Wirecard kämpft ums Überleben - 1,9 Milliarden gelten als verloren

Fortbestand hängt von Gläubigerbanken ab - BaFin-Chef Hufeld: "Eine Schande" - Kurssturz setzt sich fort

Wirecard kämpft ums Überleben - 1,9 Milliarden gelten als verloren

sck/bn München/Frankfurt – Der wegen einer tiefen Vertrauenskrise und eines mutmaßlichen Bilanzbetrugs angeschlagene Zahlungsabwickler Wirecard bangt um seine Existenz. Gläubigerbanken müssen einen fällig werdenden Kredit verlängern, damit das Unternehmen sein Geschäft fortführen kann. Ansonsten droht der Gesellschaft die Insolvenz.Der Dax-Konzern hat keine Hoffnung mehr, den auf Treuhandkonten fehlenden Milliardenbetrag zurückzubekommen. “Der Vorstand (. . .) geht (. . .) davon aus, dass die bisher zugunsten von Wirecard ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten von 1,9 Mrd. Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen”, warnte Wirecard ad hoc.Da der Schaden rund ein Viertel der Bilanzsumme umfasst, räumte der Konzern Luftbuchungen im Jahr 2019 ein und verwarf seine Prognose für den laufenden Berichtsturnus und den mittelfristigen Ausblick (bis 2025). Rückwirkend könnten die Folgen ebenfalls gravierend sein, wie der Finanzdienstleister signalisierte: “Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden.” Nach vorläufigen eigenen Angaben steigerte Wirecard im vergangenen Jahr das operative Ergebnis (Ebitda) um 40 % auf 785 Mill. Euro und strebte 2020 einen Zuwachs auf bis zu 1,2 Mrd. Euro an. Das ist nun Makulatur.Die Anleger reagierten auf die neuen Hiobsbotschaften schockiert. Die Aktie setzte ihren Absturz fort. Am Montag büßte das Papier zeitweise die Hälfte ein und beendete den Xetra-Handel bei 14,44 Euro (- 44,1 %). Der Titel fiel auf das Niveau von 2012 zurück. Seit Beginn der Talfahrt am Donnerstag – ausgelöst durch eine erneute Absage für die Vorlage des Jahresabschlusses 2019 – lösten sich über 11 Mrd. Euro Marktkapitalisierung in Luft auf. Wirecard ist nur noch 1,7 Mrd. Euro wert.Deutschlands Finanzaufsicht geht angesichts des Skandals in Sack und Asche. “Es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist”, sagte Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), am Montag. Eine ganze Reihe privater und öffentlicher Instanzen, “einschließlich meiner eigenen”, hätten nicht effektiv genug gearbeitet, um einen solchen Vorfall zu verhindern. Offenbar hadert man nun in der Behörde damit, sich angesichts des rasanten Wachstums von Wirecard nicht früher für die gesamte Gruppe zuständig erklärt zu haben. Der Zahlungsabwickler gilt aufsichtlich als Technologieunternehmen, nicht als Finanzdienstleister. Die BaFin hat damit nur Zugriff auf die Tochter Wirecard Bank.Derweil mehren sich im Unternehmen die Zweifel, ob das Drittlizenzgeschäft mit Partnern in Asien überhaupt existiert. Man untersuche, “ob, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang dieses Geschäft tatsächlich zugunsten der Gesellschaft geführt wurde”. Nach bisherigen Angaben von Wirecard machte die Region Asien/Pazifik rund die Hälfte des Konzernumsatzes aus und steuerte in Relation ebenso viel zum operativen Gewinn bei. Zuletzt rügte KPMG im Zuge einer Sonderprüfung mit Blick auf das strittige Drittlizenzgeschäft ein “Untersuchungshemmnis”. EY verweigerte dem Unternehmen fürs Erste das Testat für 2019. – Schwerpunkt Seite 3 Leitartikel Seite 6