FINANZEN & TECHNIK - GASTBEITRAG

Worauf Fintech-Start-ups beim Börsengang achten sollten

Börsen-Zeitung, 1.8.2015 Erfolgreiche Börsengänge von innovativen Fintech-Start-ups in den USA wie etwa Lending Club oder Ondeck Capital lassen auch in Deutschland Fintech-Unternehmen die Finanzierung über den Kapitalmarkt in Betracht ziehen. So...

Worauf Fintech-Start-ups beim Börsengang achten sollten

Erfolgreiche Börsengänge von innovativen Fintech-Start-ups in den USA wie etwa Lending Club oder Ondeck Capital lassen auch in Deutschland Fintech-Unternehmen die Finanzierung über den Kapitalmarkt in Betracht ziehen. So konnten zum Beispiel Ferratum oder auch jüngst Cashcloud neue Investoren über ein IPO an der Frankfurter Wertpapierbörse gewinnen. Das zeigt, dass auch für Fintech-Start-ups ein Börsengang mit Blick auf ein grundsätzlich positives Kapitalmarktumfeld allgemein und das hohe Investoreninteresse speziell an Fintech-Firmen attraktiv sein kann. Es gibt jedoch einige wichtige Punkte, die diese Start-ups hierbei beachten sollten. IPO-VorbereitungenVoraussetzung für einen Börsengang in Deutschland ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligter Wertpapierprospekt. Zwar können Start-up-Unternehmen als sogenanntes KMU (kleine und mittlere Unternehmen) bestimmte Erleichterungen hinsichtlich der erforderlichen Mindestangaben im Prospekt in Anspruch nehmen (etwa nur Aufnahme der Finanzinformationen für die letzten zwei oder bei noch kürzerem Bestand des Unternehmens nur für den Bestandszeitraum statt der letzten drei Geschäftsjahre), gleichwohl erfordert die Erstellung des Wertpapierprospektes den Einsatz von erheblichen internen und externen Ressourcen. Für die Prospekterstellung einschließlich des Billigungsverfahrens der BaFin sollte ein Zeitraum von mindestens drei Monaten eingeplant werden. Im Rahmen der erforderlichen Due-Diligence-Prüfung werden bei Fintech-Unternehmen hierbei typischerweise regulatorische Themen (Bankaufsichtsrecht), Intellectual-Property-Rechtsfragen (Einsatz von Opensource-Software/IP-Rechte von eingesetzten freien Mitarbeitern) und arbeitsrechtliche Themen im Vordergrund stehen.Der Prospekt ist grundsätzlich in der deutschen Sprache zu verfassen, kann jedoch unter Umständen auch auf Englisch mit einer deutschen Zusammenfassung erstellt werden, etwa wenn die Aktien auch in Luxemburg öffentlich angeboten werden sollen. Neben den genannten Prospekterleichterungen für Start-up-Unternehmen kann die BaFin aber auch über die üblichen Prospektangaben hinaus im Falle von Start-ups zusätzliche Prospektangaben nach Art. 23 Abs. 1 i.V. m. Anhang XIX der EU-Prospektverordnung (VO (EG) Nr. 809/2004) verlangen. Als Start-up gelten hierbei nicht nur Unternehmen, die seit weniger als drei Jahren existieren, sondern auch solche, die zwar bereits länger bestehen, aber ihre aktuelle Geschäftstätigkeit seit weniger als drei Jahren ausüben. Diese zusätzlichen Angaben können etwa Erläuterungen der Abhängigkeit des Fintech-Unternehmens von bestimmten Schlüsselpersonen, des Business-Plans des Fintech-Unternehmens, einschließlich der Erläuterung seiner strategischen Ziele und der Annahmen, auf denen der Business-Plan basiert, umfassen.Einzugehen ist auch auf die Entwicklung der Vertriebstätigkeiten, neuer Produkte bzw. von Dienstleistungen während der nächsten zwei Jahre sowie eine Darstellung der Auswirkungen von Änderungen der dem Business-Plan zugrunde liegenden wesentlichen Annahmen auf die prognostizierten Geschäftsaussichten. Prognosen im ProspektZu beachten ist insbesondere, dass im Falle der Aufnahme von Gewinnprognosen in den Prospekt ein entsprechender Abschlussprüferbericht aufzunehmen ist, in dem unter anderem bestätigt wird, dass die Prognosen nach Auffassung der Prüfer auf den angegebenen Grundlagen ordnungsgemäß erstellt wurden und die hierzu verwandten Rechnungslegungsgrundlagen im Einklang mit der Rechnungslegung des Emittenten sind. Mit Blick auf die mit der Aufnahme einer Gewinnprognose verbundenen Haftungsfragen und die für den Prüferbericht entstehenden zusätzlichen Kosten wird in der Praxis in der Regel von der Aufnahme von Prognosen in den Wertpapierprospekt abgesehen. Zu beachten ist jedoch, dass Gewinnprognosen dann auch nicht im Rahmen der Vermarktung der Aktien außerhalb des Prospektes seitens des Emittenten angegeben werden dürfen. Abhängig von der Frage, welche Rechnungslegungsanforderungen (IFRS/HGB) und welche Zulassungsfolgepflichten das Fintech-Start-up erfüllen kann, ist das Börsensegment zu wählen. Zur Auswahl stehen grundsätzlich der regulierte Markt in den Transparenzabstufungen Prime und General Standard sowie der Freiverkehr, dort insbesondere die Segmente Entry Standard in Frankfurt oder der m:access in München. Wahl des BörsensegmentsDie Börsensegmente stellen unterschiedliche Anforderungen etwa an das Mindestbestehen und Mindestkapital von Emittenten (mindestens 750 000 Euro im Entry Standard, mindestens 1,25 Mill. Euro im regulierten Markt), Streubesitzanforderungen (mindestens 10 % im Entry Standard, mindestens 25 % im regulierten Markt) und die Anzahl der Aktionäre, wobei teilweise Ausnahmen zugelassen werden.Unterschiede bestehen ferner hinsichtlich des Zeitraums, in dem der Jahresabschluss und Zwischenberichte zu veröffentlichen sind. Weitere Unterschiede zwischen den regulierten Märkten und dem Freiverkehr liegen etwa darin, dass im Freiverkehr keine Stimmrechtsmitteilungspflichten gelten und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz keine Anwendung findet.—-Michael Neises, Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Frankfurt am Main