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Woodford versetzt Fondsbranche in helle Aufregung

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 12.6.2019 Der ehemalige Star-Fondsmanager Neil Woodford hat die Branche erschüttert: Er müsse seinen Flaggschifffonds vom Handel aussetzen lassen, weil sich nicht ausreichend Liquidität mobilisieren ließ,...

Woodford versetzt Fondsbranche in helle Aufregung

Von Andreas Hippin, LondonDer ehemalige Star-Fondsmanager Neil Woodford hat die Branche erschüttert: Er müsse seinen Flaggschifffonds vom Handel aussetzen lassen, weil sich nicht ausreichend Liquidität mobilisieren ließ, um alle Kunden auszuzahlen, die ihre Anteile zurückgeben wollten. So etwas gab es bislang zwar bei offenen Immobilienfonds, aber nicht bei einem simplen Aktienfonds wie dem LF Woodford Equity Income Fund. “Es tut mir extrem leid, dass wir diese Entscheidung fällen mussten”, sagt er seinen Kunden in einem Video, das auf der Website seiner Firma aufgerufen werden kann. Aber es handele sich um eine notwendige Maßnahme zu ihrem eigenen Schutz. “Zu angemessener Zeit werden wir den Fonds öffnen, damit sie normal kaufen und verkaufen können.” Der 59-Jährige gehört in Großbritannien zu den bekanntesten Stockpickern. Nicky Morgan, die Vorsitzende des Finanzausschusses des Unterhauses, forderte Woodford auf, für die Zeit der Handelsaussetzung keine Managementgebühr zu erheben.Medienberichten zufolge war es der Wunsch des Kent County Council, 250 Mill. Pfund zu entnehmen, der zur Aussetzung geführt hat. Eine ganze Reihe von Pensionskassen lokaler Verwaltungsorgane hatte Woodford ihr Geld anvertraut. Als er seinem ehemaligen Arbeitgeber Invesco Perpetual den Rücken kehrte, um sich mit Woodford Investment Management selbständig zu machen, folgten ihm Gelder in Milliardenhöhe. Der Vermögensverwalter St. James’s Place war nur einer der Kunden, die ihm ihr Geld auch weiterhin anvertrauen wollten. Dabei lag Woodford, der Warren Buffett zu seinen Vorbildern zählt, nicht immer richtig. Die Bankenrally 2003 ging an ihm vorbei. Seine Wette auf die Videospielekette Game Digital ging nicht auf. Und er ist einer der größten Aktionäre des Bau- und Outsourcingkonzerns Kier Group, dessen Aktienkurs vergangene Woche nach einer Gewinnwarnung um zwei Fünftel einbrach. Auch der Finanzdienstleister Provident Financial und der Online-Immobilienmakler Purplebricks entpuppten sich als Verlustbringer. Woodfords Probleme werden dadurch verschärft, dass manche der börsennotierten Anteile im Fonds nur in kleinen Volumina gehandelt werden, wie Aktien des Spediteurs Stobart oder Papiere der auf Vermarktung von geistigem Eigentum spezialisierten IP Group. “Bösartiger Feedback-Loop””Bei mehr als die Hälfte der Investmentfonds gibt es eine strukturelle Diskrepanz zwischen der Häufigkeit, mit welcher sie Rücknahmen anbieten, und der Zeit, die sie benötigen würden, um ihre Assets zu liquidieren”, sagte Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, dieser Tage in Tokio. Zwei Drittel der betroffenen Fonds hätten ihren Sitz in Europa oder den Vereinigten Staaten. Unter Stress wären sie vielleicht zu Notverkäufen gezwungen, was Marktbewegungen verstärken und weitere Anteilsrückgaben nach sich ziehen könnte. Dieser “bösartige Feedback-Loop” könne am Ende dazu führen, dass die Märkte nicht mehr funktionieren. Solche Liquiditätsrisiken zu managen, sei sowohl im jeweiligen nationalen als auch im globalen Interesse.Nun dürften die Probleme des Woodford-Produkts, das zu seinen besten Zeiten gut 10 Mrd. Pfund verwaltete und mittlerweile vielleicht noch etwas mehr als ein Drittel davon unter der Haube hat, keine Gefahr für das weltweite Finanzsystem darstellen. Sie zeigen jedoch, dass auch eine noch so ausgefeilte Regulierung der Finanzbranche keinen wirksamen Schutz der Anleger mit sich bringt. Wieder einmal wurden riskante Investments als vergleichsweise sichere Anlagen vermarktet – mit dem Segen der Financial Conduct Authority, die Fonds dieser Art erlaubt, bis zu einem Zehntel ihres Volumens in illiquide Assets zu investieren. Dabei ist die Definition von “illiquide” so gefasst, dass es ausreicht, wenn ein Unternehmen vorhat, an die Börse zu gehen, um seine Anteile als “liquide” Assets zu behandeln. Wer sein Geld Woodford anvertraut hat, investierte im Grunde also nicht in einem Aktienfonds sondern in einen Private-Equity-Fonds. Zu seinen Investments gehören nicht börsennotierte Firmen wie Benevolent AI, Oxford Nanopore Technologies oder Theravance Biopharma.Wie die “Times” berichtet, ließ Woodford einen Teil seiner nicht börsennotierten Beteiligungen an der TISE (The International Stock Exchange Group) auf Guernsey listen. Damit wären die regulatorischen Anforderungen, um sie als “liquide” zu führen, erfüllt gewesen. Man habe aktiv versucht, die FCA zu Rate zu ziehen, hieß es dazu von der Kanalinsel. Die britische Finanzaufsicht hatte offenbar wichtigere Dinge zu tun. Es habe einen Monat gedauert, bis es zu einer Telefonkonferenz mit der TISE kam. St. James’s Place hat die zwei Jahrzehnte währende Beziehung mit Woodford vergangene Woche beendet und stattdessen Columbia Threadneedle und RWC Partners mandatiert. Mit Openwork verlor das Unternehmen kurz darauf seinen letzten Großkunden. Es dürfte dem einstigen Star der Branche schwerfallen, seinen Ruf wiederherzustellen. Leerverkäufer spekulieren nicht nur auf fallende Kurse der wenig gehandelten Aktien in seinen Fonds. Auch seine börsennotierten geschlossenen Fonds wie der Woodford Patient Capital Trust gerieten unter Druck.Auch der Vertriebspartner Hargreaves Lansdown musste an der Börse Federn lassen. Die Fondsplattform aus Bristol hatte Woodfords Fonds ihren 1,1 Millionen Kunden wärmstens empfohlen und ihn auch in einige ihrer eigenen Multi-Manager-Fonds gepackt. Ihren Kunden wurde von Woodford ein Nachlass auf die Managementgebühr eingeräumt. Das enge Verhältnis zahlte sich aus. Wie die “Times” ausgerechnet hat, flossen Woodford seit Auflegung des ausgesetzten Fonds im Juni 2014 von Hargreaves-Kunden rund 50 Mill. Dollar an Verwaltungsgebühren zu. Gut 30 % des Fondsvermögens seien ihnen zuzurechnen. Nach der Handelsaussetzung strich Hargreaves den Fonds schnell von ihrer “Wealth 50”-Favoritenliste. Aber Mitgründer und Großaktionär Peter Hargreaves wird sich wohl unangenehmen Fragen stellen müssen. Die gesamte Fondsbranche dürfte vom Regulierer stärker unter die Lupe genommen werden. Und manche werten das Debakel als weiteren Beleg für die Überlegenheit passiver Anlagestrategien.