Zögerlicher Abschied vom Assekuranz-Männerclub
Von Antje Kullrich, KölnDie Geduld der Politik mit der Wirtschaft ist zu Ende. Auch die deutsche Versicherungsbranche dürfte ihr Scherflein dazu beigetragen haben, dass die Bundesregierung jetzt eine Verpflichtung für börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen plant, mindestens eine Frau in den Vorstand zu berufen. Die Assekuranz gibt in weiten Teilen ein schlechtes Beispiel in Sachen Geschlechter-Diversität in ihren Führungsgremien. Unter den 30 größten deutschen Versicherern ist jeder zweite Vorstand immer noch eine reine Männerbastion. Vereine wenig diversBei den Unternehmen, die nach Beitragsvolumen dahinter folgen, sieht es noch düsterer aus. Besonders Versicherer, die genossenschaftlich in der Rechtsform eines Versicherungsvereins organisiert sind, fallen mit zahlreichen Altherrenclubs in den Vorstandsriegen auf.In den vergangenen Jahren hat sich wenig getan. Zwischen 2017 und 2019 ging die Zahl der Frauen in den Vorständen der führenden deutschen Versicherer sogar merklich zurück. Während der vergangenen Monate kam wieder etwas Bewegung in die Gremien: So haben Debeka, Axa und Zurich jeweils eine Spitzenmanagerin neu berufen und damit den Anteil erhöht, bei der Gothaer zieht mit Sylvia Eichelberg zum Jahreswechsel erstmals eine Frau in den Konzernvorstand ein. Die geplante Regelung für eine verbindliche Frauenbeteiligung im Vorstand dürfte für vier Unternehmen der Branche gelten. Davon haben Allianz, Munich Re und Hannover Rück bereits mindestens eine weibliche Top-Führungskraft. Bei der Allianz gehören zwei Frauen dem Konzernvorstand an. Da das Gremium mit zehn Mitgliedern sehr groß ist, beträgt der Frauenanteil aber auch dort nur 20 %.Etwas tun muss die Talanx. Im sechsköpfigen Vorstand des Konzerns ist keine einzige Frau vertreten. Da bereits heute Zielquoten in den Geschäftsberichten genannt sein müssen, lässt sich bei der Talanx nachlesen, dass der SDax-Konzern bis Mitte 2022 eine Vorstandsfrau berufen möchte. Besonders ambitioniert klingen die weiteren Ziele der Hannoveraner in Sachen Frauenförderung nicht: Auf der Führungsebene 1 strebt das Unternehmen 20 % Frauenanteil an, auf der zweiten Ebene 30 %.Nach hervorstechenden Beispielen hoher Führungsanteile von Frauen muss man in der deutschen Versicherungswirtschaft lange suchen. Besonders fortschrittlich in Sachen Genderparität ist die ADAC Versicherung. Dort amtiert seit 2014 Marion Ebentheuer (51) als Vorstandsvorsitzende, Anfang September dieses Jahres zog mit Claudia Tuchscherer (48) noch eine weitere Frau in die Chefetage ein. Mit dem Ausscheiden ihres Vorgängers zum Jahreswechsel leiten dann zwei Frauen und zwei Männer den Versicherungsarm des größten europäischen Automobilclubs. GDV bewegt sichDas Fehlen von weiblichen Top-Führungskräften ist besonders frappierend, da in der Versicherungswirtschaft insgesamt relativ viele Frauen arbeiten. In den Verwaltungen sind es laut der Statistik des Arbeitgeberverbandes AGV etwas mehr als die Hälfte, den Außendienst mit eingerechnet knapp 48 %. Je höher es in der Hierarchie geht, desto männlicher wird es: Auf der Führungsebene 1 betrug der Frauenanteil im Jahr 2019 gerade einmal 15 %.Nur zögerlich verabschiedet sich die konservative Versicherungsbranche von ihren überkommenen Besetzungsmustern für Führungspositionen. Auch der mächtige Dachverband wirkte lange wie ein Bollwerk gegen Diversität. Der neue Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, will diesen Eindruck ändern: “Wir haben seit der letzten Mitgliedsversammlung zwei qualifizierte Frauen im Präsidium, und wir suchen aktiv eine weibliche Stellvertreterin von mir. Das sind aus meiner Sicht begrüßenswerte Schritte auf dem Weg zur Normalität.”