Im InterviewAnthony Valvo

„Zinssenkungen werden für unser Geschäft förderlich sein"

Der amerikanische Wealth-Markt ist hart umkämpft – die Deutsche Bank will sich darin durch ihre Investmentboutique-ähnliche Struktur hervortun. Anthony Valvo, Chef der US-Privatbank des Geldhauses, rechnet sich insbesondere an der Westküste hohe Wachstumschancen aus.

„Zinssenkungen werden für unser Geschäft förderlich sein"

Im Interview: Anthony Valvo

„Wir wollen unseren Umsatz an der Westküste verdreifachen“

US-Private-Banking-Chef der Deutschen Bank rechnet mit Investitionen aus Frankfurt – Neue Konkurrenz durch Hedgefonds und Private Equity droht

Der amerikanische Wealth-Markt ist hart umkämpft – die Deutsche Bank will sich darin durch ihre Investmentboutique-ähnliche Struktur hervortun. Anthony Valvo, Chef der US-Privatbank des Geldhauses, rechnet sich insbesondere an der Westküste hohe Wachstumschancen aus.

Das Interview führte Alex Wehnert.

Herr Valvo, die Deutsche Bank hat ihre Ambitionen im amerikanischen Private Banking deutlich zum Ausdruck gebracht. Warum ist dieses Marktsegment so attraktiv für Sie?

Die USA sind der größte Wealth-Markt der Welt und der mit der höchsten Dichte an zugänglichen Milliardären. Die Deutsche Bank sieht zwar einzigartige Gelegenheiten in Europa, aber das Wachstumspotenzial im amerikanischen Private Banking ist nahezu ohnegleichen. Wir besitzen hier schon eine starke Bilanz. In den vergangenen vier Jahren haben wir jeweils Wachstumsraten im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich erzielt. Deshalb können wir auch davon ausgehen, dass die Bank weiter in den Ausbau unserer Kapazitäten in den USA investiert – das aber in wohlbemessener Geschwindigkeit, da wir unsere Struktur als Investmentboutique erhalten wollen.

Sie treffen dabei auf harte Konkurrenz: Große Assetmanager treten durch Übernahmen in das Geschäft ein und führende Banken rekrutieren im großen Stil Finanzberater, um ihre Kapazitäten auszubauen. Wie beeinflussen diese Entwicklungen Ihren Geschäftsausblick?

In meinen 20 Jahren im Private Banking hat es nie an Konkurrenz gemangelt – insbesondere um die Aufmerksamkeit von extrem vermögenden Kunden. Wir heben uns allerdings klar von der Konkurrenz ab, da wir nie auf derart große Marktanteile abgezielt haben. Unsere Basis fällt ganz anders aus, deshalb besitzen wir auch größeres Entwicklungspotenzial. Und wir finden starke Wachstumsnischen im Segment der extrem vermögenden Amerikaner, wo der Pool an potenziellen Kunden zwar kleiner ist, der Return pro Kopf aber höher.

Durch welche spezifischen Strategien wollen Sie sich denn bei extrem vermögenden Kunden von der Konkurrenz abheben und neue Klienten anziehen?

Unsere Strategie fußt auf einigen wichtigen Säulen. Wir werden wahrscheinlich einen Schwerpunkt darauf legen, an der Westküste zu expandieren als an der Ostküste. In New York verfügen wir bereits über eine sehr starke Stellung. In den vergangenen drei Jahren haben wir uns zudem auf den Südosten konzentriert, was sich für uns stark ausgezahlt hat. Die Vermögenszentren in den Vereinigten Staaten mögen nicht so stark konzentriert sein wie in Asien oder Europa, aber wir sehen dennoch großes Potenzial in Märkten wie Los Angeles und San Francisco. Unser Ziel ist es, den Umsatz aus dem Westküstengeschäft binnen fünf Jahren zu verdreifachen.

Bedeutet das, dass Sie die physische Präsenz in diesem Markt erweitern werden?

