IM INTERVIEW: MASSIMO GRECO, J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT

"Wir ziehen es vor, organisch zu wachsen"

Der Head of European Funds des Vermögensverwalters über Branchenkonsolidierung, Brexit und den Boom der passiven Investments

"Wir ziehen es vor, organisch zu wachsen"

– Herr Greco, was bedeutet der Brexit für J.P. Morgan Asset Management?Nach allem, was wir wissen, nicht viel. Wir haben bereits eine wesentliche Präsenz auf dem Kontinent. Wir arbeiten hauptsächlich durch unsere Verwaltungsgesellschaft in Luxemburg, die rund 150 Mitarbeiter hat. Tatsächlich ist sie gemessen am verwalteten Vermögen die größte dort. Wir gehen zudem davon aus, dass wir weiter in Europa grenzüberschreitende Geschäfte tätigen können. Wir sind vor Ort in den einzelnen Ländern sehr stark präsent. Wir verlassen uns nicht auf Leute, die aus London eingeflogen werden müssen, sondern haben beispielsweise in Frankfurt im Assetmanagement ein Team von über 50 Personen.- Was könnte passieren?Es könnte kleinere Probleme geben. Wir haben zwar auch britische Vehikel, aber greifen in Großbritannien auch ein wenig auf Luxemburger Sicavs zurück. Schlimmstenfalls müssen wir fünf oder sechs Fonds aus der einen in die andere Rechtsform replizieren. Das ist aber Business as usual.- Es wurde ja spekuliert, dass in der EU vertriebene Fonds künftig nicht mehr aus London gemanagt werden dürfen.Wir glauben nicht, dass es so kommen wird. Wir haben ja auch brasilianische, japanische oder US-amerikanische Aktienfonds, die von Brasilien, Japan oder in den Vereinigten Staaten aus gemanagt werden. Da sollte sich nichts ändern.- Sie verbringen vermutlich sehr viel Zeit damit, die möglichen Folgen abzuschätzen.Gar nicht mal so viel, weil wir auch noch nicht wissen, wie der Brexit konkret aussehen wird. Artikel 50 ist noch nicht in Anspruch genommen worden. Die offiziellen Austrittsverhandlungen haben noch nicht begonnen. Das sind sehr technische Angelegenheiten.- Wer beschäftigt sich bei Ihnen damit?Wir haben eine Brexit-Arbeitsgruppe, die sich aber im Moment mehr oder weniger im Standby-Modus befindet. Wenn wir mehr Klarheit darüber haben, wohin die Reise geht, wird sie sich exklusiv mit dem Thema beschäftigen. Wir erwarten aber keine wesentlichen Veränderungen, was unsere Art, wie wir unser Geschäft verstehen, betrifft.- Erwarten Sie regulatorische Veränderungen? Es war unter anderem von Stresstests die Rede.Manchen Aufsichtsbehörden fällt es immer noch ein bisschen schwer, den Unterschied zwischen einer Bank und einem Vermögensverwalter zu verstehen. Das Geld in unseren Fonds gehört unseren Kunden. Es ist nicht so, dass wir es uns von jemandem borgen, um es dann wieder zu verleihen. Wir verwalten nur Portfolios. Wir nutzen dafür nicht unsere Bilanz. Wir sind keine Bank. Die Bezeichnung “Schattenbank” gehört zu den schlimmsten Begriffen, die erfunden wurden.- Ist J.P.Morgan Asset Management etwa keine Schattenbank?Wir sind ganz klar keine Schattenbank. Hier gibt es so viel Licht. Vermögensverwaltung ist das transparenteste Geschäft im ganzen Kosmos der Finanzindustrie. Wir sind superreguliert, supertransparent. Da gibt es keinen Schatten – und wir sind auch keine Bank. Wir fürchten aber, dass es Missverständnisse gibt, was das Thema systemische Risiken durch Assetmanager angeht. Wir nehmen das Thema Liquiditätsmanagement in unseren Fonds sehr ernst. Wir haben einen sehr robusten und weit entwickelten Rahmen für das Risikomanagement, den wir dazu einsetzen, die Liquiditätsrisiken in unseren Fonds zu überwachen. Unser Senior Management wird darüber täglich auf dem Laufenden gehalten. Wir nehmen das sehr ernst.- Mein Eindruck ist, dass sich die Aufsicht hier nach neuen Aufgabengebieten umsieht. Nach den Banken rücken nun die Vermögensverwalter in den Fokus.Wir sind bereits sehr transparent. Da ist es einfacher, irgendetwas zu finden, woran man sich stoßen könnte. Aber wir sind froh darüber, dass es die Regulierung gibt. Wir machen jeden Test mit, beantworten alle Fragen.- Sie haben keinen offenen Immobilienfonds nach britischem Recht. Aber die Schließung so vieler britischer Fonds dieser Art liefert der Aufsicht natürlich Munition.So etwas hätten wir nie angeboten. Bei der Konstruktion dieser Anlagevehikel, die es in dieser Form nur in Großbritannien gibt, sind Unfälle programmiert.