Zertifikatebranche schwenkt um

Weniger Kapitalschutz-Produkte, mehr Aktienanleihen und Express-Papiere - Streit mit Finanzaufsicht

Zertifikatebranche schwenkt um

Weil Sparer zu Zertifikaten ohne Kapitalgarantie greifen, kommt die Branche vergleichsweise gut durch das erste Halbjahr. Das drohende Aus für Bonitätsanleihen trübt die Perspektive jedoch.jsc Frankfurt – Die Zertifikatebranche schwenkt im Neugeschäft um: Waren in der Vergangenheit insbesondere Kapitalschutz-Instrumente gefragt, verkaufen die führenden Anbieter zunehmend riskantere Papiere, wie der Deutsche Derivate Verband (DDV) berichtet. Unterm Strich sank der Bestand der 16 Mitgliedsbanken im ersten Halbjahr um 0,6 Mrd. Euro auf 62,5 Mrd. Euro. Strukturierte Anleihen und Kapitalschutz-Zertifikate, die einen Werterhalt garantieren und folglich geringe Renditen in Aussicht stellen, haben im ersten Halbjahr um 3,1 Mrd. Euro auf 26,2 Mrd. Euro nachgegeben.Aktien- und Bonitätsanleihen, Express- und Discount-Zertifikate, die allesamt keinen vollständigen Schutz bieten, wuchsen hingegen um insgesamt 3,2 Mrd. auf 27,5 Mrd. Euro an. Auch das Neugeschäft mit Express- und Bonus-Zertifikaten stieg leicht an, obwohl das Volumen emittierter Papiere im Vergleich zum Vorjahr bis Ende Juli um 8 % abfiel, wie der Verband ohne Angabe weiterer Daten schreibt. Gewichte verschieben sichDie erfassten Zertifikate sind insbesondere für den Retail-Vertrieb an private Sparer bestimmt. Sie konkurrieren dabei, je nach Produkttyp, auch mit gewöhnlichen Fonds. Die DekaBank hatte in der zurückliegenden Woche über ein deutlich rückläufiges Neugeschäft mit Wertpapierfonds an private Sparer im ersten Halbjahr berichtet, während sie den Absatz von Retail-Zertifikaten deutlich erhöht hat. Auch insgesamt haben Publikumsfonds zuletzt nur noch ein geringes Neugeschäft erzielt. Unklar ist, ob sich das Gewicht künftig wieder zugunsten der Zertifikate verschiebt, deren Volumen sich seit 2007 von damals insgesamt 139 Mrd. Euro mehr als halbiert hat, während der Bestand an Publikumsfonds laut Branchenverband BVI seither auf heute 869 Mrd. Euro um rund ein Fünftel zulegte.Im Unterschied zu Fonds orientieren sich Zertifikate oft an Einzelwerten und definieren genaue Regeln für bestimmte Marktphasen. So fangen Express-Zertifikate Verluste bis zu einer bestimmten Höhe auf, während Aktienanleihen mit einem Zinsbetrag verknüpft sind und Discount-Zertifikate insbesondere einen Abschlag auf den Basiswert vorsehen, umgekehrt aber auch Verluste abfedern. Produkte mit Kapitalschutz können zum Beispiel als Zertifikat mit Stufenzins konzipiert sein.Die DZ Bank bedient dabei die Kreditgenossen, während die DekaBank die Sparkassen bestückt und die LBBW darüber hinaus auch die zugehörige BW-Bank. Im Segment der Privatbanken kommen neben der Deutschen Bank auch die HypoVereinsbank und Commerzbank mit 9,0 % und 7,3 % auf höhere Marktanteile. Im Vertrieb zahlen die Anbieter ähnlich wie bei Fonds häufig Provisionen an die vermittelnde Bank. Die Zertifikate-Anbieter selbst kalkulieren darüber hinaus mit einer Emittentenmarge, die Branchenschätzungen zufolge über alle Kategorien hinweg 0,36 % ausmacht. Die vergleichsweise sicheren strukturierten Anleihen liegen mit 0,14 % am unteren Ende der Spanne, Aktienanleihen und Express-Zertifikate erreichen 0,65 und 0,66 %. Optionsscheine aus der Familie der riskanten Hebelprodukte erreichen einen Wert von fast 2 %. Verband droht BaFinFür Aufsehen sorgt derzeit die Finanzaufsicht BaFin, die Ende Juli ein Vertriebsverbot für Bonitätsanleihen in die Wege leitete. Bis Freitag kann sich die Branche äußern. Betroffen wären insbesondere LBBW und DekaBank, die zusammen gut drei Viertel des 6,3 Mrd. Euro schweren Segments steuern. Die Aufseher sehen die emittierenden Banken vor einem Interessenkonflikt, halten den Begriff “Anleihe” für irreführend und die Risiken für Anleger für schwer kalkulierbar. Bonitätsanleihen beziehen sich auf Kredit- oder Bonitätsrisiko eines Referenzschuldners, etwa eines Unternehmens.Zeigte sich die Branche von dem Vorstoß der BaFin zunächst überrascht, droht sie nun kurz vor Ablauf der Frist mit einer Klage. “Die beabsichtigte Allgemeinverfügung wäre in der vorliegenden Form unseres Erachtens klar rechtswidrig”, teilt Verbandsgeschäftsführer Christian Vollmuth in einer E-Mail mit. Sollte die BaFin an ihren Vorschlägen unverändert festhalten, “werden wir unseren Mitgliedern raten müssen, das Vorgehen der BaFin verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen”. Eine Eskalation würde der Verband allerdings bedauern, wie er festhält.