Es ist definitiv wichtig, vor Ort vertreten zu sein, um mit Kunden in Fühlung zu kommen. Wir bauen Büros aus, die ich gerne als „voll integriert“ bezeichne, die also sowohl stark mit Vertrieblern als auch Produktmanagern besetzt sind. Investoren und Bankkunden wollen einen Zugang zu qualitativ hochwertiger Beratung und Strategen in ihrem Heimatmarkt haben und zu Entscheidungen kommen können, ohne dafür notwendigerweise jemanden in New York oder Europa kontaktieren zu müssen. Wir haben uns in Florida an dieses Rezept gehalten und unsere Erlöse dort in rund drei Jahren verdreifacht, nun sind wir auf dem Weg zu einer Vervierfachung.

Was sind die anderen Säulen Ihrer US-Strategie?

Wir legen großen Wert auf unsere Unternehmenskultur und wollen Mitarbeiter einstellen, die dazu passen. Wir sind eine echte Boutique, eine Privatbank, die wie eine Investmentbank operiert. Das bedeutet, dass unsere Entscheidungsstruktur flach ist – ein hochrangiger Mitarbeiter wie unser Chief Investment Officer ist jederzeit für Kunden zugänglich und wird diese zu den Folgen aktueller Entwicklungen wie Zinssenkungen oder geopolitische Verwerfungen informieren können. Ein Modell wie unseres wäre für viele unserer Konkurrenten deutlich schwieriger umzusetzen, da sie sich um eine deutlich größere Gruppe an Finanzberatern und Kunden kümmern müssen.

Nehmen potenzielle Kunden in den USA die Deutsche Bank als ausländisches Institut anders wahr als einheimische Wettbewerber?

Die Deutsche Bank verfügt in den Vereinigten Staaten über eine etablierte Marke; wir machen hier seit Jahrzehnten Geschäfte. Unsere Corporate- und Investmentbank in den USA ist groß, besonders im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern, und die Übernahme von Bankers Trust in den späten 1990er Jahren hat den Wiedererkennungswert des Namens im Private Banking noch erhöht. Wir profitieren außerdem vom Interesse europäischer Kunden, die in den USA investieren wollen, da wir diesen zugeschnittene Lösungen bieten können. Überdies sind wir die einzige europäische Privatbank im Markt, die hoch strukturierte Lending-Transaktionen auflegt, was uns ebenfalls von der Konkurrenz abhebt.

Sie haben zuletzt gesagt, dass die Krise unter US-Regionalbanken es für die Deutsche Bank einfacher gemacht hat, mit neuen Kunden in Kontakt zu kommen. Warum ist das so?

Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 lagen die Wurzeln des Regionalbankenkollaps nicht in Solvenzproblemen oder einer Kettenreaktion im Investment Banking, sondern in Sorgen bezüglich der Liquidität und der Qualität von Einlagen. Uns ist aufgefallen, dass viele vermögende Familien und Family Offices in diesem Umfeld mit einem Partner arbeiten wollten, der seine Depositenbasis außerhalb der USA hat. Unser großes Retail-Netzwerk in Deutschland und Europa hat Kunden mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis in dieser Phase angesprochen.

US-Regionalbanken und selbst größere Wettbewerber beginnen, mit den Folgen der jüngsten Fed-Zinssenkung zu ringen. Wie beeinflusst das Ende der restriktiven Geldpolitik Ihren Ausblick für das Private Banking in den USA?

Der absolute Großteil unserer Kunden besitzt ein Vermögen von über 100 Mill. Dollar und arbeitet aktiv daran, dieses auszubauen. Diese Marktteilnehmer nehmen im großen Stil Kredite auf, um ihr Eigenkapital zu flankieren und ihre Investitionen zu finanzieren. Wir interagieren sowohl auf der Lending-Seite als auch bei Investments und im Liquiditätsmanagement mit ihnen. Da die Kapitalkosten nun aufgrund der Zinssenkung zurückgehen, werden diese Kunden mehr Deals und Projekte anstoßen. Das wird die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen ankurbeln und unser Wachstum unterstützen.

Diese Medaille hat aber auch eine Kehrseite.

