SERIE: WO VERDIENEN BANKEN NOCH GELD? (21)

Zum Umbau gibt es keine Alternative

Börsen-Zeitung, 13.9.2016 Von allen Seiten werden Banken aufgefordert, ihre Geschäftsmodelle umzubauen. Doch wohin genau sollen die Institute steuern, was sind die Herausforderungen und Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin? Im internationalen...

Zum Umbau gibt es keine Alternative

Von allen Seiten werden Banken aufgefordert, ihre Geschäftsmodelle umzubauen. Doch wohin genau sollen die Institute steuern, was sind die Herausforderungen und Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin?Im internationalen Vergleich ist der deutsche Bankenmarkt ein Sonderfall – und das liegt nicht nur am Dreisäulenmodell. Deutsche Banken hängen außergewöhnlich stark vom Zinseinkommen ab und hinken Vergleichsmärkten in der langfristigen Profitabilität deutlich hinterher. Ursachen sind auf der einen Seite der hohe Wettbewerbsdruck und damit niedrige Preise für Bankprodukte und -dienstleistungen. Kunden sind bisher nicht an gebührenbasierte Preismodelle gewöhnt. Zum anderen liegt es an der rigiden Kostenbasis, die sich seit zehn Jahren kaum verändert hat.Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Branche habe sich im Nachgang der Krise erholt: Der durchschnittliche Return on Equity hat das Vorkrisenniveau von 5 % wieder erreicht. Aktuell schneiden Sparkassen und Genossenschaften mit zweistelligen Renditen im Markt besonders gut ab, getrieben durch Kreditwachstum, geringe Risikokosten und geringere Belastungen aus der Krise, während die privaten Großbanken weiter mit grundsätzlichen Umbauten und Altlasten beschäftigt sind. Ausruhen sollte sich aber niemand. Drei TrendsIn den nächsten Jahren werden drei Trends die Profitabilität der Banken massiv unter Druck setzen:- Das Niedrigzinsumfeld: Lange war die Erwartung steigender Zinsen ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Doch selbst ein Anstieg des Zinsniveaus würde kurzfristig kaum zu einer Erholung führen, sondern erst nach zwei bis drei Jahren merkbar im Ergebnis der Banken ankommen. Nach unseren Analysen sind weitere 20 % des Zinseinkommens in den nächsten fünf Jahren gefährdet. Allein damit ginge die Hälfte des heutigen Vorsteuergewinns verloren. Dieser Trend trifft vor allem Institute, die auf das Kredit- und Einlagengeschäft fokussiert sind, also unter anderem viele Sparkassen, Genossenschaftsbanken und ausländische Privatbanken.- Die Regulierung: Regulatorische Themen belasten Banken auf der Kosten- und auf der Ertragsseite. Banken investieren seit Jahren erheblich in die Umsetzung der Vorgaben. Auch in Zukunft werden weitere Kosten anfallen, zum großen Teil Fixkosten. Gerade kleine Institute sind überproportional davon betroffen. Steigende Kapitalanforderungen zwingen zur Bilanzoptimierung und begrenzen den Handlungsspielraum. Aber Erträge geraten auch direkt unter Druck – zum Beispiel im Provisionseinkommen oder im Einkommen aus Handelsaktivitäten.- Die Digitalisierung: Mehr und mehr Kunden nutzen neue Kanäle für ihre Bankgeschäfte. Fintechs und andere neue Spieler treten in den Markt ein und attackieren die Wertschöpfungskette. Auch wenn sie Banken nicht in großem Umfang Marktanteile abnehmen, drücken sie Preise weiter nach unten. Diese neuen Akteure treten oft als Vermittler auf, beanspruchen einen Teil der Marge für diese Leistung und verschieben Marktanteile zwischen Banken. Unsere Analysen zeigen, dass innerhalb weniger Jahre 5 bis 15 % des Zins- und Provisionseinkommens gefährdet sind. Besonders betroffen sind Banken mit einem hohen Anteil einfacher Produkte – das sind oft wiederum Sparkassen, Genossenschaften und das Geschäft ausländischer Privatbanken in Deutschland.Der kombinierte Effekt dieser drei Trends ist massiv. Ohne erhebliche Gegenmaßnahmen würde der durchschnittliche Return on Equity der Branche um weitere 6 Prozentpunkte sinken. In diesem Szenario wäre die Profitabilität von drei Vierteln aller Banken in Deutschland direkt gefährdet.Wie können Banken gegensteuern? Banken müssen reagieren. Taktische Maßnahmen allein werden nicht ausreichen. Die erforderlichen tiefgreifenden Veränderungen betreffen sowohl die Kosten- als auch die Ertragsseite.In der Vergangenheit haben die wenigsten Banken gezeigt, dass sie ihre Kostenbasis erheblich bewegen können – nicht nur in Deutschland, auch international. In den vergangenen fünf Jahren hat weniger als ein Viertel der Banken ihre Cost-Income-Ratio merklich reduziert. Die meisten Kostenprogramme sind gescheitert. Vereinzelte Erfolge gab es beim Aufwand im Vertrieb – insbesondere im Filialnetz, in der Produkterstellung, den operativen Prozessen oder auch der IT. Im deutschen Markt wird auch die fortschreitende Konsolidierung zu Einsparpotenzialen führen.Auch auf der Ertragsseite können die Banken eine Reihe von Hebeln ansetzen: Eine bessere Organisation des Vertriebs, unterstützt durch gutes Performance-Management, kann die Vertriebsleistung der meisten Banken um 5 bis 10 % steigern.Mit einer Anpassung der Preispolitik können Effekte auf der Zinsseite in Teilen kompensiert werden. Dazu gehört eine Professionalisierung der Rabattsetzung, die heute in vielen Fällen nicht zielgerichtet erfolgt.Aber auch direkte Preiserhöhungen sind nicht mehr tabu: Seit einiger Zeit erhöhen einige Institute selektiv Preise und beziehen sich dabei explizit auf das Niedrigzinsumfeld (Preissetzung für Girokonten, Negativzinsen für hohe Einlagen). Die Kunden reagieren zwar meist nicht positiv, aber viele zeigen doch Verständnis, und Kundenverluste halten sich in Grenzen.Durch den Einsatz von Big Data und Advanced Analytics lassen sich höhere Konversionsraten im Cross-Selling und geringere Kundenverluste erreichen. Letztlich können Banken neue Ertragsquellen erschließen und beispielsweise das Auslandsgeschäft im Firmenkundenbereich selektiv wieder ausbauen oder durch Kooperationen mit Fintechs und anderen Unternehmen mit großer Kundenbasis neue Ertragsquellen finden. Woran es hapertGrundlegende Veränderungen in den Geschäftsmodellen der Banken sind jedoch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Erstens ist der Spielraum bei einigen Geschäftsmodellen begrenzt – diese Banken können die genannten Hebel dann nicht ziehen (Beispiel: kleine Institute mit zu geringen Skalen).Zweitens stehen viele Banken unter öffentlichem Druck und schieben unpopuläre Entscheidungen vor sich her (Filialschließungen, höhere Preise), denn keiner will der Erste im Markt sein. Drittens ist für eine grundlegende Transformation ein tiefgreifender Kulturwandel notwendig (zum Beispiel “von der Bank zum Technologieunternehmen”), für den heute zentrale Fähigkeiten fehlen. Viertens ist nicht klar, wie der Umbau zu finanzieren ist.Das Dilemma: Der mehrjährige Umbau zu einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Geschäftsmodell führt nicht sofort zu deutlich höherer Profitabilität, sondern trotz großer Strapazen zunächst oft nur zu einem Halten des heutigen Ergebnisniveaus. Die Umbauten gehen oft mit der Aufgabe von heutigem Geschäft (beispielsweise im Investment Banking und bei den Handelsaktivitäten) einher und erfordern gleichzeitig Investitionen in neue Geschäftsfelder. Die Erträge gehen schon heute runter, die Investitionen fallen schon heute an – aber die Früchte lassen sich erst später ernten. Banken geraten in die sehr unangenehme Situation, dass Erträge schneller fallen als die Kosten, wenn überschüssige Kapazitäten nur über Zeit abgebaut werden können. Hohe ErwartungenDie Erwartungen des Kapitalmarktes an die Banken sind hoch: eine ausreichend hohe Kapitalquote, gerne eine zweistellige Rendite und Abbau der Kosten. Aber auch nicht an der Börse notierte Banken müssen an diesen drei Themen arbeiten. Die simultane Optimierung dieser drei Ziele kann leicht zum Teufelskreis werden. Dazu sind mutige Managemententscheidungen erforderlich, aber der Erklärungsbedarf gegenüber Gremien und dem Kapitalmarkt ist immens – und die Anreizsysteme sind selten auf einen mittel- bis langfristigen Umbau ausgelegt.Dazu kommt der Teufelskreis des Kostensparens: Signifikante Einsparungen lassen sich fast nur über schmerzhaften Personalabbau erreichen. Angesichts einer nach vorherigen Sparrunden oft überalterten Belegschaft ist Personalabbau inzwischen ein teurer Weg. Der Hohe Restrukturierungsaufwand hierfür belastet wiederum Kapitalquote und Profitabilität. Außerdem sind die für den Personalabbau benötigten Investitionen insbesondere in IT und Digitalisierung sehr hoch. Es klingt paradox, aber viele Banken können sich eine eigentlich dringende Restrukturierung kaum leisten.Aber: taktische Maßnahmen können Raum zum Atmen schaffen und Ressourcen (insbesondere Kapital) freischaufeln, die wiederum für strukturelle Schritte eingesetzt werden können. Auch wenn es schwierig ist, eine Alternative zum Umbau gibt es nicht.—-Zuletzt erschienen:- Sparkasse Potsdam erzielt im Netz erfreuliche Ergebnisse (8. September)- Wenn der Vorstand das Ergebnis massiert (6. September)- Islamische KT Bank sieht sich als Pionierin (31. August) —-Max Flötotto, Partner McKinsey —-Ursula Weigl, Juniorpartnerin McKinsey