WM trägt zum wirtschaftlichen Aufschwung bei

Deutschland ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner Russlands - Herausforderungen für Unternehmen bleiben bestehen

WM trägt zum wirtschaftlichen Aufschwung bei

Vom 14. Juni bis zum 15. Juli dieses Jahres ist die Welt zu Gast in Russland – erstmals aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft (WM). Die Vorbereitungen für die teuerste Fußball-WM aller Zeiten befinden sich in der Endphase. Die Investitionen in Stadien und Infrastruktur belaufen sich bisher auf etwa 7 Mrd. Euro. Insgesamt wurden seitens der russischen Regierung für die Organisation der WM etwa 10 Mrd. Euro eingeplant. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Kosten deutlich höher ausfallen werden. Enorme InvestitionenTrotz oder gerade wegen dieser immensen Investitionen trägt die Fußball-WM zum wirtschaftlichen Aufschwung Russlands bei. Dieser macht sich nach der Krise der letzten Jahre, die das Land aufgrund von Sanktionen des Westens und eines niedrigen Ölpreises fest im Griff hatte, nun wieder bemerkbar. Nachdem im vorigen Jahr der Ölpreis wieder gestiegen ist und die Währung sich stabilisiert hatte, verzeichnen die Prognosen für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von ca. 2 %. Auch die Inflationsrate ist mit ca. 2,2 % auf einem historischen Tief. Deutschland ist trotz Rückgangs der Exporte nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner Russlands. Aus einer Geschäftsklima-Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer geht hervor, dass im zurückliegenden Jahr 63 % der deutschen Unternehmen ihren Umsatz in Russland wieder steigern konnten. Laut Volker Treier, Geschäftsführer des DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag), will die deutsche Wirtschaft ihr Russland-Engagement weiter ausbauen. Jedes dritte der 141 Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, plant im Laufe der nächsten zwölf Monate, in sein Russlandgeschäft zu investieren. In Summe betragen die geplanten Investitionen fast eine halbe Mrd. Euro. Zu den größten Gewinnern der letzten Jahre zählen dabei die Unternehmen, die sich am Ausbau der Logistik und Infrastruktur im Rahmen der Vorbereitung der Fußball-WM beteiligt haben. Sie konnten zusätzliche Aufträge in Höhe von 2 bis 3 Mrd. Euro verbuchen, wie Treier in Berlin berichtete. Es seien ca. 40 Unternehmen bekannt, die zusätzliche Aufträge registrieren konnten. Viele Vorteile trotz der KostenDie WM bringt trotz ihrer immensen Kosten viele Vorteile für die russische Wirtschaft mit sich. Neben dem Bau von Stadien wurde in großem Maße in die defizitäre russische Infrastruktur investiert. Mit dem Ausbau von Flughäfen, Straßen und vielen anderen Bereichen der Infrastruktur wurde eine der größten Herausforderungen des Landes in Angriff genommen. Denn als das Land mit der weltweit größten Fläche weist Russland auch die weitesten Transportwege auf.Zudem ist ein sportliches Großereignis wie die WM auch dazu geeignet, zur Verbesserung der politischen Lage beizutragen. Russland wird während dieser Zeit im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen und sich, wie es bereits bei den Olympischen Spielen der Fall war, als weltoffenes und fortschrittliches Land präsentieren – was seiner Reputation zugutekommen und wieder mehr ausländische Investoren auf den Plan rufen soll. Nicht außer Acht lassenEs darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass deutsche Unternehmen nach wie vor auch vor Herausforderungen stehen, wenn sie in Russland ansässig werden oder expandieren wollen. Zu den größten zählen dabei weiterhin die verhältnismäßig hohe Bürokratie, die hohen Kreditzinsen, die Korruption auf administrativer Ebene und bei den Gerichten, die schlechten strukturellen Bedingungen, das unausgereifte Rechtssystem sowie die mangelhafte Ausbildung von Fachkräften und die schwache Unternehmensbindung von Mitarbeitern. Und natürlich hemmen nach wie vor die Sanktionen den Export sowie die Investition in den russischen Markt nachhaltig. Unternehmen müssen stets auf sanktionskonforme Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit