung via Internet angeboten werden, auf dass sie ohne Medienbruch – also weiterhin rein digital – zur Sparkasse migrieren können. Das erfindet das Banking nicht wirklich neu. Bei den Sparkassen ist dieser digitale Weg aber bei weitem noch nicht selbstverständlich. “Risikogerechte Bepreisung”Eine “Riesenchance” böten vor allem aber die bestehenden Kunden: Zurzeit würden wie bei einem Eisberg nur diejenigen wahrgenommen, die aus dem Wasser ragten. “Mit manchen Kunden reden wir nicht”, räumt Schulz ein, um im gleichen Atemzug zu betonen, die Filiale sei das “Herzstück” des Vertriebs. “Letztlich geht es um die Frage, wie die richtigen Kunden an den richtigen Betreuer kommen bei der richtigen Anzahl von Beratern, damit die Kosten vertretbar bleiben und die Erträge steigen.”Dieses Sich-mehr-um-KundenKümmern ist jedoch nicht ohne Gefahr. Da alle Banken mehr Kreditgeschäft suchen, sinken die Eigenkapitalanforderungen in der Branche und die persönlichen Verpflichtungen des Kreditnehmers werden kleiner. Dagegen versuchen die Potsdamer die alten Maßstäbe beizubehalten. “Wir waren eine der ersten in der Sparkassenorganisation, die eine risikogerechte Bepreisung durchsetzten”, erinnert Schulz, der zudem betont, dass diese Strategie die Marge “enorm stabilisiert” habe. Geholfen hat der MBS dabei das Abblocken jedweder Kreditwünsche durch die Großbanken während der Finanzkrise.Im Gegensatz dazu stünden die Potsdamer ihren Kunden auch in schwierigen Zeiten zur Seite, lautet der MBS-Werbeblock. Und als Großsparkasse könne das Haus zudem fast jede Finanzierung darstellen – wenn es sein muss, mit Hilfe einer Landesbank. Vor allem aber seien die Kunden bereit, die von der Sparkasse angestrebte hohe personelle Kontinuität bei den Betreuern “beim Preis zu goutieren – wir sind nicht immer die Billigsten”, räumt Schulz offenherzig ein. Das habe jedoch nichts mit einer Quasi-Monopolstellung in brandenburgischen Randgebieten zu tun, beteuert er zugleich, gebe es auf dem Land doch den Wettbewerb mit der Berliner Volksbank, der nach der Apo-Bank und der Sparda-Bank Baden-Württemberg drittgrößten Genossenschaftsbank hierzulande. Und im Berliner Umland “tummelt sich im Moment wieder alles”. Ziel der MBS sei es gleichwohl, schneller als der Markt zu wachsen. Sparkasse und High YieldDoch trotz der offensiven Kreditvergabe bleibt auch die Potsdamer Sparkasse weiterhin hoch passivlastig. Einem Kreditbestand von knapp 4,5 Mrd. Euro standen zur Jahresmitte gut doppelt so hohe Einlagen von 9,7 Mrd. gegenüber. Zu Zeiten, als Bundesanleihen noch nennenswert verzinst wurden, war die Eigenanlage der Milliardendifferenz zwischen Passiv- und Aktivgeschäft eine profitable und sichere Bank. Doch zehnjährige “Bunds” zeigten letztmals im Sommer 2008 einen Kupon mit einer 4 vor dem Komma. Schon zwei Jahre später lagen die jährlichen Zinsen nur noch halb so hoch.Wer dennoch einen passablen Gewinnbeitrag aus dem Depot A erlösen will, muss die Anlage “zu vertretbaren Risiken” breiter streuen. In Potsdam sind dies Corporate Bonds sowie “in homöopathischen Dosen” Immobilien und High-Yield-Anleihen, die von Assetmanagern verwaltet werden. Um in solche Anlagen investieren zu können, muss allerdings genügend Eigenkapital zur Verfügung stehen – “das kann dieses Haus”, betont der Sparkassenchef nicht ohne Stolz. Voraussetzung dafür ist freilich eine kontinuierliche Stärkung der Rücklagen. Mit satten 26 %, gemessen an der EU-Eigenkapitalverordnung CRR, stehen der MBS alle Türen offen.—-Zuletzt erschienen:- Wenn der Vorstand das Ergebnis massiert (6. September)- Islamische KT Bank sieht sich als Pionierin (31. August)- US-Banken setzen auf Kreditkarten-Nachfrage (30. August)