Wirecard-Bilanzskandal in neuer Dimension
Die mutmaßlichen kriminellen Machenschaften beim mittlerweile insolventen Zahlungsabwickler Wirecard haben ein noch viel größeres Ausmaß als bislang vermutet. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft München sprach vom Verdacht eines gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. sck München – Die Strafermittler in München haben ihre Untersuchungen im Skandalfall Wirecard deutlich ausgeweitet. Aufgrund des Verdachts eines gewerbsmäßigen Bandenbetrugs unter Beteiligung mehrerer Personen hat die zuständige Staatsanwaltschaft drei Beschuldigte verhaften lassen. Dazu gehört der frühere Vorstandsvorsitzende und einstige Großaktionär Markus Braun. Gegen ihn sei ein “erheblich erweiterter Haftbefehl” erlassen worden, so die Behörde. Der 50-jährige Österreicher befand sich bereits im Juni für eine Nacht in Polizeigewahrsam. Die Strafverfolger setzten den Haftbefehl seinerzeit noch unter Auflagen – dazu gehörte eine Kaution von 5 Mill. Euro – zunächst wieder außer Vollzug.In Haft sitzt nun ebenso der ehemalige Finanzvorstand Burkhard Ley (60). Der aus Solingen stammende Bankkaufmann führte das Finanzressort im Vorstand der AG von 2005 bis Ende 2017. Als dritten Inhaftierten nannte die Staatsanwaltschaft einen früheren Geschäftsführer am Konzernstandort Dubai, den “Beschuldigten von E.” Von Dubai aus steuerte Wirecard einen Großteil des Drittlizenzgeschäfts in Asien, welches vermutlich nur eine Luftbuchung war. “Alle drei Beschuldigten wurden bereits der Haftrichterin vorgeführt, die auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftfortdauer angeordnet hat”, teilte die Staatsanwaltschaft mit.Die Ermittlungsbehörde in der bayerischen Landeshauptstadt wirft dem Trio und weiteren unter Verdacht stehenden Personen vor, sich seit 2015 abgesprochen zu haben, um die Bilanz des Unternehmens vorsätzlich aufzublähen. Die Strafermittler bezifferten den dabei entstandenen Schaden für kreditgebende Banken und andere institutionelle Investoren (darunter Softbank) auf “über circa 3,2 Mrd. Euro”. Vorwurf der TäuschungBislang ging die Behörde dem Verdacht der Bilanzfälschung, der Marktmanipulation, der Geldwäsche und des Insiderhandels (hier: Braun) nach. Betroffen davon waren neben Braun der im Juni ebenfalls gefeuerte Vorstand Jan Marsalek sowie die beiden zuletzt bei Wirecard noch aktiven Vorstände Alexander von Knoop (Finanzen) und Susanne Steidl (Produkte). Die beiden letztgenannten Personen gehören dem Topmanagement erst seit Anfang 2018 an. Der ebenfalls aus Österreich stammende Marsalek wird seit einigen Wochen mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Er soll angeblich in Weißrussland untergetaucht sein.”Die bisherigen intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I haben ergeben, dass der den Beschuldigten zur Last zu legende Sachverhalt erheblich erweitert werden muss: Insbesondere die umfassenden Angaben eines Kronzeugen, aber auch weitere Beweismittel wie Zeugenaussagen und Urkunden begründen den Verdacht, dass die Beschuldigten (. . .) unter Beteiligung von weiteren Mittätern im Jahr 2015 übereinkamen, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der Wirecard AG durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften mit sog. Third-Party-Acquirern aufzublähen”, erklärte die Strafverfolger in einer Pressemitteilung. Das Unternehmen sollte ihren Angaben zufolge “finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden, um so regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen und daraus fortwährend eigene Einkünfte zu generieren”. In Wirklichkeit sei den Beschuldigten spätestens seit Ende 2015 klar gewesen, dass Wirecard mit den tatsächlichen Geschäften insgesamt Verluste erzielt habe. Ihr Plan sei es dann gewesen, mit Hilfe vorgetäuschter Bilanzen Bankdarlehen zu erlangen und Gelder von Investoren einzusammeln, um das Geschäft aufrechtzuerhalten.