IM INTERVIEW: PETER REITZ, EUROPEAN ENERGY EXCHANGE

"Wir sind eine global agierende Commodities-Börse"

Vorstandsvorsitzender: Einstieg in den japanischen Strommarkt in der ersten Jahreshälfte 2020 geplant - Akquisitionen auch künftig Wachstumstreiber

"Wir sind eine global agierende Commodities-Börse"

Die Leipziger European Energy Exchange (EEX) gehört zu den stärksten Wachstumsträgern der Deutschen Börse. Ihr Umsatz hat sich in den zurückliegenden Jahren vervielfacht, zum Teil dank Akquisitionen. Peter Reitz, Vorstandsvorsitzender der Strombörse, die ihr Geschäft regional und produktseitig weiter ausbaut, ist überzeugt, die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit aufrechterhalten zu können. Herr Reitz, kann die EEX ihr beeindruckendes Wachstum der zurückliegenden Jahre halten, oder sind Sie schon auf dem Höhepunkt des Erfolgs?Wir gehen nicht davon aus, dass das schon der Höhepunkt war. Zwar war 2018 wieder ein Rekordjahr und sind wir auch schon einen sehr weiten Weg gegangen. 2010 und 2011 hatten wir gut 40 Mill. Euro Umsatz und im vergangenen Jahr 268 Mill. Euro, aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Entwicklung der ersten Monate dieses Jahres lässt uns sehr optimistisch in die Zukunft blicken. Die Handelsumsätze in unserem Kerngeschäft liegen deutlich über den Rekordwerten von 2018. Diese Story wird hoffentlich noch ein bisschen so weitergehen. Welche Treiber stehen dahinter?Es gibt einige Treiber, ein paar generelle Trends, die noch anhalten. In unseren Kernmärkten – in den Strom- und Gasmärkten – ist es nach wie vor so, dass ein Großteil des Handels außerbörslich stattfindet und ungecleart bleibt und nun in Richtung unserer Plattformen wandert, in der Form, dass Handelsgeschäfte an der Börse zum Clearing registriert werden. Der Handel in dieser Industrie professionalisiert sich, und insbesondere steigt auch das Risikobewusstsein. Wir nehmen das Kreditausfallrisiko aus dem Markt. Das wird zunehmend wichtiger. Ist das über alle Ihre Asset- bzw. Produktklassen hinweg so?Das ist insbesondere im Strom- und Gasmarkt der Fall, die beiden ganz großen Märkte für uns. Es gelingt uns, Volumen aus dem außerbörslichen, ungeclearten Markt an die Börse und zum Clearing zu bekommen. Dies geschieht in unseren Kernmärkten überall, aber unterschiedlich schnell. So waren wir im italienischen Markt vor vier Jahren bei nahezu null. Jetzt haben wir einen Anteil des geclearten Geschäfts von über 80 %, das über unsere Plattform und insbesondere unser Clearinghaus ECC läuft. In anderen Märkten wie Deutschland, dem bei weitem größten Markt in Europa, sind wir inzwischen bei ungefähr 40 %. Das zeigt, dass hier die Verlagerung langsamer läuft, aber auch, dass da noch deutlich Luft nach oben ist. Ich erwarte, dass sich dieser Trend fortsetzt. Zentrales Clearing hat auch den Charme, dass es anonym ist.Das spielt auch eine Rolle und ist auch dem Mix von Marktteilnehmern geschuldet. Wir haben in den letzten Jahren unser Teilnehmernetzwerk immer weiter ausgebaut. Zum einen nehmen eben nicht mehr nur große Erzeuger und große Verbraucher am Handel teil, sondern auch etwa Rohstoff-Hedgefonds, die auch ein Interesse an Anonymität und Ausfallsicherheit haben. Aber wir haben auch aus der Kernindustrie kleinere Teilnehmer dazugewonnen. Auch für die ist es wichtig, dass sie nicht mit jedem anderen Marktteilnehmer irgendwelche Rahmenverträge abschließen müssen. Wie entwickelt sich das Clearing im Gasmarkt?Der überwiegende Anteil gerade im Terminmarkt ist im Gasmarkt noch außerbörslich und ungecleart. Da ändern sich die Marktstrukturen nur langsam. Ein Faktor, der gerade auch im Strommarkt dazu beiträgt, dass der Handel in Richtung Clearing läuft, ist die Veränderung der Anbieterstruktur. Der Markt ist dezentraler geworden, wir haben viele