Klaus-Peter Röhler, Allianz

„Wir wollen eine Vorreiterrolle übernehmen“

Der Allianz-Vorstand und Deutschland-Chef über Orientierung am Kunden und das Ende der Managementholding im Heimatmarkt

„Wir wollen eine Vorreiterrolle übernehmen“

Michael Flämig.

Herr Dr. Röhler, warum baut die Allianz ihre Deutschland-Gesellschaften um?

Wir streben eine Industrialisierung unserer Gesellschaften an, die zu besten Produkten für den Kunden führt. Dies soll verbunden sein mit den Kostenvorteilen der Skalierung, die eine Internationalisierung bringt. Das ist in unserer Branche noch nicht so oft versucht worden.

Was tun sie konkret?

Mit der veränderten Holding-Struktur richten wir uns komplett am Kunden aus. Er will Schnelligkeit, Einfachheit und beste Produkte. Wir wollen eine Vorreiterrolle in unserer Branche übernehmen und die Nummer 1 für die Kunden werden. Dafür brauchen wir drei Dinge: starke Spartengesellschaften mit besten Produkten, eine Gesellschaft für den einheitlichen Marktauftritt und effektive Zentralfunktionen.

Allianz-CEO Oliver Bäte hat flachere Strukturen schon vor gut einem Jahr avisiert. Warum hat es so lange gedauert?

Die Komplexität eines solchen Schrittes ist natürlich hoch. Er betrifft viele Mitarbeiter. Dies muss besprochen werden in einer Zeit, in der wir uns mit den Arbeitnehmervertretern physisch nicht so gut treffen können. Für mich war der wichtigste Punkt: Wir haben die deutschen Produktgeber in der Zwischenzeit noch stärker in eine Position gebracht, um eine führende Rolle einnehmen zu können.

Wie sieht diese Rolle künftig aus?

Unser Lebens-, Sach- und Krankenversicherung soll international ein Taktgeber für Produktentwicklungen sein. Ein Erfolgsfaktor für die Internationalisierung der deutschen Gesellschaften ist, dass sie ihren Vorsprung auf den Heimatmärkten ausgebaut haben. Es ist ganz klar: Nur wer im eigenen Markt Produkte zu Top-Preisen anbieten kann mit kurzen Entstehungszeiten, der kann eine führende Rolle einnehmen als Lead-Gesellschaft der Allianz bei der Internationalisierung.

Was ist eine Lead-Gesellschaft?

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus der Automobilindustrie. Wenn dort entschieden wird, wo ein neues Modell gebaut wird, gibt es einen intensiven Wettbewerb der Standorte um dieses Projekt – schließlich sichert es die Beschäftigung. Genau so ist dies bei uns. Wenn wir Lead-Gesellschaft für ein Produkt sind, bauen wir es auch mit und für ausländische Märkte. Durch die Best Practices erhalten wir Kundenzufriedenheit. Genauso wichtig sind aber die Kostenvorteile, die dadurch entstehen.

Wie senken Sie die Kosten konkret?

Früher haben wir in die Entwicklung eines Produkts 20 Mill. Euro investiert. Wenn wir dieses Produkt mit vier Gesellschaften gemeinsam machen, dann vierteln sich die Kosten. Einen Großteil dieser Differenz können wir in den Service reinvestieren, in Deckungserweiterungen oder in niedrigere Preise, ohne dass wir an die Arbeitsplätze gehen. Das ist der Punkt, auf den wir hingearbeitet haben. Darum haben wir in den vergangenen zwei Jahren so viel in die Produktgeber investiert.

Kann man diese Gesellschaften perspektivisch auch über Landesgrenzen zusammenschließen?

Wir stellen jetzt erst einmal unter Beweis, welche Wertschöpfung in der Stärkung der Produktgeber steckt, indem sie sich länderübergreifend vernetzen. Darüber hinaus würde ich jetzt nicht gehen.

Ist der Umbau das Ende der Holding in Deutschland?

Wir lösen die Holding nicht auf. Die Allianz Deutschland AG erhält aber eine andere Aufgabe und Ausrichtung. Sie wird von einer Managementholding zu einer Finanzholding. Damit wird sie verkleinert. Dies ist so, aber ihre Werthaltigkeit wird nicht verändert. Die Mitarbeiter gehen in die Spartengesellschaften, in die Technologieeinheit oder in die Allianz SE. In der Finanzholding werden also keine Mitarbeiter mehr sein.

Warum benötigt die Allianz in Deutschland weiterhin eine Finanzholding?

Die Einheit übernimmt als Finanzholding eine Kapitalmanagementaufgabe.

