Wirecard-Chef stellt sich als Betrugsopfer dar
Von Stefan Kroneck, München
Markus Braun hat sich am Montag bemüht, alle Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft München zu widerlegen. Dabei ging es vor allem um den Tatvorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. In seiner Erklärung und der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Markus Födisch versuchte der ehemalige Wirecard-CEO, den Verdacht der Haupttäterschaft auf seinen flüchtigen Vorstandskollegen Jan Marsalek zu lenken.
Der frühere Wirecard-Großaktionär – Braun gehörten einst 7,1% des Grundkapitals – gerierte sich als Opfer des im Juni 2020 aufgeflogenen Bilanzbetrugs. Von den Machenschaften selbst wollte er bis zuletzt „keine Kenntnis“ gehabt haben, so Braun vor Gericht.
Seine Strafverteidiger hatten an den vorherigen Verhandlungstagen bereits die Kernaussagen ihres Mandanten vorweggenommen. Am 13. Hauptverhandlungstag vor der vierten Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München wandte sich Braun noch einmal selbst gegen den Kronzeugen Oliver Bellenhaus. Der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft München hatte an den vorherigen Verhandlungstagen dem Ex-CEO die Hauptrolle in dem Bandenbetrug zugesprochen. Brauns Anwalt Alfred Dierlamm bezeichnete diesen daraufhin als Lügner (vgl. BZ vom 10. Februar). Bellenhaus war Wirecard-Statthalter in Dubai. In dieser Funktion war er für das Drittpartnergeschäft (TPA) in Asien operativ zuständig. Letzteres erwies sich später als Luftbuchung. Der Kronzeuge legte vor Gericht bereits ein vollumfängliches Geständnis ab. Er gab sämtliche Anklagepunkte zu.
Vor Gericht zeigte sich Braun kämpferisch. Er machte von seinem Schweigerecht keinen Gebrauch. Nach den Erklärungen seiner Rechtsbeistände und deren verfahrenstaktischen Manövern an den zurückliegenden Verhandlungstagen stand er zu Wochenbeginn dem Vorsitzenden Richter Rede und Antwort.
Brauns erste mündliche Aussagen in dem Strafprozess stießen auf ein großes öffentliches Interesse. Auf Seiten der Medienvertreter und der Zuschauer waren deutlich mehr Personen zu registrieren als zu Prozessauftakt Anfang Dezember vergangenen Jahres (vgl. BZ vom 9.12.2022).
Gleich zu Beginn seiner Einlassung widersprach der Hauptangeklagte den Tatvorwürfen in einer Eingangserklärung: „Ich möchte ganz klar sagen, dass ich alle Anschuldigungen zurückweise. Ich habe mich mit niemandem zu einer Bande zusammengeschlossen, weder mit Herrn Bellenhaus noch mit Herrn Marsalek.“ Er, so Braun, sei von „vollständig existierenden Geldern“ auf den TPA-Treuhandkonten ausgegangen; ebenso von einer ordnungsgemäßen Prüfung des Sachverhalts.
Zur Erinnerung: Nach einer Sonderprüfung von KPMG im Frühjahr 2020 wurden von außen die Zweifel an der Existenz des TPA-Geschäfts immer größer. Im Frühsommer des gleichen Jahres kollabierte Wirecard, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die vom seinerzeitigen Dax-Mitglied angegebenen Treuhandkonten von (angeblichen) 1,9 Mrd. Euro auf die Philippinen sich als Luftschloss erwiesen. Das öffentliche Eingeständnis des Vorstands am 18. Juni 2020, dass Betrug dahinterstehe, sei für ihn, so Braun in seinen Ausführungen, ein „echtes Schockerlebnis“ gewesen. „Es ist für mich immer noch eine dunkle Wand.“ Braun bezeichnete jenen Tag als einen Tag des „tiefsten Bedauerns, ein Tag des Schmerzes“. Seine Erklärung basierte nach eigenen Angaben auf einer „subjektiven Wahrnehmung“ der Geschehnisse von damals.
Nach detaillierten Verdachtsberichten in der „Financial Times“, wonach das TPA-Geschäft nur auf dem Papier bestehe, mandatierte der Wirecard-Aufsichtsrat im Herbst 2019 KPMG mit der Sonderprüfung. Braun unterstützte dies nach eigener Aussage: „Ich wollte, dass die Vorwürfe ein für allemal aufgeklärt werden.“
Den für den TPA-Bereich zuständigen Vorstand Marsalek beschrieb er als abgekämpft wirkend. „Ich hatte das Gefühl, er reibt sich für die Wirecard auf. Er hat sehr schlecht ausgesehen.“ Braun widersprach der Aussage des Kronzeugen, am 24. Oktober 2019 Details von Datenmanipulationen abgesprochen zu haben, um die Wirtschaftsprüfer mit nachgereichten Kreditkartentransaktionenbelegen zu täuschen (vgl. BZ vom 26. Januar).
Seinen Erinnerungen zufolge habe Marsalek die ganze Zeit geredet, Bellenhaus geschwiegen. „Ich konnte mir nicht erklären, was Marsalek und Bellenhaus von mir wollten. Ich vermute, Marsalek hatte mir die Macht zugemessen, die Sonderprüfung zu stoppen.“ Um Transaktionsdaten sei es in dem Gespräch gar nicht gegangen.
„Sie mussten davon ausgehen, dass irgendetwas nicht stimmt“, hielt Födisch in seiner Befragung Braun vor. Der Vorsitzende Richter ließ Zweifel daran durchblicken, dass Marsalek damals als zuständiger Vorstand KPMG zuarbeitete, obwohl dessen Bereich (TPA, Asien) selbst Ziel der Sonderprüfung war. „Wir waren der Meinung, es handelt sich um ein Organisationsthema, nicht um einen Betrug“, antwortete Braun.