Zinsänderungsrisiken im Griff behalten

Duration und Kreditrisiko von Fixed-Income-Portfolios systematisch steuern - Geldpolitische Unterschiede schlagen auf Anleihemärkte durch

Zinsänderungsrisiken im Griff behalten

Europas Wirtschaft kämpft mit Gegenwind: Die Inflation in der Eurozone lag nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat im Dezember 2014 mit – 0,2 % im negativen Bereich. Und die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) lediglich um 0,8 %. Für 2015 prognostiziert der IWF ein Wachstum von 1,2 %. Angesichts dieser Zahlen fürchten inzwischen viele Marktbeobachter eine länger andauernde Phase der Deflation.Kein Wunder, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zu immer drastischeren Mitteln greift, um die Inflationsrate wieder in die Nähe des angestrebten Niveaus von unter, aber nahe bei 2 % pro Jahr zu treiben und zugleich um jeden Preis ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern. Gerade erst gab die EZB bekannt, dass sie von März an bis ins Jahr 2016 hinein jeden Monat Staatsanleihen, Covered Bonds und Asset Backed Securities (ABS) im Wert von 60 Mrd. Euro aufkaufen will. Großer Kontrast zu den USADagegen die USA – der Kontrast zu Europa könnte kaum größer sein: Nach Jahren niedrigster Leitzinsen und innovativer geldpolitischer Maßnahmen brummt die Wirtschaft. 2014 wuchs das Bruttoinlandsprodukt nach IWF-Angaben um 2,4 %. Der IWF rechnet mit 3,6 % Wirtschaftswachstum. Die US-amerikanische Notenbank, die Federal Reserve (Fed), hat die Konsequenzen aus der Entwicklung gezogen, ihr Anleihenankaufprogramm (Quantitative Easing) beendet und Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Unübersichtliche LageKurz: Die Lage an den internationalen Anleihemärkten ist unübersichtlich wie selten zuvor – denn kaum jemals in den vergangenen zehn Jahren befanden sich die wichtigen Notenbanken der Industrieländer auf derart unterschiedlichem geldpolitischem Kurs: Während in den USA und auch in Großbritannien die Wende hin zu einer Normalisierung der Geldpolitik bereits vollzogen ist, scheint es, als fingen die Zentralbanken der Eurozone und auch Japans mit der Ausweitung ihrer Bilanzen gerade erst richtig an.Es liegt nahe, dass die wachsenden geldpolitischen Unterschiede auch auf die Anleihemärkte der unterschiedlichen Regionen durchschlagen – und dass sich die Renditen deutscher Bundesanleihen, US-Treasuries, britischer Gilts und anderer Staatsanleihen, die in den vergangenen Jahren im Grunde nur eine Richtung kannten (nach unten), zunehmend auseinanderentwickeln. Investoren stellt diese neue Unübersichtlichkeit vor eine große Herausforderung: Sie sind gefordert, in ihren Portfolios aktiv Zinsänderungsrisiken zu managen. Langläufer bringen es nochIn Europa etwa lassen sich infolge des Absinkens des Zinsniveaus nur noch mit länger laufenden Staatsanleihen überhaupt positive Renditen erzielen. Bei deutschen Bundesanleihen ist selbst die Rendite von Papieren mit fünfjähriger Restlaufzeit inzwischen in negatives Territorium gesunken. Wenn Investoren deswegen allerdings auf Anleihen mit längerer Laufzeit ausweichen, holen sie sich zugleich ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko ins Portfolio. Schließlich hängt dieses unmittelbar mit der Laufzeit zusammen: Je weiter in der Zukunft die Rückzahlung einer Anleihe liegt, desto stärker reagiert ihr Kurs auf Änderungen des Zinsniveaus am Markt.Wer auskömmliche Renditen erzielen will, ohne sein Portfolio gleichzeitig einem beträchtlichen Zinsänderungsrisiko auszusetzen, sollte daher nach Alternativen zu Staatsanleihen Ausschau halten – und sich dafür gezielt anderen Risikofaktoren aussetzen, um entsprechende Prämien zu vereinnahmen. Eine