Ja, infolge der Fed-Zinssenkungen werden wir vermutlich weniger an unseren Einlagen verdienen. Doch die Gegenseite überwiegt. Family Offices mit umfangreichen liquiden Reserven waren zuletzt zufrieden damit, kurzlaufende Fixed-Income-Produkte mit Renditen von 5% und geringen Risiko zu halten. Nun nimmt der Risikoappetit wohl wieder zu, und die Marktteilnehmer werden voraussichtlich von Fixed Income in Aktien umschichten, wo die Gebührenstruktur anders ausfällt. Insgesamt glaube ich daher, dass die Zinssenkungen förderlich für unser Geschäft sein werden.

Spezialisierte Wealth Manager versuchen häufig, durch Co-Investments die Verbindung zu ihren Kunden zu stärken. Wie attraktiv ist das für die Deutsche Bank in den USA?

Wir legen unseren Kunden pro Jahr ungefähr sechs bis acht maßgeschneiderte Co-Investment-Transaktionen vor. Diese kommen üblicherweise aus unserer Investmentbank – die Möglichkeit zum Cross-Promoting ist einer der Vorteile, die wir als Teil eines größeren Finanzinstituts besitzen. Es ist definitiv attraktiv für Kunden zu wissen, dass sie gemeinsam mit uns investieren. Aber ich zweifle daran, dass dies der Hauptgrund ist, der sie zur Deutschen Bank bringt. Wie bereits gesagt glaube ich, dass sie vor allem unsere Boutique-Struktur anzieht.

Ein weiterer Nachfragetreiber im Wealth Management, den Analysten hervorheben, ist der Vermögenstransfer zwischen Generationen. Welche Rolle spielt das für Sie?

Im Segment der extrem hohen Vermögenswerte, auf das wir uns konzentrieren, arbeiten wir seltener direkt mit einzelnen Kunden und häufiger mit Family Offices zusammen. Die Diskussionen sind daher schon stark auf langfristige Strategien ausgelegt, darauf, für die nächste Generation zu wirtschaften und deren Anlageziele zu erfüllen. Ich denke, es gibt dabei sehr wenige Konkurrenten, die unsere internationale Expertise in der Planung aufbringen. Das wollen wir stärker in den Fokus rücken und die Vorteile hervorheben, die wir als vertrauenswürdiger, langfristiger Berater bieten.

Im Lending treffen Sie allerdings auch auf neue Konkurrenz durch Intermediäre ohne Einlagengeschäft. Welche Bedrohung stellen diese dar?

Die Herausforderung für Hedgefonds und Private-Equity-Manager besteht in ihren hohen Kapitalkosten. Privatbanken sind üblicherweise sehr gut darin, diese Kosten niedrig zu halten und hohe Erträge auf ihr Kapital zu erwirtschaften. Denn sie vergeben keine Kredite, um den Cashflow ihrer Kunden aufzupolstern, sondern verleihen Mittel an liquide Investoren, die diese einsetzen, um eine höhere Wertschöpfung zu erwirtschaften. Daraus ergeben sich langfristig niedrige Verluste und eine hohe Kreditqualität …

… allerdings mit weniger hohen Spreads.

Genau, und für Nichtbanken sind hohe Spreads bis jetzt eben eine wichtige strategische Komponente. Doch die widerstandsfähigen Vermögenswerte, stabilen Zinseinnahmen und hohen wiederkehrenden Gebühreneinnahmen, die sich im Private Banking bieten, werden für diese Marktteilnehmer eben zunehmend attraktiv. Sobald sie einen Weg finden, ihre Kapitalkosten zu drücken, dürften sie durchaus zu ernstzunehmenden Herausforderern werden.

Wie dürfte sich eine höhere Präsenz weniger stark regulierter Intermediäre ohne Einlagengeschäft im Segment auf die Finanzstabilität auswirken?

Ich denke nicht, dass wir deshalb Stabilitätsprobleme bekommen werden. Diese Veränderung geht nicht abrupt, sondern schrittweise vonstatten, was den Marktteilnehmern Zeit einräumt, sich darauf einzustellen. Ich glaube auch nicht, dass Anbieter aus dem Markt gedrängt werden. Einige müssen sich eben anpassen und stärker spezialisieren.

Das Interview führte Alex Wehnert.