Zinsreform steht vor Verlängerung

EZB-Arbeitsgruppe macht sich für Frist per Ende 2021 stark - EU-Ratsvorsitz arbeitet an Einigung

Zinsreform steht vor Verlängerung

Die 2019 endende Frist für die Reform der Zins-Benchmark-Sätze Eonia und Euribor soll um zwei Jahre verlängert werden. Dies sieht ein Papier des EU-Ratsvorsitzes vor, dies empfiehlt zugleich eine von der Europäischen Zentralbank (EZB) einberufene Arbeitsgruppe von Vertretern privater Banken. bn Frankfurt – Die Reform der Zins-Benchmark-Sätze Eonia und Euribor soll in die Verlängerung gehen. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingesetzte Arbeitsgruppe aus Vertretern des privaten Sektors plädiert für eine bis Ende 2021 reichende Übergangsfrist für den Transfer von Papieren, die auf dem Übernachtsatz Eonia basieren, auf den vom Gremium favorisierten künftigen Tagesgeldsatz Ester. Derweil zeichnet sich auch im EU-Rat ein Kompromiss darüber ab, die Gültigkeit beider Benchmark-Sätze um zwei Jahre zu verlängern.Der Reform kommt immense Bedeutung zu. An den Eonia sind Derivatkontrakte im Volumen von 22 Bill. Euro gekoppelt, im Falle des Euribor sind es gar 109 Bill. Euro.Nach momentaner Lage stehen sowohl der Übernachtsatz als auch Euribor, die Benchmark für mehrmonatige Ausreichungen, Ende kommenden Jahres vor dem Aus, da dann beide nicht mehr den Anforderungen der EU-Benchmark-Richtlinie entsprechen werden. Im Lichte der Skandale um die Manipulation der Zinssätze sind die Anforderungen an diese Sätze strenger gefasst worden. Ihre Aussagekraft hat auch gelitten, weil sich die Banken in den vergangenen Jahren aus dem Kreise derer, die sich an der Kalkulation der Benchmarks beteiligten, sukzessive verabschiedet hatten, wie das Beispiel des Eonia zeigt (siehe Grafik). Mehrstufiges VerfahrenUm einen reibungslosen Übergang von Eonia auf Ester sicherzustellen, empfiehlt die bei der Notenbank angesiedelte Arbeitsgruppe dem für die Kalkulation von Eonia und Euribor zuständigen European Money Markets Institute (EMMI) nun ein Prozedere in mehreren Schritten: Zunächst soll EMMI den Eonia für eine befristete Zeitspanne in den Ester zuzüglich eines Spreads umformen und dabei so umgestalten, dass dieser Satz, um den Anforderungen der Ende 2019 in Kraft tretenden Benchmark-Richtlinie Genüge zu tun, auf tatsächlich getätigten Transaktionen und nicht auch auf Schätzungen basiert. Nachdem im Dialog mit den zuständigen Aufsichtsbehörden sichergestellt ist, dass Eonia in dieser Version den Anforderungen der Regulierung entspricht, soll EMMI die Beendigung der Veröffentlichung des Eonia-Satzes nach einer bis maximal Ende 2021 reichenden Übergangsfrist am Markt zur Konsultation stellen. In dieser Phase sollen Marktteilnehmer einen Übergang ihrer Eonia-Positionen auf Ester bewältigen. Die zweijährige Übergangsfrist entspreche den Schonfristen in anderen Rechtsgebieten, argumentiert die Arbeitsgruppe in einem am Donnerstag vorgelegten Bericht offenbar mit Blick auf Großbritannien, wo für die Reform des Zinssatzes Libor bereits eine zweijährige Übergangsphase vereinbart worden ist. Banken fordern AufschubDie Empfehlungen der Arbeitsgruppe für eine Verlängerung des Übergangs fallen zusammen mit entsprechenden Bemühungen in Brüssel. Dort fordert die Bankenlobby schon seit längerem eine Ausdehnung der Frist per Ende 2019 für die Reform. Wie nun aus einem Kompromissvorschlag des EU-Ratsvorsitzes hervorgeht, soll eine EU-Verordnung zu finanziellen Benchmarks zur Umsetzung