Möglichkeit für Investoren ist, durch den Kauf von Unternehmensanleihen das Kreditrisiko des Portfolios zu erhöhen, um bei gleicher Duration eine höhere Rendite oder bei geringerer Duration eine ähnliche Rendite zu erzielen. Blick auf die BonitätInvestoren sollten dabei abwägen, wie viel zusätzliches Kreditrisiko sie eingehen wollen. Schließlich ist die Vereinnahmung zusätzlicher Risikoprämien nur dann sinnvoll, wenn die damit verbundenen Zusatzrisiken nicht zu groß sind. So bieten etwa High-Yield-Unternehmensanleihen teils deutlich höhere Renditen als Investment-Grade-Anleihen, also Papiere, die von Ratingagenturen wie Moody’s Noten im Bereich zwischen “Aaa” und “Baa3” erhalten. Dafür ist die Kreditwürdigkeit der Emittenten von Hochzinsanleihen allerdings auch schlechter, und die Anleihen sind in der Regel weniger liquide, also schlechter handelbar. Daher ist fraglich, ob sie auch risikoadjustiert, unter Einbezug der zu erwartenden Ausfallquoten, überlegene Renditen bieten können. “Baa” bevorzugenDie Analysten von UBS CIO Wealth Management Research sind der Ansicht, dass dies derzeit eher nicht der Fall ist. Sie sehen das beste Risiko-Rendite-Verhältnis bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen – und hier speziell bei den eher niedrigen Investment-Grade-Ratings im Bereich des Moody’s-Ratings “Baa”. Wer Zins- und Kreditrisiken effektiv begrenzen und dennoch auskömmliche Renditen erzielen möchte, sollte also systematisch in Papiere aus diesem Bereich investieren. Sehr kosteneffizient lässt sich dies mit Exchange Traded Funds (ETF) umsetzen – beispielsweise mit solchen, die den Barclays Euro Area Liquid Corporates 1-5 Index oder den iBoxx EUR Liquid Corporates abbilden. Beide Indizes gewichten Anleihen mit niedrigeren Ratings im Vergleich zur Unternehmensanleihen-Benchmark “Barclays Euro-Aggregate: Corporates” relativ hoch. Beide sind zudem gut diversifiziert und enthalten ausschließlich liquide handelbare Titel.Darüber hinaus bieten ETF Anlegern mehrere konstruktionsbedingte Vorteile. So kann ihre Liquidität sogar höher sein als die der in ihnen enthaltenen Einzeltitel. Zudem bleibt ihr Profil in Bezug auf Zinsänderungsrisiken und Kreditrisiken dauerhaft relativ konstant, da die jeweils abgebildeten Indizes mit festen Regeln für die Laufzeiten und Ratings enthaltener Anleihen operieren. Dadurch entfällt außerdem das regelmäßige Rollen in neue Anleihen, das bei Direktinvestments Aufwand und Kosten verursacht. Auf die Balance achtenDiese Vorteile lassen sich zunehmend auch auf Anleihemärkten außerhalb des Euroraums nutzen, denn das Angebot an ETF auf US-Anleihen wächst stetig. Gerade in den USA sollten Investoren allerdings das Zinsänderungsrisiko besonders genau im Auge behalten. Schließlich deutete US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen zuletzt immer deutlicher an, dass demnächst eine erste Zinserhöhung bevorstehen könnte. Ein ETF, der über einen Index wie den Barclays US Liquid Corporates 1-5 in kurzlaufende Unternehmensanleihen investiert, dürfte daher für Investoren zunächst eine der attraktivsten Optionen sein, weil er Risiken und Renditechancen gut ausbalanciert.Dies ist, unabhängig von der konkreten Produktwahl, das wichtigste Prinzip beim Management von Zinsänderungsrisiken: Investoren sollten die entscheidenden Risikofaktoren gründlich analysieren und sich hinsichtlich Laufzeit, Kreditqualität sowie Liquidität systematisch so positionieren, dass ein zu ihren Anlagezielen und -bedürfnissen passendes Gleichgewicht entsteht. Dann behalten sie ihr Anleiheportfolio auch in einer unübersichtlicher werdenden Welt jederzeit unter Kontrolle.—Dag Rodewald, Leiter Vertrieb UBS ETF für Deutschland und Österreich