Zahlungsdienste machen Kreditwirtschaft nervös

Banken fürchten neue Wege der Geldtransfers mehr als Kreditplattformen und Robo-Advisors - Niedrigzins schreckt kaum noch auf

Zahlungsdienste machen Kreditwirtschaft nervös

jsc Frankfurt – Der Aufstieg internetbasierter Zahlungssysteme sorgt in der Kreditwirtschaft für Unruhe: Drei von vier Geldhäusern in Deutschland sehen in den Online-Zahlungsdiensten eine Bedrohung für das Geschäft der Branche, zeigt eine Umfrage der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Auch digitale Marktplätze sowie das Prinzip der Datenoffenheit (Open Banking) im Zuge der EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 ist aus Sicht von mehr als jeder zweiten Bank oder Sparkasse ein Problem. Während die neuen Technologien laut EY “in der Vergangenheit keinen allzu hohen Stellenwert in den Führungsetagen deutscher Banken” hatten, fühlen sich etablierte Institute demnach mittlerweile durch neue Technik und durch Markteinsteiger bedroht. EY hatte im September und Oktober Führungskräfte aus 127 deutschen Banken und Sparkassen befragt.Die Angst der Branche spiegelt dabei ungefähr die derzeitigen Marktverhältnisse wider: Zwar haben Kreditplattformen wie Auxmoney und Creditshelf, die Anleger und Kreditnehmer direkt zusammenführen, bereits viel Aufmerksamkeit erfahren, doch befinden sie sich weiter in einer Nische. Ähnliches gilt für digitale Vermögensverwalter wie Scalable Capital oder Quirion, die eine Alternative zur provisionsbasierten Wertpapierberatung der Kreditwirtschaft bieten wollen, doch vergleichsweise wenige Privatleute erreichen. Kreditplattformen (Direct Lending) und digitale Vermögensverwalter (Robo-Advisors) werden denn auch nur von einer Minderheit als Bedrohung gesehen.Kryptowährungen sind für die Branche trotz der Gedankenspiele von Notenbanken zu digitalem Zentralbankgeld und des Libra-Projekts von Facebook bisher noch Zukunftsmusik und werden ebenfalls nur selten als Bedrohung empfunden. Online-Zahlungssysteme haben sich mit dem Aufstieg von Unternehmen wie Paypal, Adyen und Wirecard hingegen längst als bankenunabhängige Konkurrenten etabliert – der Zahlungsdienstleister Paydirekt als gemeinsamer Anbieter der deutschen Kreditwirtschaft kam bisher kaum vom Fleck.Jeweils mehr als die Hälfte der Befragten erwartet, dass die Wettbewerbsvorteile der Kreditwirtschaft rund um Kundenbindung, Daten und Produktvielfalt beeinträchtigt werden. Um Know-how zur Digitalisierung in einer Bank bis in die Führungsspitze hinein zu etablieren, sei ein “Kulturwandel” nötig, betont EY-Managing-Partner Thomas Griess. Um eine Digitalisierung zu finanzieren, hoffen vier von fünf Banken und Sparkassen auf höhere Erträge aus dem Provisionsgeschäft. Auch das Filialnetz und die Personalkosten sollen vielerorts beschnitten werden.Auf die Niedrigzinsphase blickt die Branche derweil weniger besorgt: Sechs von sieben Befragten halten das Geschäftsmodell des eigenen Instituts trotz niedriger Zinsen für tragfähig, und nur eine kleine Minderheit sieht eine “starke” Verschlechterung der Gesamtkapitalrentabilität seit 2009. Derweil bleibt das Risiko einer Zinswende in den Köpfen der Führungskräfte präsent: Zwei Drittel sehen ein “mittleres” oder sogar “hohes” Risiko für das Kreditbuch.Zwar erkennt EY “wenig Begeisterung für Fusionen”, doch die Bereitschaft ist vielerorts vorhanden: 11 % denken “sicher” über einen Zusammenschluss nach, weitere 27 % sehen hier “vielleicht” eine Option. Zwei Drittel der Befragten stammen aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe, wo Fusionen häufig sind.Zur Bedrohung durch Direktbanken haben die EY-Experten keine Antwortmöglichkeit vorgesehen. Die Online-Institute haben traditionellen Häusern schon vor der Jahrtausendwende Geschäft abgenommen und sind längst etabliert. Der Begriff der Fintechs hat sich hingegen erst vor wenigen Jahren durchgesetzt.