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Yomo - oder die Frage, wie viel Zukunft Sparkassen zulassen

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 13.7.2017 Reichlich ein Jahr ist es her, dass der Berliner Sparkassen-Chef Johannes Evers glänzende Augen bekam, als er erstmals von Yomo berichtete. Mit dem neuen Mobile-only-Girokonto - abgeleitet von Your...

Yomo - oder die Frage, wie viel Zukunft Sparkassen zulassen

Von Ulli Gericke, BerlinReichlich ein Jahr ist es her, dass der Berliner Sparkassen-Chef Johannes Evers glänzende Augen bekam, als er erstmals von Yomo berichtete. Mit dem neuen Mobile-only-Girokonto – abgeleitet von Your Money – wollen Sparkassen jungen Menschen, die ansonsten eher einen Bogen um die behäbigen “Roten” machen, eine Alternative bieten zu N 26, der Smartphone-Bank. Der Start solle schon bald stattfinden, immerhin habe er schon eine Testversion des neuen Kontos (vgl. BZ vom 3.6.2016). Seitdem hat N 26 100 000 Kunden hinzugewonnen, während die Sparkassen immer noch an Yomo basteln. Die glänzenden Augen der Beteiligten wurden derweil trübe, die Kommentare in den zehn Sparkassen, die die Yomo-App bauen, immer gereizter. Und weil so gar nichts weitergeht, hat die 1822direkt, die Direktbanktochter der Frankfurter Sparkasse, inzwischen heimlich, still und leise mit 1822Mobile ein eigenes App-basiertes Girokonto gestartet – zur großen Überraschung der gesamten Sparkassen-Familie und zum Ärger der Yomo-Entwickler, die den Start ihres Babys inzwischen auf das Frühjahr 2018 festgelegt haben. Knapp zwei Jahre nach dem ursprünglich angepeilten Termin.Was aber kann die kleine 1822, was die zehn Yomo-Eltern – darunter sieben der zehn größten Sparkassen hierzulande – nicht können? Sicher, es gibt noch technische Probleme bei der von der Finanzinformatik(FI)-Tochter Starfinanz entwickelten App und das eine oder andere Feature fehlt noch. Doch das ist üblich bei Neuheiten und wächst sich aus und auch N 26 ist nicht an einem Tag erbaut worden. Primär verantwortlich für die schier endlosen Verzögerungen sind nicht Technik-, sondern Organisationsfragen – wie es in den Genen der dezentralen S-Finanzgruppe nun einmal eingebrannt ist. Bunt und kostenlosEntsprechend beschäftigt die Regionalverbände und die Organisation als Ganzes derzeit mehr, wie das Regionalprinzip beim virtuellen Online-Konto gewahrt werden kann, als die Frage, wie “digital natives” zu den Sparkassen geholt werden können. Genauso umstritten ist die Frage, ob die Sparkassen-Gruppe mit ihrem geschützten Rotton HKS 13 eine regenbogenfarbene Zweitmarke verträgt. Und zu allem Überfluss ist das Yomo-Konto in seiner Basisversion auch noch kostenlos – wo doch Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), angesichts Null- und Negativzinsen der Kostenloskultur den Kampf angesagt hatte. Ungeheuerlich für die Organisation ist auch die Vorgehensweise: Anders als bisher bei Sparkassens wurde die Smartphone-App nicht nach langen Diskussionen zentral beschlossen, erarbeitet und tausend Mal getestet, bis das neue Produkt nach langer Reifezeit das Licht der Welt erblickt. Yomo wurde dezentral von zehn Sparkassen entwickelt (Berlin, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Esslingen-Nürtingen, Hamburg, Köln, Köln/Bonn, München und Paderborn-Detmold); der DSGV begnügt sich damit, “die Initiative der initiierenden Sparkassen ausdrücklich” zu begrüßen, ist in einer Imagebroschüre zu lesen.Wobei diese ausdrückliche Unterstützung strategisch flexibel gehandhabt wird, berichten Beteiligte. So habe Fahrenschon zwischenzeitig sein Plädoyer für Yomo zurückgestellt, wohl um die häufig skeptischen kleinen und mittleren Sparkassen nicht zu provozieren. Nachdem ihn die Verbandsvorsteher vor gut Wochenfrist zur Wiederwahl vorgeschlagen haben, sei seine Unterstützung dann wieder aufgeblüht. Nicht wenige der Yomo-Entwickler hätten sich hin und wieder ein Machtwort gegen das “permanente Vertagen” gewünscht, heißt es in der Gruppe. Das Internet geht vorbeiAllem offenen und versteckten Widerstand zum Trotz ist Yomo seit Ende Juni in einer erweiterten Testphase mit 10 000 zugelassenen Kunden, die mit dem Hochlaufen der Systeme sukzessive ihr Konto eröffnen können. Wie im Netz üblich dauert dies per Videolegitimation nur wenige Minuten. Es gibt keine Grundgebühr (weil andernfalls das Bundeskartellamt wegen vermuteter Preisabsprachen eingeschritten wäre), Bargeld kann kostenfrei an Sparkassen-Automaten gezogen werden, das Konto wird mit den üblichen strengen Sicherheitsstandards bei einer Sparkasse geführt, die der Kunde bei der Eröffnung selber auswählt. Ab spätestens März soll die App allen 390 Sparkassen hierzulande angeboten werden. Und das – wenn es denn klappt – sogar kostenlos: Denn Ziel ist, Yomo in das Standardangebot der FI einzubeziehen, wie es auch bei der Sparkassen-App der Fall ist. Beteiligte berichten, der “unrote”, farbenfrohe Auftritt und das durchgängige Duzen kämen gut an, das Interesse und der Ansturm auf das neue Konto seien überraschend groß. Ist also doch noch alles gut geworden?Erstkunden berichten, dass die App auf iPhones stabil laufe, es aber bei Android-Geräten bis heute ziemliche Probleme gebe. Zudem fehlen noch wichtige Funktionalitäten, wie das Einrichten von Daueraufträgen. Beides ist lösbar – wenn die Starfinanz bzw. die Mutter FI denn will. Doch hier beobachten die Yomo-Macher, dass die Finanzinformatik immer wieder anderes zu tun hat und sich allzu oft querstelle. Als Ursache wird vermutet, dass bei der FI jede Sparkasse eine Stimme hat, womit die Kleinen, die Bewahrer, die auf dem Land noch jeden ihrer Kunden kennen, eine Mehrheit haben. Insgesamt beziffern die Yomo-Verfechter den Anteil derer, die mitmachen wollen, auf etwa die Hälfte aller Sparkassen. Ein Viertel wägt und diskutiert noch. Das restliche Viertel hofft, das Internet gehe vielleicht ja wieder vorbei. Was brauchen wir dann Yomo?Doch ob nun alle mitmachen oder auch nicht, ob die Obleute, die Regionalverbände oder der Vertriebsausschuss zustimmen, ist letztlich egal: Zumindest die zehn Sparkassen werden an Yomo festhalten und einige Dutzend andere werden das mobile Girokonto einführen – im Netz kann keiner blockieren. Und auch die Art und Weise der Zusammenarbeit, wo Abteilungsleiter neben Vorständen und Experten nach einer Lösung suchen, werde die Organisation nachhaltig verändern, sind sich die Beteiligten sicher. Das Internet mag vergehen, der Wandel in der Organisation ist nicht mehr aufzuhalten.