IM GESPRÄCH: MARCO BIZZOZERO, UNICREDIT

"Wir werden als lokale Bank wahrgenommen"

Der Leiter des Group Wealth Managements über Kundennähe durch das Netzwerk an Firmen- und Privatkundenbetreuern und über Social Impact Banking

"Wir werden als lokale Bank wahrgenommen"

Im Wealth Management hat Unicredit “große Ambitionen”, wie der CEO des Bereichs, Marco Bizzozero, sagt. Profitieren sollen die Kunden vom breiten Netzwerk an Firmen- und Privatkundenbetreuern, von einer umfassenden Beratung sowie einer Auswahl an Produkten, die über finanzielle Aspekte hinausgehen, wie das Social Impact Banking. Von Karin Böhmert, FrankfurtFür viele Banken rückt das Wealth Management immer stärker in den Fokus. Auch Unicredit mit ihrer deutschen Tochter HypoVereinsbank forciert diesen Geschäftsbereich. “Wir haben große Ambitionen. Unser Ziel ist es, europaweit zu den Top 5 im Wealth Management nach verwalteten Vermögen zu gehören”, sagt Marco Bizzozero, CEO des Group Wealth Managements der Unicredit, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Fragmentierter MarktFür den Schweizer Bizzozero gibt es mehrere Gründe, warum die italienische Großbank im Geschäft mit Vermögenden weiter zulegen will. “Es ist ein interessanter Markt, der nicht nur in Asien, sondern auch in Europa wächst”, sagt Bizzozero. Zudem sei der Wealth-Management-Markt in Europa noch fragmentiert. “Die Unicredit kann ihr internationales Netzwerk und die bereichsübergreifenden Synergieeffekte als paneuropäische Geschäftsbank in diesem stark fragmentierten Markt noch stärker als bisher nutzen.”So sei die Gruppe in ihren drei wichtigsten europäischen Kernmärkten Italien, Deutschland und Österreich, aber auch in Mittel- und Osteuropa bereits stark vertreten im Privat- und Firmenkundengeschäft. “Auf diesen beiden Hauptquellen für das Wachstum betreuter Vermögen in Wealth Management und Private Banking wollen wir aufbauen”, unterstreicht Bizzozero.Unicredit starte dabei von einer guten Ausgangslage. Insgesamt betreue die Gruppe 26 Millionen Kunden, darunter befänden sich viele vermögende Personen. In den drei Kernmärkten – Italien, Deutschland, Österreich – verfüge die Gruppe im Wealth Management und Private Banking über mehr als 1 000 Kundenbetreuer an über 200 Standorten, die rund 170 Mrd. Euro verwaltetes Vermögen betreuen. In Deutschland zählt sich Unicredit mit ihrer Tochter HypoVereinsbank mit 230 Kundenberatern an fast 60 Standorten mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 45 Mrd. Euro zu den Marktführern. Lange Tradition”Dank des engen, lokalen Netzwerks an Firmen- und Privatkundenberatern sind wir sehr nah am Kunden. Zudem werden wir durch unsere jahrzehnte- und teils jahrhundertelange Präsenz in unseren Kernmärkten als lokale Bank wahrgenommen. Mit der HypoVereinsbank verfügen wir etwa über eine 150-jährige Tradition im deutschen Markt.” Dies gelte auch für Österreich, wo Unicredit mit Bank Austria und Schoellerbank seit 1833 vertreten ist. Zudem seien Kunden oft schon seit mehreren Generationen bei der Bank. “Das und die lokale Präsenz schaffen Vertrauen für unser Wealth-Management- und Private-Banking-Geschäft.”Im Fokus stehe schließlich die Vermögensübertragung auf die nächste Generation. Bizzozero schätzt, dass ein Drittel des europäischen Gesamtvermögens demnächst übertragen wird. Da die Vermögen eines Einzelnen oftmals an mehrere Erben gingen, ändere sich schätzungsweise bei zwei Dritteln der übertragenen Vermögen der zuständige Berater und damit häufig auch die Bank. Hier will Unicredit mit der lokalen Expertise in ihren Kernmärkten punkten. Mehr MitarbeiterDabei will die Großbank mehr Mitarbeiter für das Wealth Management gewinnen. Statt etwa komplette externe Teams abzuwerben – “der Effekt, dass diese Kunden und Anlagegelder mitbringen, wird überschätzt”, betont Bizzozero -, setzt die Bank neben selektiven Neueinstellungen auf bestehende Mitarbeiter aus dem Firmenkundengeschäft oder dem Investment Banking. “Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht”, sagt er, denn diese Mitarbeiter verfügten bereits über viele Kundenkontakte.Grundlage sei eine holistische, also ganzheitliche Beratung entlang der Lebensplanung des Kunden. “Das ist weit mehr, als finanzielle Investments fürs Portfolio auszuwählen”, unterstreicht Bizzozero. Dabei gebe es grundsätzliche zwei Ansätze, entweder das Vermögensverwaltungs- oder das Beratungsmandat gegen Honorar. “Wir sehen eine steigende Bereitschaft, für Beratung zu bezahlen”, sagt der Leiter des gruppenweiten Wealth Managements, denn primäres Ziel Vermögender sei es, das Vermögen möglichst risikoarm langfristig zu sichern. Erst danach gehe es darum, das Vermögen zu mehren.”Fixed Income spielt eine immer geringere Rolle”, betont Bizzozero angesichts