neue Marktteilnehmer, meist kleinere. Wenn diese einen Schritt hin zur Börse machen, wo sie dann auf einen Schlag mit insgesamt 600 anderen Teilnehmern handeln können, wird das für sie deutlich attraktiver. Wie sieht es mit den Aktivitäten im Gasmarkt sonst aus, kommt dort noch viel Wachstum?Gerade im kurzfristigen Gasmarkt sehen wir, dass sich Volumen auf unsere Plattform verschiebt. Die Möglichkeit, viele verschiedene Märkte auf einer Plattform zu handeln, wird von unseren Kunden geschätzt, und wir bauen hier auch unser Angebot aus. So haben wir etwa den spanischen Markt neu dazu genommen. Diese regionale Wachstumsdimension gilt wie im Strom- auch im Gas- und Emissionsmarkt. Mit der Übernahme der US-Energieterminbörse Nodal ist EEX in den US-Markt vorgedrungen. Warum?Wir haben Nodal aufgrund unserer Strategie übernommen, uns in einem globalen Markt auch global aufzustellen. Zum anderen ist der US-Strommarkt einer der größten weltweit. Nodal passt sehr gut zu uns, und sie hat auch vor Ort ein eigenes Clearinghaus. Nodal stärkt die globale Position der EEX-Gruppe und bringt uns mit einem Schlag in einen der attraktivsten, weil größten Märkte. Wie entwickelt sich das Geschäft von Nodal?Extrem gut. Wir haben sehr hohe Wachstumsraten, es ist eines unserer am stärksten wachsenden Geschäfte, sowohl 2018 als auch in diesem Jahr. Letztes Jahr hatten wir ein Umsatzwachstum von gut 24 %, dieses Jahr sind es sogar über 80 %. Inzwischen läuft mehr als ein Drittel des Handels im amerikanischen Strommarkt über Nodal. Das ist kein Nischenplayer mehr, sondern eine signifikante Marktposition. Wie groß ist der geclearte Anteil in den USA?In den USA gibt es im Unterschied zu Europa keinerlei Zahlen vom ungeclearten Markt. Dort läuft der wesentliche Teil des Marktes über Börsen und Clearinghäuser. Es gibt keine Zahlen für den außerbörslichen Markt. Er ist aber wesentlich kleiner als hier in Europa. Denken Sie, dass Sie dort weiter Marktanteile gewinnen können? Das Marktdesign des US-Marktes ist ja ganz anders als das europäische.Es ist in der Tat ganz anders. Das ist einer der großen Vorteile, die Nodal dort bieten kann. In den USA gibt es nicht wie in Deutschland oder in Europa große Preiszonen, die in Europa meistens mit den Ländergrenzen zusammenfallen, sondern teilweise sehr kleine Preispunkte, die einzeln bepreist werden, und Nodal hat da ein sehr filigranes System, kann also bis zu 1 000 verschiedene Kontrakte gleichzeitig anbieten und hat damit einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern. Nodal kann die Risiken, die physische Marktteilnehmer, also Erzeuger und Produzenten, haben, deutlich besser adressieren, weil sie ein sehr viel breiter gefächertes Angebot aufstellt für diese kleinen Handelspunkte, den sogenannten Nodes. Wir versuchen aber auch ganz neue Geschäftsfelder in den USA aufzumachen, wie Futures für den Lkw-Frachtmarkt, auch dort gibt es Absicherungsbedarf für Preisrisiken. Welche Wachstumschancen sehen Sie noch in Asien, nachdem Sie Geschäft in der Region in Singapur neu organisiert haben?Generell ist die Ausweitung unseres Geschäfts in geografischer Weise ein Kerntreiber unseres Wachstums. Wir können gut Strom- und Gasmärkte betreiben, und Emissionsmärkte. Wo immer die entstehen, bieten sich uns neue Chancen. Da ist Asien ein Bestandteil, das gilt aber auch in allen anderen Märkten, gerade auch in Europa, wo wir neue Märkte mit Bulgarien, Slowenien und Serbien hinzugenommen haben. Wir beobachten Asien sehr genau und schauen, wo das richtige regulatorische Umfeld besteht, um Strommärkte aufzubauen. Wann immer wir in unseren Kernkompetenzen Geschäftsmöglichkeiten sehen, werden wir die auch ergreifen. Was bedeutet das?Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Der Gasmarkt ist ein leitungsgebundener Markt. Über das Thema LNG – also verflüssigtes Erdgas – kommt nun ein globales Element hinein, die Märkte werden durch die LNG-Tanker, die weltweit unterwegs sind, verbunden. Deshalb haben wir einen neuen Kontrakt für Flüssiggas eingeführt, und da ist Asien der größte Markt. Gerade Japan und Südkorea zählen zu den größten Abnehmern. Den Kontrakt müssen wir erst etablieren. Das ist ein langfristiger Markt. Ich glaube aber, LNG wird künftig auch in anderen Regionen der Welt, wie in Europa, eine bedeutendere Rolle einnehmen. 2018 sind Sie auch in Singapur vorangekommen.Wir haben die Zulassung für das Clearinghaus in Singapur bekommen. Derzeit liegt der Fokus in Singapur auf dem Frachtgeschäft, aber wir wollen nicht dort verharren. Wir schauen uns gerade den japanischen Strommarkt an. Der ist von seiner Regulierung her etwa dort, wo die europäischen Märkte vor zwanzig Jahren waren, als regionale Monopole abgeschafft wurden. Das ist die Grundlage dafür, dass ein wettbewerblich organisierter Strommarkt etabliert werden kann. Wir schauen uns dort insbesondere an, ob es für uns möglich ist, hier zunächst einen Clearingservice dafür anzubieten. Brauchen Sie dort eine japanische Lizenz?Wir klären gerade, welche Lizenzen wir brauchen. Hierzu stehen wir im Austausch sowohl mit den zuständigen Behörden in Japan wie auch natürlich unseren Aufsichten in Europa. Wir wollen zunächst mit einem reinen Clearingangebot beginnen, was üblicherweise der erste Schritt ist. Inzwischen liegt seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) die Bestätigung vor, dass wir mit unserem Clearingangebot für finanziell abgerechnete Strom-Kontrakte in den japanischen Markt eintreten dürfen. Da sind die Japaner so offen?Da sind wir zuversichtlich. Das bisherige Interesse der japanischen Marktteilnehmer ist groß. Hinzu kommt eine Vielzahl an internationalen Akteuren, die sich ebenfalls im japanischen Energiemarkt engagieren und zum Großteil bereits an der EEX zugelassen sind. Diese Überschneidung hat uns bestärkt, selbst ein Clearingangebot für den japanischen Strommarkt zu entwickeln. Wann ist hier mehr zu erwarten?Ein genaues Datum kann ich noch nicht nennen. Wir streben einen Start in der ersten Jahreshälfte 2020 an. Sind Akquisitionen noch ein Thema und auf welche Bereiche würden Sie sich fokussieren?Wir haben inzwischen ein relativ breit gefächertes Angebot und sogar ein Agrarsegment und decken Frachtmärkte ab. Unsere letzte Akquisition war der Kauf des Marktführers für europäische Herkunftsnachweis-Register, ein finnisches Unternehmen namens Grexel. Wir glauben, dass dies sehr gut zu unserem Strommarktportfolio passt, weil die Herkunftsnachweise, also die grüne Eigenschaft von Strom, eine zunehmende Bedeutung im Strommarkt haben wird. Wir sind inzwischen eine global agierende Commodities-Börse. Wenn wir hier Partner finden, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir unser Angebot noch erweitern. Es gibt im Moment keine konkreten Namen, die ich nennen kann, aber Akquisitionen waren stets ein Wachstumstreiber für die EEX-Gruppe, und das wird auch so bleiben. Was haben Sie im Bereich Emissionszertifikate noch vor? Würde eine CO2-Steuer Ihren Markt treffen, sehen Sie im Umweltzertifikate-Geschäft Potenzial?Der CO2-Markt ist eine wichtige Säule in unserem Geschäft, wir sind die Auktionsplattform für die ganze EU (ohne Großbritannien) für die erstmalige Ausgabe von EU-Emissionszertifikaten. Es ist ein wichtiger Mechanismus, wie man Zertifikate in den Markt bringt. Wir organisieren auch den Sekundärmarkt und den Terminhandel für CO2-Zertifikate. Nun deckt das europäische System aber nur rund die Hälfte aller Emissionen ab, und jegliche Ausweitung wäre ein sinnvoller Schritt. Wir sind diejenigen weltweit, die am meisten Erfahrung haben im Organisieren solcher