grüner Anlagestrategien einen Passus erhalten, demzufolge als kritisch eingestufte Benchmarks wie Eonia und Euribor bis Ende 2021 weiterverwendet werden dürfen, und zwar sowohl in alten als auch in neuen Papieren. Dabei wird in den Erwägungsgründen ausdrücklich auf Risiken für die Finanzstabilität verwiesen: “Die Unterbrechung einer solchen kritischen Benchmark könnte Störungen sowohl für Anleger als auch für Konsumenten mit potenziell schweren Auswirkungen auf die Finanzstabilität nach sich ziehen”, heißt es.Bevor die Verlängerung der Reformfrist Realität wird, müssen sich indes nicht nur die nationalen Regierungen im Rat noch einigen, sondern auch das Parlament muss zustimmen. Allerdings sind auch dort bereits Rufe nach einer Verschiebung laut geworden. Ein Argument für den Aufschub: Die EZB berechnet den Satz Ester auf Basis der Meldungen von Banken für die geldpolitische Statistik bislang nur vorläufig und wird ihn erst im Oktober kommenden Jahres offiziell publizieren. Damit würde die Zeit für Banken, aber auch für EMMI, denkbar knapp, einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Die EZB drängt zur EileEinstweilen sind sowohl die EZB als auch die Arbeitsgruppe bemüht, den Veränderungsdruck auf die Branche aufrechtzuerhalten. “Die EZB nimmt Kenntnis von Diskussionen um eine Verlängerung der in der Benchmark-Verordnung gesetzten Frist”, teilt etwa die Notenbank mit. “Ungeachtet einer möglichen Ausdehnung ist es gleichwohl wichtig, dass die Marktteilnehmer mit ihren Vorbereitungen ohne Verzögerung fortfahren.”Die Einhaltung der Frist sei wesentlich, erklärte Steven van Rijswijk, Vorsitzender der bei der EZB angesiedelten Arbeitsgruppe und ING-Risikovorstand, am Mittwoch Journalisten. Über die sich abzeichnende Entscheidung für eine Verlängerung sei man natürlich sehr froh, ergänzte Jaap Kes, Head of Money Market & Funding and Interest Rate Management von ING. Man plane weiterhin sehr konservativ, benötige aber einen Puffer für den Fall, dass Marktteilnehmer beim Übergang auf den Ester hinter ihre Planung zurückfielen. In jedem Fall arbeite man weiterhin auf den Termin Ende 2019 hin.Wie van Rijswijk erklärte, ist sich das Gremium darüber im Klaren, dass die Arbeit mit einer Verschiebung noch lange nicht beendet ist. So hat die Arbeitsgruppe parallel zu ihrem Bericht zum Übergang von Eonia auf Ester eine Methodik zur Bestimmung einer auf Ester basierenden Zinsstrukturkurve als Rückfalloption für auf den Euribor lautende Kontrakte zur Konsultation gestellt. Wie das Gremium in einem 37 Seiten starken Bericht erläutert, hat sich eine Mehrheit seiner Mitglieder dabei für eine Methodik ausgesprochen, die eine solche Laufzeitenkurve auf Basis des Übernacht-Index-Swap-Marktes und nicht des Terminhandels entwickelt. Dies dürfte am ehesten zu realisieren sein, heißt es. Bewertungsprobleme drohenBevor sich eine solche Laufzeitenkurve entwickeln kann, muss sich freilich zunächst einmal ein liquider Markt für den Übernachtsatz Ester bilden. Beim Übergang vom alten Eonia auf den neuen Satz drohen nicht zuletzt Bewertungsprobleme, notiert die vorläufige Version des Ester im Mittel doch rund zehn Basispunkte niedriger als der Eonia (siehe Grafik). Damit der neue Satz Ester den Anforderungen der EU-Anforderungen an kritische Benchmarks genügt, muss allerdings auch für den künftigen Übernachtsatz eine Rückfalloption her. Diese zu entwickeln, sei einer der nächsten Aufgaben der Arbeitsgruppe, sagte ING-Banker Kes zur Wochenmitte.