achten, wenn sie in Russland tätig sind oder Waren grenzüberschreitend anbieten, und sind somit vor allem beim Export nach Russland eingeschränkt. Auf die westlichen Sanktionen reagiert Russland zudem mit eigenen Einschränkungen. Die Regierung bemüht sich verstärkt, Importe aus dem Ausland durch eigene Produkte zu ersetzen. Das erklärte Ziel ist es, die Importe von derzeit 88 % bis 2020 auf lediglich 40 % zu reduzieren. Produktionsstätten sollen dadurch ins eigene Land verlagert werden. Ausländische, insbesondere auch deutsche Unternehmen haben daher vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen oft das Nachsehen.Die russische Lokalisierungspolitik schwächt jedoch nicht das große Potenzial des Marktes. Zwar unterliegen ausländische Investoren nunmehr gewissen Anforderungen, jedoch gibt es allen voran in den Branchen Chemie, Landwirtschaft und Infrastrukturausbau einen großen Modernisierungsbedarf und somit Chancen für deutsche Unternehmen aus dem Mittelstand. Außerhalb der Grenzen Russlands sind die Investitionen in den Markt zwar erschwert, jedoch bietet es sich jetzt an, als Investor direkt vor Ort Fuß zu fassen, so wie es bereits etwa 5 000 andere deutsche Unternehmen getan haben. Als Wachstumsbranchen für 2018 gelten dabei insbesondere die Maschinenbauindustrie, die Energiewirtschaft, die Lebensmittel- und Chemieindustrie, die Textilindustrie, die Landwirtschaft sowie die Medizintechnik. Aber nicht nur die Lokalisierungspolitik bietet eine Chance für den Einstieg in den russischen Markt. Auch die Produktionsbedingungen in Russland sind aufgrund des schwachen Rubel und des Rückgangs der Lohnkosten sehr günstig, so dass sich eine Produktion im Inland anbietet und sogar ein Export in Drittländer attraktiv sein kann. Von Vorbereitungen profitiertViele deutsche Unternehmen haben bereits von den Vorbereitungen zur Fußball-WM profitiert. Die russischen Auftraggeber setzten vor allem bei den besonders anspruchsvollen Bereichen des Stadionbaus auf deutsche Qualität und die hohen Leistungsstandards der deutschen Unternehmen. Auch Russlands Affinität zu deutschen Produkten kam ihnen dabei zugute. So hat beispielsweise die Firma Skidata die Systeme zur Zutrittskontrolle für die WM-Stadien installiert. Die Firma Rehau stattete elf der zwölf Stadien mit einer Rasenheizung aus. Das Unternehmen Knauf lieferte Zementplatten für die Errichtung der Stadien, und die Remmers AG war verantwortlich für die Sanierung der historischen Fassaden des Fußballstadions Dynamo in Moskau. Investoren sind willkommenDabei hatten die deutschen Investoren in der Vorbereitungsphase der WM eine weit weniger günstige Ausgangslage als zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Jahr 2014, bei denen etwa 33 Mrd. Euro investiert wurden und sie vom starken Rubel und der positiven Wirtschaftslage profitierten. Dennoch ist anzunehmen, dass sich die zuletzt wieder stabilisierten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland im Zuge der WM weiter verstärken werden. Somit können deutsche Mittelständler und Konzerne auch noch nach Abschluss der Vorbereitungen von einer Expansion gen Osten profitieren. Investoren sind nach wie vor sehr willkommen. Um diese langfristig zu gewinnen und im Land zu halten, bietet Russland beispielsweise den Abschluss verschiedener Investitionsabkommen, die Unterstützung durch Sonderwirtschaftszonen und entsprechende Industrieparks sowie die Verbesserung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine weitere Förderung der Wirtschaft von politischer Seite ist jedoch unerlässlich.Die Wahl des Präsidenten am 18. März 2018 hat, wie zu erwarten war, zur Wiederwahl Wladimir Putins geführt. Vieles hängt nun davon ab, ob und in welchem Umfang die dringend benötigten Wirtschaftsreformen in Form einer Marktliberalisierung vom Präsidenten in seiner vierten Amtszeit umgesetzt werden. Experten rechnen zwar mit einer gewissen Kurskorrektur der Wirtschaftspolitik – wie das Wirtschaftswachstum jedoch gesichert werden soll, ist trotz einer Vielzahl von Vorschlägen noch unklar.—-Andreas KnaulManaging Partner Russland und Kasachstan bei Rödl & Partner