- Wie sehen Sie das in Bezug auf bestimmte Anleihenfonds? In manchen Segmenten des Bondmarkts gibt es auch nicht viel Liquidität.Ich bin dazu verpflichtet, für meine eigenen Fonds Risikomanagement zu betreiben. Das tue ich auf Grundlage dessen, was ich über den Markt weiß, und mit Hilfe von gewissen Stressszenarien. Das kann ich für meine Fonds machen. Ich habe aber keinen Einfluss auf die Fonds anderer Gesellschaften. Wenn jemand etwas Dummes gemacht hat, entzieht sich das unserer Kontrolle. So begrüßen wir es, wenn sich die Regulierer die Liquidität innerhalb von Fonds ansehen. Denn wenn sich alle vernünftig verhalten, lässt sich das Risiko eines systemischen Ereignisses sehr stark reduzieren.- Wer ist schon unvernünftig?Ich will nicht behaupten, dass wir die einzigen sind, die das ernst nehmen. Aber wenn es alle genauso ernst nehmen würden, dann wäre es viel weniger ein Problem. Andererseits ist offensichtlich, dass die Regulierung der Banken das Marketmaking weniger effizient gemacht hat. Der Appetit der Banken, Positionen einzugehen, hat dadurch nachgelassen. Es gibt eine Menge von Akteuren, insbesondere außerhalb der Fondsbranche, die bereitstehen, um Kaufgelegenheiten wahrzunehmen, wenn es ein Liquiditätsproblem gäbe. Es gibt immer noch eine Menge Liquidität im System.- Wenn man viel Liquidität vorhalten muss, drückt das auch die Rendite der Fonds.Ich persönlich würde das so sehen: Bei High-Yield-Bonds sind die Ausfallquoten extrem niedrig. Sie werden wohl auch niedrig bleiben, denn die Bilanzen sind stark. Aber trotzdem bekommt man einen sehr großen Spread, insbesondere auf dem US-Markt. Das würde ich das Liquiditätsrisiko nennen. Auf den Finanzmärkten gibt es nichts umsonst. Wenn ich 6 % dafür bekomme, eine Hochzinsanleihe zu besitzen, das Ausfallrisiko aber nur bei 2 % liegt und die Verwertungsrate bei 50 %, muss ich zwar damit rechnen, 1 % zu verlieren, was aber ist mit den restlichen 5 %? Bekomme ich die geschenkt? Das ist Liquiditätsrisiko. Viel Liquiditätsrisiko wird bereits in der Form von Spreads vergütet, in manchen Sektoren mehr, in anderen weniger. Liquidität ist zudem immer eine Frage des Preises. An Tagen, an denen sogar US-Treasuries um fast einen Punkt fallen, bedeutet das am Ende lediglich, dass man sie zu 98 statt zu 99 verkaufen kann. Man verliert also nicht sein ganzes Geld, man bekommt lediglich einen niedrigeren Preis.- Der Bondmarkt wird immer mehr zu einem Buy-and-Hold-Markt.Zu Recht. Professionelle und langfristig orientierte Anleger sollten immer mit Überzeugung kaufen und an ihren Positionen festhalten, solange es nicht zu dramatischen Veränderungen in der Welt kommt.- Ist die Konsolidierung Ausdruck von wachsendem Wettbewerbsdruck?Übernahmen und Fusionen gibt es zu jeder Zeit in allen Branchen. Sehen Sie sich nur einmal die Pharma- oder die Chemiebranche an. Das bedeutet nicht, dass keine neuen Akteure auftauchen. Donald Trump würde sagen: “That’s business.” Es ist sehr schwierig, ein mittelgroßer Akteur zu sein, der alles machen will. Man kann bei dieser Größe kein Generalist sein, ohne sich zu verzetteln.- Und die Kosten der Regulierung steigen.Genau. Was ich immer wieder gerne auf Konferenzen sage, bei denen die Aufseher im Raum sitzen, ist Folgendes: Wenn Sie an J.P. Morgan eine Menge komplexer Anforderungen stellen, kann ich an jedem beliebigen Tag 20 Leute dafür abstellen, nichts anderes zu tun, als sich darum zu kümmern. Auch 30 Leute, das wäre für uns kein Problem.- Und für andere?Ein kleinerer Anbieter könnte mit diesem regulatorischen Druck vermutlich nicht so gut umgehen. Es besteht also das Risiko, dass es wegen der Regulierung weniger Wettbewerb in unserem Markt geben wird. Denn kleinere oder unternehmerisch gesinnte Akteure könnten davor zurückschrecken, sich dort zu engagieren. Bislang sind wir eine starke Branche, weil wir viel Wettbewerb und Innovation haben.