Wirecard verhandelt mit Gläubigern
Nach dem jüngsten Kursabsturz hält die Vertrauenskrise von Wirecard unverändert an, obwohl der umstrittene Vorstandschef Markus Braun mit seinem Rücktritt den Weg freigemacht hat für einen Neuanfang. Allerdings muss der Zahlungsabwickler zunächst eine hohe Hürde nehmen bei seinen Gläubigerbanken.sck München – Der Kursabsturz des unter Druck geratenen Zahlungsabwicklers Wirecard nach einem abermals nicht fristgerecht vorgelegten Jahresabschluss 2019 hat ein Nachspiel mit den Gläubigerbanken. Wirecard warnte davor, dass aufgrund der geplatzten Veröffentlichung des Geschäftsberichts zum Wochenschluss eine Frist abgelaufen ist, wonach die Kreditinstitute ein Darlehen von insgesamt 2 Mrd. Euro sofort fällig stellen könnten. Den Konditionen zufolge hätte Wirecard bis zum Freitag den Jahresabschluss vorlegen müssen.Dabei handelt es sich um mindestens 18 Kreditgeber, bei denen Wirecard in der Kreide steht. Wirecard hat eine revolvierende Kreditfazilität von 1,8 Mrd. Euro mit Fälligkeit Juni 2024 und eine Kreditlinie von 725 Mill. Euro, die im März 2021 zur Rückzahlung ansteht. Etwa zehn Banken haben bei beiden Fazilitäten Darlehen zugesagt, darunter die Agricultural Bank of China, die Bank of China, die Commerzbank, die Deutsche Bank, die DZ Bank und die Landesbank Baden-Württemberg.Das Unternehmen zahlte einen Teil der Kreditlinie mit Ausgabe einer Anleihe im Volumen von 500 Mill. Euro im September vergangenen Jahres zurück. Dieser Bond selbst wird zur Rückzahlung im September 2024 fällig. “Konstruktive Gespräche”Die Verwaltung des Unternehmens mit Sitz in Aschheim bei München war zum Wochenschluss wegen dieses Bilanzrisikos darum bemüht, mit einer gesonderten Erklärung über die Lage die aufgebrachten Anleger zu beruhigen. “Die Wirecard AG kann bestätigen, dass sich das Unternehmen in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken befindet hinsichtlich der Fortführung der Kreditlinien und der weiteren Geschäftsbeziehung”, teilte das Dax-Mitglied mit.Hintergrund des Problems sind Auflagen der kreditgebenden Geldhäuser. Diese Covenants könnte Wirecard reißen, sollte sich der Hinweis des Abschlussprüfers Ernst & Young (EY) bestätigen, dass keine Nachweise über Guthaben von 1,9 Mrd. Euro auf Treuhandkonten bei zwei asiatischen Kooperationspartnern bestehen (vgl. BZ vom 19. Juni). Eines dieser beiden Institute ist die auf den Philippinen beheimatete BDO Unibank. Bloomberg zufolge bestätigte BDO-Chef Nestor Tan dies in einer Nachricht über sein Mobiltelefon. Die Kreditauflagen stehen im Prospekt zu der 2019 emittierten Anleihe. Moody’s versah diesen Bond mit einer Bonitätseinstufung von “Baa3”, also nur einen Notch unterhalb des Ramsch-Niveaus. Anfang Juni warnte die Ratingagentur davor, Wirecard herabzustufen, sollte die Unsicherheit über die Jahresbilanz andauern (vgl. BZ vom 3. Juni).Mit Blick auf die Verhandlungen sind Finanzexperten der Meinung, dass die Gläubigerbanken Wirecard nicht über die Klinge springen lassen werden wegen der Gefahr einer möglichen Verfehlung dieser Covenants. Damit würden sich die Institute nur selbst schaden. Denn das operative Geschäft von Wirecard läuft nach wie vor gut – trotz Coronakrise und der Missstände im Unternehmen. Übernahme von AusfallrisikenAufgrund der umfangreichen Unklarheiten in den Bilanzen sieht sich der 1999 gegründete Finanzdienstleister selbst als Opfer eines “gigantischen Betrugs” (vgl. BZ vom 19. Juni). Die von EY beanstandete Summe macht rund ein Viertel der Konzernbilanz von Wirecard aus.Das Management erstattete Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Täuschung. Es gebe Hinweise, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder beziehungsweise von Banken, die die Treuhandkonten führten, unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt worden seien. Damit solle ein falsches Bild erzeugt worden sein über das Vorhandensein der Guthaben, berichtete Wirecard.Neben dem bargeldlosen Bezahlen übernimmt Wirecard über ihre hauseigene Bank auch für Händler das Ausfallrisiko von Zahlungen. Zur Absicherung dieser Geschäfte zahlt Wirecard Gelder auf Treuhandkonten ein, die nach erfolgreichem Abschluss wieder zurückfließen.