der Niedrigzinsphase mit negativen Realzinsen, die folglich den inflationsbedingten Wertverlust des liquiden Vermögens nicht ausgleichen können. “Der Investmenthorizont muss verlängert werden. Die Cash- und Aktienseite sollte deshalb diversifiziert werden in Private-Markets-Investitionen wie etwa Private Equity und Private Debt. Langfristig kann man hier noch vernünftige Renditen erzielen”, sagt er. Gerade sehr Vermögende, im Jargon der Zunft als “Ultra High Networth Individuals” (UHNWI) bezeichnet, hätten ein starkes Interesse an Club Deals, also gemeinsamen Direktinvestments in Unternehmen, sei es als Eigen- oder als Fremdkapitalgeber. “Hier schließt sich der Kreis, denn wir kennen den Finanzierungs- und Kapitalbedarf auf der Firmenkundenseite und können so Private-Markets-Investments arrangieren.” Langfristige InvestmentsDarüber hinaus hat Unicredit in Italien im Mai die auf langfristige Investments ausgerichtete Initiative “Patient Capital” gestartet, also geduldiges Kapital. Gemeinsam mit namhaften Investmentmanagern erwirbt Unicredit dabei Minderheitsanteile an besonders erfolgreichen Mittelständlern, um diese langfristig zu halten und diese Unternehmen bei ihrem Wachstum zu unterstützen. In Italien fokussiert Unicredit im Rahmen von Patient Capital auf die besten 4 500 Unternehmen aus dem Segment kleiner und mittlerer Unternehmen, wie es bei der Vorstellung der Initiative hieß. Der Pool für Langfrist-Kapital soll in Italien ein Volumen von bis zu 2 Mrd. Euro erreichen. Die Initiative soll nach und nach auch in anderen Ländern, darunter Deutschland, umgesetzt werden.Für vermögende Kunden im Rahmen des Wealth Managements könne Patient Capital interessant sein. “Im Wealth Management werden wir künftig prüfen, ob ein bestimmtes Investment etwa strategisch besonders gut zu einem unserer Kunden passt und ob wir es ihm anbieten. Das wird frühzeitig geschehen, so dass der Kunde Gelegenheit hat, sich die Firma gründlich anzuschauen. Dann wird er die Möglichkeit haben, gemeinsam mit uns zu investieren.”Ein zunehmend wichtiges Thema für Kunden, insbesondere in der jüngeren Generation, sei die nachhaltige Kapitalanlage, die Aspekte zu Umwelt, Sozialem und der Unternehmensführung berücksichtige. “Mit Blick auf die Ausrichtung der Vermögensanlage gibt es regelmäßig Diskussionen zwischen den Generationen”, sagt er. ” Bei einem Thema sind sich Eltern und Kinder aber einig. Sie wollen nicht mehr allein finanzielle Ziele verfolgen, sondern gleichzeitig etwas bewegen. Insbesondere für die jüngere Generation bedeutet Vermögen nicht nur finanzielle, sondern gleichzeitig auch soziale Verantwortung.”Auch deshalb hat Unicredit das “Social Impact Banking” im Dezember 2017 in Italien sowie im Februar dieses Jahres in Deutschland gestartet. Social Impact Banking zielt darauf ab, Unternehmen und Organisationen, die eine messbare positive gesellschaftliche Wirkung haben, zu unterstützen, zu finanzieren sowie das Finanzwissen in der Bevölkerung zu stärken. Bislang hat die Initiative allein in Italien 2 103 Mikrokredite in Höhe von insgesamt 41,5 Mill. Euro und 38 “Impact Financing”-Kredite in Höhe von 42 Mill. Euro (Stand Ende Juni 2019) bereitgestellt, wie Bizzozero ausführt. Darüber hinaus wurde die erste “Social-Impact-Mini-Anleihe” in Italien lanciert, die von einer Sozialgenossenschaft über 5 Mill. Euro ausgegeben wurde. Gutes tun, Zinsen einsparenUnicredit wählt bei den Mikrokrediten Ansätze, die sich am Erfolg des jeweils finanzierten Projekts orientieren. Gelingt es beispielsweise im Rahmen eines Projekts, nach einem Training für sozial oder gesundheitlich benachteiligte Menschen anschließend einen Job oder eine Berufsausbildung zu vermitteln, dann erstattet Unicredit einen Teil der Zinskosten. In einem anderen Beispiel wird Unicredit spenden, wenn zuvor festgelegte Ziele eines sozialen Projekts erfolgreich sind. Auch mit einem schrittweisen Verkauf von Kunstwerken aus den lokalen Kunstsammlungen der Gruppe will die Bank das Social Impact Banking unterstützen. Die Initiative soll schrittweise auf weitere Märkte der Gruppe wie Österreich, Serbien, Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Türkei, Tschechien, Slowakei sowie Bosnien und Herzegowina erweitert werden.Auch Kunden können sich im Social Impact Banking einbringen. “Durch die Zusammenarbeit mit Social Impact Banking möchten wir unseren Kunden künftig einen noch breiteren Zugang zu Investitionsmöglichkeiten mit einem sozialen Nutzen bieten. Indem wir passende Investitionsmöglichkeiten vorschlagen, stärken wir auch die Beziehung zu unseren Kunden. Denn Impact Investing ist einer der wichtigsten Trends im Wealth Management”, betont Bizzozero. Für ihn ist schließlich “Wealth Management more than managing wealth”.