- Wie groß müsste man mindestens sein, um in so einem Markt bestehen zu können?Darauf gibt es wirklich keine Antwort. Es gibt Assetmanager, denen es mit einem verwalteten Vermögen von 4 Mrd. oder 5 Mrd. richtig gut geht, weil sie sich spezialisiert haben. Für die mittelgroßen Firmen gibt es eher ein Problem. Das wird durch die firmeneigenen Assetmanager noch verstärkt, die in der Regel zu einer Bank gehören und deren Aufgabe es ist, für die Kunden des Instituts Mittel zu generieren. Von ihnen wird erwartet, dass sie alles machen. Es ist aber schwierig, alles zu vernünftigen Kosten und annehmbaren Ergebnissen zu produzieren.- Wie Deutsche Asset Management?Ich sage normalerweise nichts über Wettbewerber, aber Deutsche Asset Management macht eine Menge Geschäft außerhalb des Deutsche-Bank-Konzerns. Die würde ich nicht unter der Kategorie firmeneigener Assetmanager ablegen. Sie sind vielmehr ein unsererseits sehr geschätzter und professioneller Wettbewerber.- Wäre das ein interessanter Zukauf für Sie?Wir ziehen es vor, organisch zu wachsen. Das zeigt unsere Geschichte. Wir würden so etwas nur erwägen, wenn es sich um etwas handeln würde, das wir noch nicht selbst machen und von dem wir glauben, dass wir es auch nicht selber aufbauen könnten. Wir haben in der Vergangenheit ein paar kleine, sehr fokussierte Akquisitionen getätigt.- Deutsche Asset wäre also kein Thema.Nein, es wäre sehr unwahrscheinlich, dass J.P. Morgan in Bereichen zukauft, in denen wir bereits selber aktiv sind, nur um an Größe zu gewinnen. Wir sind schon groß.- Steuert der Boom der passiven Investments langsam auf sein Ende zu?Passive Investments können in Kundenportfolios eine wesentliche Rolle spielen. In bestimmten Zeiten und bei gewissen Arten von Investments glauben Kunden zu Recht, dass passiv besser als aktiv ist. Darüber wollen wir nicht mit ihnen streiten.- Ist passives Investieren nur in steigenden Märkten angesagt?Wenn der ganze Markt um 20 % steigt, spielt es keine große Rolle mehr, ob man selbst 21 % verdient hat. Aber wenn der Markt um 2 % steigt und ich durch aktives Management um 2,5 % vorne liege, ist das eine völlig andere Geschichte. Denn das ist ein Viertel mehr als der Marktdurchschnitt. Wenn die Märkte schwierig sind, braucht man mehr professionelle Hilfe. Ich frage mich auch, wie es in einer kapitalistischen Wirtschaft eine effiziente Mittelallokation geben soll, wenn sich alle passiv verhalten.- Für das Swap-Geschäft der Banken wäre das doch großartig.Stellen Sie sich eine Welt vor, in der alle passive Manager sind. Wer würde über das Indexgewicht hinaus Aktien eines Unternehmens kaufen, von dem er weiß, dass es alles richtig macht? Man muss sich die makroökonomischen Implikationen vorstellen. Wenn die ganze Welt auf passiv umschalten würde, wer würde noch Kapital effizient zum Einsatz bringen?- Sind die Margen der aktiven Manager in Gefahr?Wir sind in einem treuhänderischen Geschäft tätig. Wir sind verpflichtet, unseren Kunden einen Nutzen zu liefern, und zwar zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Das bedeutet aber nicht immer, die billigste Lösung zu wählen. Wir müssen unsere Kunden fair behandeln. Manchmal ist passiv sehr billig, manchmal etwas anderes. So lange es Transparenz und Wettbewerb gibt …- … kann man auch den Anbieter wechseln.Niemand muss unsere Fonds kaufen. Der Preis und die Performance stehen in der Produktbeschreibung, die man von zahllosen Websites herunterladen kann. Wir glauben aber, dass wir mehr tun müssen. Im vergangenen Jahr haben wir die Vorteile des Wachstums unserer Fonds, also Skaleneffekte, in Form von niedrigeren Kosten an die Kunden weitergegeben. In einigen Fällen sank die Verwaltungsgebühr um 10 Basispunkte oder mehr.- Sie wollen sich aber nicht stärker im passiven Management engagieren.Wir haben eine Initiative namens “Beta Strategies” gestartet. Das ist ein neuer Bereich in unserem Investment-Management, wo wir uns von traditionellen passiven Anlagen zu Smart Beta oder ETF entwickeln werden. Aber wir werden noch ein paar Monate brauchen, bevor wir genau darlegen können, was wir in diesem Bereich machen werden. Das ist ein brandneues Projekt, das zunächst in den USA gestartet ist.- Wie groß ist es?Wir haben sehr ehrgeizige Wachstumspläne und sind gerade dabei, das Team aufzubauen. Dazu verlagern wir interne Ressourcen und stellen auch ein, wenn wir die nötigen Kompetenzen nicht haben. Im kommenden Jahr können wir dazu sicher mehr sagen.—-Das Interview führte Andreas Hippin.