"Wir sind für viele ein Pilot"

HCOB-Chef sieht Restrukturierung der Ex-Landesbank als mögliches Modell und wirbt für Konsolidierung

"Wir sind für viele ein Pilot"

Dem deutschen Bankensektor stellt HCOB-Chef Stefan Ermisch kein gutes Zeugnis aus. Niedrigzins, Abschwung und auch strukturelle Beharrungskräfte hielten die Finanzindustrie im Griff. Abhilfe müsse Konsolidierung schaffen. Im eigenen Haus hält er weitere Stellenstreichungen für möglich. fir Frankfurt – Starke Kapitalisierung, niedrige Kosten durch schlanke Aufstellung und hohe Kreditstandards: Für den Vorstandschef der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Stefan Ermisch, sind das die Zutaten, um die einstige Landesbank zukunftsfähig zu machen – und für andere Pate zu stehen. “Wir sind für viele ein kleiner Pilot”, sagte er im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). Ein, wie er betonte, kleiner Vorreiter in der deutschen Bankenlandschaft, deren durch die drei Säulen definierte Grundzüge er Ende November durcheinanderbrachte. “Ich weiß, dass wir sehr stark beobachtet werden”, erklärte Ermisch. Die Überführung der einst zur Sparkassenwelt gehörenden HSH Nordbank in die private Geschäftsbank HCOB hätten viele nicht für möglich gehalten und würden sich seitdem genauer ansehen, was die Hamburger tun.Ermisch warb für Zusammenschlüsse im Finanzsektor, um Größeneffekte auszunutzen und “übermäßige Kosten” herauszunehmen. “Meine Sicht ist, dass wir Konsolidierung brauchen.” Was im europäischen Ausland längst gang und gäbe sei, seien doch beispielsweise Unicredit und BNP Paribas aus Fusionen hervorgegangen, gebe es nur hierzulande nicht. “Wollen wir es nicht?”, fragte Ermisch. Wer das bejahe, gebe sich damit zufrieden, wenn die größten deutschen Banken über eine Marktkapitalisierung verfügten, die international irrelevant sei.Vor allem innerhalb der drei Säulen des Finanzsystems gebe es dafür erheblichen Bedarf. Der genossenschaftliche Sektor habe hier bereits gut vorgelegt. Die genossenschaftliche Finanzgruppe verfügt über ein Zentralinstitut, die DZ Bank, die Bausparkasse Schwäbisch Hall und den Versicherer R+V. Anders bei den Sparkassen, die hier über jeweils mehrere Institute verfügen. Deshalb hält Ermisch, einst Chef der HSH Nordbank und Finanzvorstand der BayernLB, die Vorschläge des DSGV-Präsidenten Helmut Schleweis für “sehr sinnvoll”. Der wirbt immer wieder für Konsolidierung im Landesbankensektor und die Schaffung einer Sparkassen-Zentralbank. Jeder Beginn sei sinnvoll, so Ermisch, um etwas ins Rollen zu bringen.Das Zinsumfeld, das die im hiesigen Bankgeschäft dominierenden Zinsüberschüsse weiter erodieren lässt, wird seiner Einschätzung nach mindestens für fünf Jahre Bestand haben. Das könnte eine Steigerung der Provisionen nicht auffangen. Als einzig wirksame Stellschraube unter diesen Bedingungen verblieben die Kosten. Die in der Hand von Finanzinvestoren wie Cerberus und J.C. Flowers befindliche HCOB wolle sich jedenfalls “so schlank wie möglich aufstellen”, bekräftigte der CEO. “Wir nehmen jeden Euro raus, den wir rausnehmen können.” Mehr Stellenabbau möglichKonsolidierung bedeute auch, Arbeitsplätze abzubauen. Im eigenen Hause werde permanent an den Kennzahlen gefeilt, was auch weiteren Stellenabbau über das bereits beschlossene Maß hinaus ins Reich des Möglichen rücke, machte Ermisch deutlich. Von 1 700 Mitarbeitern zum Jahreswechsel sollen der bisherigen Planung zufolge 2022 nur noch rund 950 übrig sein. Die beruhe aber auf der Erwartung, dass die Konjunktur weiterhin wächst, und das ist seiner Ansicht nach, zumindest sektoral betrachtet, nicht mehr der Fall.”Ich mache mir Sorgen um die deutsche Konjunktur”, sagte Ermisch. Sehe es im Privatkonsum und im Bausektor noch gut aus, so befinde sich die Industrie längst im Abschwung. Das Gewerbeimmobiliengeschäft werde wegen der gesamtwirtschaftlich trüben Aussichten zurückgefahren, die Kreditstandards angezogen, kündigte er nun an. Skeptisch zeigt er sich für die nächsten 18 Monate. Diese Dürrephase werde das Institut aber dank Kostensenkungen und Kapitalaufbau durchstehen. Mit der schlanken Aufstellung sei man dann für alle Eventualitäten gewappnet. “Ich will in einer komfortablen Situation sein für etwaige Opportunitäten.” Trotz aller Schwierigkeiten gibt Ermisch den Bankenmarkt “nicht verloren”. Ein neuer Aufbruch könnte kommen, möglicherweise durch Impulse der neuen EU-Kommissionschefin und der EZB-Präsidentin, Ursula von der Leyen und Christine Lagarde, was die “Agonie des deutschen Bankenmarktes” aufbrechen könnte.