Märkte, und die wollen wir auch weltweit einbringen. Aber eine CO2-Steuer wäre für die EEX eher ungünstig?Wir versuchen, über einen Marktmechanismus, und das ist immer der effizienteste Weg, ein globales Problem zu adressieren, nämlich den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das ultimative Ziel ist, dass es einen globalen CO2-Preis gibt und dass CO2 immer dort verringert wird, wo dies am günstigsten ist. So weit sind wir heute noch nicht. Das europäische Handelssystem ist ein guter Vorreiter, und es gibt weltweit über 20 Initiativen, solche Handelssysteme zu etablieren. Wir engagieren uns dort, wo solche Systeme entstehen, damit diese so gebaut sind, dass sie sich möglichst leicht miteinander verbinden lassen, mit dem Ziel, einen globalen CO2-Preis zu bekommen. Wir engagieren uns nicht nur in Europa, sondern wir sind mit Nodal Exchange auch in den nordamerikanischen Emissionsmarkt eingestiegen, der dort noch regional organisiert ist, aber es gibt auch regionale Initiativen in anderen Ecken der Welt, etwa in China. Die Diskussion ist wichtig. Wie kann man in Europa weitere Sektoren dazu bringen, am Emissionshandel teilzunehmen, um von einer Abdeckung von derzeit rund 50 % auf etwa 100 % zu kommen? Wie lassen sich Verkehr und Wärme mit einem CO2-Preis versehen? Der sinnvollste Weg ist auch hier ein Marktmechanismus, der einer Steuer immer vorzuziehen ist, weil er eine Mengensteuerung erlaubt. Mengengesteuerte Systeme sind besser geeignet, verbunden zu werden, um am kostengünstigsten die Mengen zu senken. Es ist also denkbar, dass an der EEX ein globaler CO2-Preis handelbar sein könnte. Was wären die Voraussetzungen dafür?Diese Märkte sind aufgrund politischer Willenserklärungen entstanden. Leider ist es nicht so, dass schon überall auf der Welt diese politischen Willenserklärungen abgegeben wurden. Ich denke, man kann prognostizieren, dass irgendwann ein globaler Preis für CO2 entsteht. Unklar ist, wann das geschehen wird. Wie sieht Ihre Strategie im Bereich der Grünstromzertifikate aus?Es ist kein Zufall, dass wir jetzt den Marktführer für entsprechende Register in der EEX-Gruppe haben. An diese Register sind alle Unternehmen angeschlossen, die Herkunftsnachweise erzeugen oder diese halten. Das ist ein Wachstumssegment. Im Moment sind wir auf die Register fokussiert, aber ich glaube, dass sich auch dort langfristig ein Handelsmarkt etabliert. Wir werden erstmals ab Ende September in Frankreich eine Auktion für solche Herkunftsnachweise aufsetzen. Diese Sekundärmarkte können auch über unsere Plattform abgewickelt werden. Ein Problem ist die mangelnde Standardisierung. Es ist schwierig, jedes einzelne Zertifikat einzeln handelbar und entsprechend den Bedürfnissen des Marktes zu entwickeln. Wir erarbeiten gerade die gemeinsamen Nenner dieser Produkte. Die EEX hatte schon mal solche Produkte, die aber nicht vom Markt angenommen worden sind, wie norwegische Wasserkraft.Ja, die norwegische Wasserkraft ist der größte außerbörsliche Herkunftszertifikatemarkt, und der größte Abnehmer ist die deutsche Wirtschaft, aber es gibt auch dort ein sehr kleinteiliges Produktangebot. Wir versuchen jetzt einen Weg zu finden, damit ein Börsenhandel möglich wird. Fällt französischer Atomstrom auch unter die Kategorie Grünstrom?Jedenfalls nicht unter den Block erneuerbare Energien. Das Thema Herkunftsnachweis beschränkt sich nicht auf Grünstrom. Es gibt auch Länder, die darüber nachdenken, jeglichen Strom mit Herkunftsnachweisen zu versehen und die Kunden entscheiden zu lassen, welchen Strom sie beziehen. Was verdient die EEX daran?Im Moment gar nichts, weil es noch keinen börslichen Handel gibt. Wir organisieren aber das Register, dafür gibt es Gebühren. Wie sehen die regulatorischen Vorgaben im Over-the-Counter-Markt aus, was wird den Markt