IM GESPRÄCH: BERND WITTKAMP

"Yomo-Lerneffekte sind nicht verloren"

Der Star-Finanz-Chef über Pläne für die Sparkassen-App und über die Relevanz des Sparkassen Innovation Hub

"Yomo-Lerneffekte sind nicht verloren"

Die Relevanz des S-Hub für die Sparkassengruppe sei hoch, und sie verändere sich, sagt Bernd Wittkamp im Gespräch. Der Chef des Finanzsoftware-Entwicklers Star Finanz äußert sich zur Rolle der Denkfabrik und erläutert auch Pläne nach dem gescheiterten Projekt für ein Smartphone-Konto der Sparkassen.Von Carsten Steevens, HamburgGut drei Jahre nach dem Start im Zuge einer Initiative des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), des Deutschen Sparkassenverlages (DSV), des IT-Dienstleisters Finanz Informatik (FI) und dessen Tochter Star Finanz spürt der Sparkassen Innovation Hub (S-Hub) als Denkfabrik für digitale Lösungen und zentrale Anlaufstelle für Fintechs innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe Rückenwind. “Dass sich nun aus dem Markt heraus nicht nur die Sparkassen, die FI, der DSV und der DSGV dem S-Hub anvertrauen, sondern dass auch die Versicherer uns beauftragt haben, über ihre Themen und Arbeitsweisen nachzudenken, zeigt uns, dass das, was wir in den letzten drei Jahren getan haben, ein für andere nachahmenswertes Projekt ist”, sagt Bernd Wittkamp, Vorsitzender der Star-Finanz-Geschäftsführung, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Nach der im Frühjahr vereinbarten Kooperation mit der Berliner Start-up-Firma ID-Fabrik, die von den öffentlichen Versicherern Sparkassenversicherung, Provinzial und Versicherungskammer Bayern getragen wird, spreche man, so Wittkamp, “mit weiteren Säulen der Sparkassen-Finanzgruppe, die sich ebenfalls mit dem Gedanken beschäftigen, ihre Geschäftsthemen durch den S-Hub betrachten zu lassen oder neu zu denken”. Um wen es sich dabei handelt, will der seit 2000 amtierende Chef des Finanzsoftware-Entwicklers aus Hamburg nicht sagen. Doch mit Blick auf Verbundunternehmen wie die Landesbausparkassen, die Deutsche Leasing oder auch die Deka fügt der 55-Jährige hinzu, er könne sich “gut vorstellen, dass der S-Hub in drei bis fünf Jahren für weitere Entitäten der Sparkassen-Finanzgruppe tätig sein wird”. “Anwalt-des-Kunden-Fabrik”Der Star-Finanz-Chef unterstreicht, inzwischen landeten immer mehr Themen beim S-Hub, “bei denen wir gebeten werden zu überlegen, wie diese Produkte kundenzentrierter ausgerichtet und einfacher gestaltet werden können, damit der Kunde mehr Spaß beim Nutzen hat”. Der S-Hub sei “eine Art Denkfabrik oder eine Anwalt-des-Kunden-Fabrik, die versucht, bestehende Produkte hübscher zu machen”.Dem S-Hub, der zur Star Finanz mit aktuell rund 290 Mitarbeitern gehört, bescheinigt der gebürtige Kölner eine bereits hohe Relevanz für die Finanzgruppe. 60 % der Ideen aus dem S-Hub würden umgesetzt. “Mit dem bisher Erreichten beim S-Hub bin ich sehr zufrieden.”In den ersten Monaten der Coronakrise standen für den S-Hub Themen aus dem Bereich Firmen- und Gewerbekunden im Vordergrund. Die Verunsicherung bei vielen dieser Kunden sei nach wie vor hoch, sagt Wittkamp. Inzwischen beträfen aber etwa 30 % der Themen den Privatkundenbereich. Wittkamp verweist auf das in diesem Jahr lancierte Produkt “GiroExpress”, um Neukontoeröffnungen zu erleichtern. Es habe einen Prozess gegeben, den der S-Hub so optimiert habe, dass er nun mit Vorteilen beim Kunden ankommen könne. “Wir sprechen hier nicht von einer Riesen-Innovation, aber es zeigt, dass die Sparkassen-Finanzgruppe in der Lage ist, kundenorientiert Produkte zu verbessern.”Der Star-Finanz-Chef erklärt weiter, “GiroExpress” sei “im weitesten Sinne eine Art Abfallprodukt aus den Yomo-Überlegungen”. Das 2016 von Sparkassen initiierte Vorhaben, dem Berliner Finanz-Start-up N26 und anderen sogenannten Challenger-Banken mit einem eigenen Smartphone-Konto der Sparkassen zu begegnen, war vor einigen Monaten fallengelassen worden. Yomo, kurz für “Your money”, habe die Finanzgruppe, so Wittkamp, “eine Menge Geld gekostet, aber die Lerneffekte sind nicht verloren gegangen, sondern finden sich in anderen Projekten und Entwicklungen wieder”.Ideen aus dem kundenzentrierten Ansatz von Yomo würden jetzt überführt in Standardanwendungen der Sparkassen. “Wir nehmen die Lerneffekte aus zwei Jahren Yomo mit und nutzen sie für Bestandsprodukte”, so der Star-Finanz-Chef. Sie kämen auch der Sparkassen-App zugute. “Der Prozess, der vorgesehen war für Yomo, steht in Kürze allen Sparkassen in den Sparkassen-Apps zur Verfügung, viele Anwendungen im Kontext von Yomo werden sich im Kontext der Sparkassen-App wiederfinden.” Erfahrungen aus dem Yomo-Projekt seien auch im Apple-Pay-Projekt gemündet. Die Sparkassen wollen laut DSGV noch in diesem Sommer die an ihre Kunden ausgegebene Girocard für das Bezahlverfahren Apple Pay freischalten.Wittkamp betont, wichtig sei, dass die Sparkassenorganisation “als Gruppe ganzheitlichere Produkte bieten” und “aus einem Guss arbeiten” könne. Die Wettbewerbsfähigkeit dürfe nicht an Schnittstellen der User Experience scheitern. Letztlich hänge alles am Girokonto und an wesentlichen Informationen, um den Kunden einen ganzheitlichen Ansatz zu bieten: “Es geht den Nutzern um Convenience.” Für den Star-Finanz-Chef ist klar: Diejenigen, die es schaffen, solche Angebote möglichst komfortabel für Kunden bereitzustellen, werden höhere Erträge, eine höhere Kundenbindung und höhere Kundenzufriedenheit erzielen. “Hybris handelnder Personen”Mit Blick auf App-Qualität und -Funktionen sowie andere Dienstleistungen im klassischen Privat- und Firmenkundengeschäft fordert Wittkamp, die deutsche Kreditwirtschaft müsse sich ernsthaft Gedanken über eine enge Zusammenarbeit auf diesem Gebiet machen. “Wir müssen uns die Frage stellen, ob es eine zentrale technische Infrastruktur gibt, die eher Commodity abbildet, um dann die Veredelung individuell zu machen, im Design etwa.” Die große Herausforderung werde auf diesem Feld aus Amerika kommen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich die großen IT-Konzerne, weil sie in ihren klassischen Geschäften weniger stark wachsen als früher, hier massiv engagieren werden. “Dass es bislang bei der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zwischen den drei großen Institutsgruppen hapert, hat aus meiner Sicht mit der Hybris handelnder Personen zu tun, mit mangelnder Fähigkeit, die Gefahr für das eigene Geschäft zu erkennen und daraus Schlüsse zu ziehen.”