Wirecard-Kronzeuge Bellenhaus verneint Datenlöschungen
Wirecard-Kronzeuge verneint Datenlöschungen
Oliver Bellenhaus wehrt sich gegen Beweisanträge der Verteidiger des Hauptangeklagten Markus Braun
Von Stefan Kroneck, München
In seiner abermaligen Vernehmung durch das Gericht hat der Kronzeuge im Wirecard-Strafprozess sich gegen Vorwürfe der Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex-CEO Markus Braun (54), gewehrt. Am 76. Verhandlungstag vor der 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München verneinte Oliver Bellenhaus (50), während des Zusammenbruchs des Zahlungsabwicklers im Frühsommer 2020 umfangreiche Daten gelöscht zu haben. Der frühere Konzernstatthalter in Dubai sagte, bis auf wenige Dateikopien fielen ihm „keine Datenlöschungen ein“. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Markus Födisch, warum er dies unterließ, antwortete Bellenhaus, dass dies keinen Sinn ergeben hätte, da er seinerzeit sowieso bereit gewesen sei, sich den Ermittlungsbehörden zu stellen.
Brauns Anwälte, darunter der Strafrechtsexperte Alfred Dierlamm, beschuldigten zuvor in ihren Beweisanträgen Bellenhaus, zusammen mit dem flüchtigen Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek firmeninterne kriminelle Schattenstrukturen betrieben zu haben, um von Wirecard Hunderte Millionen Euro für eigene Zwecke abzuziehen. Bellenhaus habe nach dem Kollaps des Unternehmens unzählige Daten gelöscht oder zerstört, um die Spur zu verwischen. Dierlamm und seine Kollegen versuchen seit Monaten, den Kronzeugen als Lügner und Mitglied einer Betrügerbande darzustellen, um auf diese Weise ihren Mandaten zu entlasten. Braun sieht sich demnach als Opfer der Delikte und hält sich für unschuldig.
"Desinformation"
Zwei Verhandlungstage zuvor nannte Bellenhaus vor Gericht die Aussagen von Brauns Rechtsbeiständen „abwegig“. Belege dafür fänden sich nicht. „Hier wird vor allem ein Krieg um die öffentliche Meinung geführt“, so der Kronzeuge. In seiner Stellungnahme warf Bellenhaus Brauns Anwälten vor, vielfach falsch gerechnet zu haben. „Worin läge das Motiv, eine solche Schattenstruktur aufzubauen und über ein Jahrzehnt am Laufen zu halten?“, sagte der Kronzeuge. Bellenhaus bezichtigte Brauns Rechtsbeistände, unrichtige Behauptungen aufzustellen. Er wirft ihnen Desinformation vor.
Dierlamm versucht, den seit Dezember laufenden Prozess auszuhebeln, indem er die Aussagen von Bellenhaus als Falschdarstellungen bezeichnet. Zugleich wirft er der Staatsanwaltschaft München vor, in der Causa falsch ermittelt zu haben. Die Strafermittler bezeichneten hingegen Dierlamms Beweisanträge als inhaltsleere Behauptungen, die sich in zahlreichen Punkten widersprächen.
Geständnis zum Prozessauftakt
Bellenhaus ist bislang der einzige der drei Angeklagten, der gleich zum Prozessauftakt ein Geständnis ablegte. Er bezeichnete Braun als Kopf der Bande. Damit belastete er den Hauptangeklagten schwer. Die Anklage der Staatsanwaltschaft stützt sich auf dessen Angaben und Beweismittel. Die Strafermittler werfen Braun, Bellenhaus und Ex-Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Untreue, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Sie sollen über Jahre die Bücher von Wirecard manipuliert haben, um die wahre Lage der Firma zu verschleiern. Ohne das Drittpartnergeschäft in Asien, welches sich als frei erfunden erwies, habe Wirecard Verluste geschrieben.
Über die Beweisanträge von Brauns Verteidigern hat das Gericht noch nicht endgültig entschieden. Födisch kann diese zulassen oder ablehnen.