Wird es noch einen Vorstand geben?

Das werden wir sehr schlank organisieren.

Ist das Sparvolumen wirklich so hoch, wenn es keine Managementholding mehr gibt?

Ganz wichtig für uns ist: Wir planen keinen Personalabbau mit der Neuaufstellung in Deutschland. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen wachsen. In der neuen Aufstellung behalten alle Mitarbeiter eine Heimat in der Allianz. Vertragsinhalte bleiben unverändert. Auch die bisherigen Tätigkeitsorte sind weiterhin gültig.

Auf welche andere Allianz-Gesellschaften werden die Beschäftigten übergehen?

Das ist im Moment Gegenstand der Verhandlungen. Eine Faustformel ist: Fast 90% der Mitarbeiter wechseln entweder in die Spartengesellschaften oder unsere Technologie-Gesellschaft.

Und die übrigen 10%?

Das obliegt den Verhandlungen. Ich bin sehr froh, dass wir nun trotz der erst begonnenen Gespräche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit über unser Vorhaben schaffen können.

Welche Reaktionen der Arbeitnehmervertretungen deuten sich an?

Wir haben alle ein Ziel: Wir wollen die Allianz zukunftsfähig machen. Dafür arbeiten wir Hand in Hand. Ich kann sagen: Dies ist konstruktiv.

Verlässt Fabio De Ferrari den Holding-Vorstand, weil er mit dem Umbau nicht einverstanden ist?

Herr De Ferrari widmet sich künftig Aufgaben außerhalb des Konzerns. Ich kann nur sagen: Er hat uns sehr unterstützt bei der Integration von Operations in die Sparten, so dass wir dies erfolgreich gestalten konnten. Insofern hatten wir ihn immer an unserer Seite. Für ihn geht es um eine neue Lebensplanung.

Wie hoch ist das Einsparvolumen?

Natürlich haben wir auch einen Business Case. Wir würden dies nicht machen, wenn es nicht wirtschaftlich vorteilhaft wäre. Zum jetzigen Zeitpunkt, am Beginn der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern, können wir noch nicht konkreter werden.

Ist die neue Markteinheit eine Holding light?

Diese Markteinheit wird zwar eine eigenständige Gesellschaft. Sie hängt aber künftig unter der Allianz SE. Ich werde diese Marktsicht in meinem Ressort verantworten.

Welche Aufgaben hat diese Markteinheit?

Sie übernimmt unter anderem die Aufgaben des bisherigen Marktmanagements und des Marktausschusses und steuert übergreifend Portale und Systeme. Sie kümmert sich aber nicht nur wie bisher um die Gesellschaften der Allianz Deutschland, sondern um alle Allianz-Gesellschaften im deutschen Markt. Außerdem wollen wir bestimmte Synergien in Angriff nehmen. Dies sind zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Kunden- und Vertriebsplattformen, gemeinsame Kampagnen und Produktentwicklungen. Die Sachversicherung etwa hat schon mit Euler Hermes zusammengearbeitet. Das Duo kann so enorm viel für den Mittelstand tun. Da haben wir weiße Flecken bisher.

Ist die Markteinheit ein Nukleus für einen künftig international einheitlicheren Auftritt?

Wir stellen nun erst einmal unter Beweis, was sie auf dem deutschen Markt für einen Mehrwert schafft. Dann muss man die Frage nochmals später stellen.

Besteht die Gefahr, dass die Allianz-Gesellschaften in Deutschland trotzdem auseinanderstreben?

Es gibt noch weitere Abstimmungsmechanismen, etwa im Bereich Personal. So wollen wir einheitliche Arbeitsbedingungen gewährleisten. Auch die COOs der einzelnen Spartengesellschaften werden sich abstimmen. Darüber hinaus kümmert sich unsere Technologie-Gesellschaft darum, dass die IT mit der gleichen Architektur gebaut wird. Wir achten sehr auf den Gleichlauf.

Wird die Allianz auch den Vertrieb umbauen?

Dies war immer eine Mutmaßung: Genau dies passiert nicht. Die Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG hat sich bewährt, sie ist ein wichtiger Wachstumsmotor mit ihren Vertretern und dem Bankenvertrieb.

Wann wird der Umbau abgeschlossen sein?

Einzelne Querschnittsfunktionen der heutigen Managementholding wie Finanzen, die den Jahresabschluss machen, werden noch im ersten Quartal des kommenden Jahres aktiv sein. In den Grundzügen wollen wir aber mit der neuen Struktur schon Anfang 2022 starten.

Das Interview führte

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