Wozu eine freiwillige Einlagensicherung?
Deutsche Banken sind nicht die feurigsten Anhänger einer Vergemeinschaftung der gesetzlichen Einlagensicherung in der EU. Zu Recht fordern sie angemessene Transparenz, Fortschritte beim Risikoabbau und eine saubere Zuordnung von Erfolg, Risiko und Haftung, bevor ein weiterer Umverteilungsmechanismus die Welt beglückt. Wahrhaft mäzenatisch aber wirken die großen privaten Adressen Commerzbank, Deutsche Bank, HypoVereinsbank (HVB) und ING, als die wichtigsten Beitragszahler der freiwilligen Einlagensicherung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), ungeachtet erster Reformen im Oktober 2017. Nach unseren Schätzungen belastet die Insolvenz der Greensill Bank jede von ihnen in den nächsten Jahren mit zusätzlich etwa 0,3 Mrd. Euro.
Welchen handfesten betriebswirtschaftlichen Nutzen haben diese vier Banken aus ihrer Mitgliedschaft in der freiwilligen Einlagensicherung, welchen ihre Aktionäre und institutionellen Gläubiger? Kundenberater von Commerzbank, Deutsche Bank, HVB und ING versuchen, ihre Kunden von der Unverzichtbarkeit von Negativzinsen zu überzeugen. Die IT der vier Banken ringt um Investitionsbudgets, während dank ihrer tätigen Mithilfe Plattformen gedeihen und den Wettbewerb weiter anheizen. Ihre M&A-Teams kalkulieren mühsam, welche (Dis-)Investitionen sich ihre Bank leisten will und kann. Ihre Kundenbetreuer kämpfen bei Automobilherstellern um Kreditmarge und Cross Selling, während sie gleichzeitig die Passivseite der Hersteller-Banken subventionieren. Opportunistische Finanzinvestoren erhalten dank freiwilliger Einlagensicherung (zu) billige Passiva und finanzieren international spekulative Portefeuilles und Kunden, die ihre eigenen Risiko- und Renditevorstellungen nicht mehr erfüllen.
Auffällige Greensill-BIlanz
Den mehrheitlich nicht verwöhnten Aktionären droht die lang ersehnte Dividende zwischen den Fingern zu zerrinnen. Und dennoch zahlen Commerzbank, Deutsche Bank, HVB und ING jetzt mehr für die tote Greensill Bank, als sie jemals für die lebendige bezahlt hätten.
Nach einem mickrigen Betrag für 2017 wies die Bilanz der Greensill Bank für 2018 Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten von null Euro auf. In der Bilanz 2019 fehlte dieser Passivposten vollkommen – für eine Bank sehr ungewöhnlich. Entweder haben die für Gegenparteirisiken verantwortlichen Mitarbeiter der Banken gute Arbeit geleistet und Gehör gefunden. Oder die Vorstände der Banken haben aus anderen Gründen der Greensill Bank Kredit verweigert. Beides verdiente Anerkennung. Oder die Greensill Bank wollte von sich aus weder bei Geschäftsbanken noch bei der EZB Geld aufnehmen. Welche Deutung auch zutrifft: Selbst für ungeübte Bilanzleser gab es Grund genug für Misstrauen.
Die vier großen Beitragszahler verweisen auf Reputationsaspekte und, vereinzelt, auf frühere Vorteile bei der Markteroberung. Angesichts der Einlagenflut und des zunehmend erbittert geführten Abwehrkampfes dagegen überzeugen diese Argumente nicht. Als unabhängige Kreditanalysten sehen wir für Commerzbank, Deutsche Bank, HVB und ING weder einen greifbaren Vorteil aus ihrer Mitgliedschaft in der freiwilligen Einlagensicherung noch einen betriebswirtschaftlich relevanten Nachteil im Falle ihres Ausscheidens.
Lunch für Hasardeure
Wenn ihre Geschäftsmodelle so überzeugend, ihre Vorstände, Aufsichtsräte und Gesellschafter so verantwortungsvoll sind und ihre Finanzlage so robust ist, wie es die allermeisten Banken wohl für sich in Anspruch nehmen: Wozu braucht es dann eine freiwillige Einlagensicherung? Und wenn es an diesen Punkten hapert, gibt es für die vier Großbanken erst recht keine Rechtfertigung, gehören sie doch regelmäßig zu den Zahlern, die Opportunisten, Hasardeuren und Pechvögeln quasi einen kostenlosen Lunch anbieten.
Ökonomisch lässt sich kaum begründen, warum man für Deutschland eine freiwillige Einlagenabsicherung für unverzichtbar hält. Offensichtlich kommen reiche wie arme Volkswirtschaften in Europa und Nordamerika ohne solch ein System aus. Der Zugang zu institutionellen und privaten Einlagen scheint den privatrechtlich verfassten Banken dieser Märkte auch ohne gemeinsame Sterbekasse gut zu gelingen.
Valide Gründe wären allenfalls Informationsasymmetrien und negative externe Effekte, die über die von der gesetzlichen Einlagensicherung adressierten Probleme hinausgingen. Vielleicht hält der BdB deutsche Sparer für weniger clever und daher für schutzbedürftiger als etwa Finnen oder Griechen. Guter marktwirtschaftlicher Gepflogenheit entspräche es, erst Marktunvollkommenheiten zu beheben, bevor man die Sozialisierung von Lasten propagiert.
Zeit wäre es, den berechtigten Interessen von Gläubigern Gehör zu schenken. So ist es ist so wahr wie peinlich, dass deutsche Banken Jahresabschlüsse veröffentlichen können, die keine aussagekräftige Information über ihr größtes Risiko, die Qualität ihrer Kredit- und Wertpapierbestände, bietet. Gestaltungen, wie sie etwa in Hamburger Bankgesellschafterkreisen goutiert werden, verhöhnen die Berichterstattung über verbundene Parteien und das Finanzholding-Konzept. Jahresabschlüsse, die erst im zweiten Halbjahr vorgelegt werden, mögen das Bedürfnis der Banken nach Diskretion stillen, lassen aber Respekt vor den Gläubigern vermissen und die Banken im internationalen Vergleich alt aussehen.