dort noch beeinflussen?Das ist ein weites Feld, wir sind im Commodities-Markt weit entfernt von Clearingverpflichtungen wie etwa in großen Teilen des Finanzmarktes. Aber so isoliert sind die Märkte auch nicht. Es gibt ein gesteigertes Risikobewusstsein, auch ausgehend vom G20-Gipfel 2009 in Pittsburgh. Teile der Finanzmarktregulierung treffen auch auf Rohstoffmärkte zu, wie die Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Nicht immer passt aber alles auf die Commodities-Märkte. Es gibt diverse regulatorische Verpflichtungen, die auch auf unsere Teilnehmer zutreffen. Wir helfen ihnen, diese zu erfüllen, etwa indem wir ihre Reporting-Verpflichtungen als zentraler Dienstleister übernehmen. Können Sie ausschließen, dass wie in einem Fall bei der Nasdaq wegen der Pleite eines Clearingmitglieds ein Clearingfonds angezapft werden muss?Einen Fall wie an der Nasdaq können wir ausschließen. Wir haben eine ganz andere Struktur. Sie ist so, wie man sie aus dem Finanzmarkt kennt, mit Clearingbanken, die für einzelne Handelsteilnehmer Garantien aussprechen und das Clearing übernehmen. Einzelne Marktteilnehmer können bei uns nicht Clearingmitglieder werden. Was bei der Nasdaq passiert ist, kann bei uns nicht passieren. Wie sieht es in Ihrem Geschäft mit Blockhain-Lösungen aus, gibt es Überlegungen, diese Technologie einzusetzen, etwa in einem dezentraler werdenden Strommarkt?Ja, das ist genau das Feld, wo solche Lösungen relevant werden können. Wir haben eine Struktur im Strommarkt, in dem wir den Großhandelsmarkt organisieren. Dort treffen sich große Verbraucher und Weiterverteiler direkt. Mit der Veränderung der Erzeugungsstruktur auf dezentrale kleinere Anlagen passieren verschiedene Dinge. Es entstehen regionale Märkte. Auch dort engagieren wir uns, denn es kümmert uns nicht, ob es sich um einen Großhandelsmarkt handelt oder um einen regionalen Markt. Auch dort versuchen wir ein Angebot zu schaffen. Das heißt?Wir sind unter anderem an der Vermarktungsplattform Enermarket beteiligt. Es kommt darauf an, Märkte intelligent miteinander zu verbinden. Wenn es einen Ausgleich innerhalb eines regionalen Marktes gibt, werden wir ihn herstellen, und wenn es Spitzen gibt, die nicht ausgeglichen werden können, werden wir sie im Wholesale-Markt ausgleichen lassen. Das Ganze geht aber auch noch eine Ebene tiefer, wie die Nachbarschaftshilfe in der Straße im Rahmen von Micro-Grids. Wir beteiligen uns an einem Blockchain-Pilotprojekt mit Partnern wie Siemens und Centrica sowie LO3 Energy auf diesem Micro-Grid-Level. Ist dies auch für den deutschen Markt interessant, der ja von Kapazitätsengpässen gekennzeichnet?Auf jeden Fall, das versuchen wir gerade aufzubauen. Letztlich lassen sich Netzengpässe damit aber nicht beseitigen. Sie können gemildert werden, wenn man versucht, regional Angebot und Nachfrage besser zusammenzubringen. Aber ohne einen starken Netzausbau – nicht nur in Deutschland – kann die Energiewende nicht gelingen. Die EU hat Rahmenbedingungen für den Strommarkt neu gesetzt. Wie sehen Sie den europäischen Markt? Was treibt Sie da um?Das Clean Energy Package der Kommission ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, weil es nicht in Richtung verstärkte Subventionen oder Kapazitätsmärkte geht, sondern auf Marktmechanismen setzt und die Bedeutung des Preissignals und damit die Lenkungswirkung von Preisen stärkt. Die Märkte in Europa wachsen immer mehr zusammen, dazu tragen auch die Investitionen in Übertragungskapazitäten an den Grenzen bei. Man spart sehr viel Geld, wenn man nicht lokale Optima erzeugt, sondern solche, die das ganze System berücksichtigen. Da sind wir sehr zufrieden, das ist eine gute Grundlage, damit sich der europäische Markt weiter entwickeln kann. Das Interview führten Christopher Kalbhenn und Dietegen Müller.