„Wir sind traditionell etwas vorsichtig“
“Wir sind traditionell etwas vorsichtig”
Der Allianz-Finanzvorstand über die Prognose 2023, die voraussichtliche Performance der Sparten und die Dividende
Herr Terzariol, warum formuliert die Allianz ihre Jahresprognose nun nicht etwas optimistischer?
Wir sind traditionell immer etwas vorsichtig. Dies ist aus meiner Sicht eine Stärke der Allianz. Eine offizielle Revision der Prognose im Halbjahr gibt es nur im Ausnahmefall. In der Regel warten wir bis zum Abschluss des dritten Quartals.
Wenn die Allianz weiter so liefert wie im ersten Halbjahr, erreicht sie aber klar das obere Ende der prognostizierten Bandbreite.
Das operative Ergebnis liegt nach sechs Monaten schon bei 7,5 Mrd. Euro. Sicherlich ist es daher aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass wir im Jahr 2023 nicht in der oberen Hälfte der prognostizierten 13,2 bis 15,2 Mrd. Euro landen.
Wie sieht es in den einzelnen Sparten aus?
In der Schaden- und Unfallversicherung erwarten wir in der zweiten Jahreshälfte ein mehr oder weniger unverändertes Ergebnis im Vergleich zu den ersten sechs Monaten. Ob dies dann gelingt, ist allerdings auch von der Schadenbelastung aus Naturkatastrophen abhängig. Die Lebensversicherung müsste stabil sein. Da das Assetmanagement die erfolgsabhängigen Gebühren am Jahresende erhält, sollte diese Sparte ihr Halbjahresergebnis von 1,4 Mrd. Euro mindestens wiederholen.
Sind Sie mit der Kapitalbindung in den einzelnen Sparten zufrieden?
Wir haben im zweiten Quartal Solvency-II-Kapitalanforderungen in der Höhe von 0,3 Mrd. Euro generiert. Diese kommen komplett aus der Schaden- und Unfallversicherung. Dies bedeutet im Umkehrschluss: In der Lebensversicherung mussten wir kein zusätzliches Kapital vorhalten. In diesen Gesellschaften gibt es hier oder dort ein paar Back Books mit Altbeständen, wo die Allianz aktiv werden könnte. Aber dies ist kein kritischer Faktor.
Die Neuordnung in Afrika und der Exit im Libanon zeigen dort kumulierte Verluste in erheblicher Höhe. Sind weitere derartige M&A-Schritte in verlustbringenden Regionen zu erwarten?
Tatsächlich waren es im Libanon rund 150 Mill. Euro. Es kann sein, dass wir im Jahr 2024 wieder aktiv werden. Aber es ginge dann um kleinere Beiträge.
Wie beurteilen Sie die Zahlen der Sachsparte?
Die Performance der Schaden- und Unfallversicherung ist insgesamt sehr gut. Wir wachsen stärker als in der Vergangenheit, dies führt übrigens auch zu höheren Finanzerträgen. Die Combined Ratio ist ebenfalls wirklich gut. Beispielsweise liegen wir nach sechs Monaten im Gewerbekundengeschäft bei 88,5%. Wenn man die niedrige Belastung aus Naturkatastrophen normalisiert, ständen wir bei sehr guten 90%. Im Retailgeschäft sind die erreichten 94,1% solide angesichts des Inflationsdrucks.
In Deutschland beträgt die gesamte Combined Ratio sogar nur knapp 89%.
Dort haben wir 2022 das Gewerbekundengeschäft saniert, nun sehen wir die Erfolge. Die neue Rechnungslegung führt zudem dazu, dass erhöhte Zinsen sofort positiv ausgewiesen werden. Das Finanzergebnis wird also vorweggenommen.
In den USA weisen Sie in der Lebensversicherung ein hohes Einmalbeitragsvolumen aus. Wie kommt es dazu?
Der Vertrieb dort arbeitet sehr gut, außerdem ist die Produktentwicklung exzellent auch im internen Vergleich. Zugleich hat sich die Stornoquote in den USA mit den steigenden Zinsen erhöht, daher gibt es mehr Bewegung im Neugeschäft. Grundsätzlich gibt es in den USA mehr Volatilität von Quartal zu Quartal als in anderen Regionen.
Das operative Ergebnis in der Lebensversicherung wird ja stark durch Hedging-Effekte verzerrt.
Das ist richtig. Im vorherigen Jahr haben wir das Hedging so gestaltet, dass es für die damalige Rechnungslegung optimiert war. Der neue Standard IFRS 17 bewertet nun das Hedging 2022 rückwirkend anders, aber natürlich können wir die dort abgeschlossenen Geschäfte nicht ändern. Dies ist also ein reiner Rechnungslegungseffekt. Das Hedging für das Jahr 2023 haben wir natürlich an IFRS 17 angepasst.
Wann wird sich der Nettomittelzufluss im Assetmanagement wieder deutlich erhöhen?
Bei Pimco sehen wir bereits eine gewisse Dynamik. März und April brachten keine relevanten Zuflüsse. Im Mai haben wir dann gut 1 Mrd. Euro gesehen, im Juni waren es mehr als 2 Mrd. Euro und im Juli 6 Mrd. Euro. Die Indikationen weisen darauf hin, dass die Dynamik zunimmt. Wir könnten also eine Trendwende erreicht haben, schließlich sollten die Zinsen nicht mehr stark steigen und die Investoren dann in Anleihen investieren.
Der bereinigte Jahresüberschuss steigt bisher stark überproportional. Könnte die Dividende ebenfalls deutlich zulegen?
Natürlich kann man die Erhöhung der Dividende immer etwas aufrunden. Aber unsere Dividendenpolitik steht: Die Ausschüttung je Aktie soll jährlich um mindestens 5% steigen.
Im Interview: Giulio Terzariol
Die Präsentation der Allianz-Quartale ist die Domäne von Finanzvorstand Giulio Terzariol. Vorstandschef Oliver Bäte wählt sich meist in die Calls ein, beschränkt sich aber fast immer aufs Zuhören. Kein Wunder, schließlich hat Terzariol seine Themen exzeptionell im Griff, wie auch das Interview zeigt.
Das Interview führte Michael Flämig.