Zurich schafft Rekordgewinn mit weniger Kunden
Zurich schafft Rekordgewinn mit weniger Kunden
Im europäischen Retail-Geschäft hat der Versicherungskonzern Marktanteile gegen höhere Profite eingetauscht – Aktionäre profitieren mit höherer Dividende
Die Zurich hat 2024 ein Rekordergebnis eingefahren und will die Aktionäre mit einer neuerlichen Dividendenerhöhung partizipieren lassen. Konzernchef Mario Greco hegt ehrgeizige Ziele für die nächsten Jahre und zeigt sich unbeeindruckt von der zunehmenden Unberechenbarkeit der Welt der Versicherer.
dz Zürich
Die Zurich ist auf Erfolgskurs. Das zeigen die vom Versicherungskonzern am Donnerstagmorgen präsentierten Jahreszahlen. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass das Unternehmen den langjährigen Chef der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, als neuen Verwaltungsrat gewinnen konnte. Der 62-jährige war Ende September von seinem Amt zurückgetreten, ohne über seine weiteren beruflichen Ziele zu informieren.
Schwergewicht im Verwaltungsrat
Jordans lange Erfahrung in der Geldpolitik ist vielerorts hilfreich. Für das Aufsichtsgremium der Zurich ist sie zweifellos ein Gewinn. Die Zurich verwaltet Kapitalanlagen im Wert von über 300 Mrd. Dollar, die sicher und vorausschauend investiert sein wollen. Zudem sind Versicherer bei der Festlegung der Prämiensätze auf zuverlässige Inflationsprognosen angewiesen. Die gestiegene Inflation hat den Assekuranzunternehmen in den vergangenen Jahren einige Probleme bereitet. So sind zum Beispiel in der umsatzmäßig wichtigsten Automobilversicherungssparte die Schadenquoten übermäßig gestiegen, weil die Preise für Ersatzteile und die Werkstattkosten teilweise weit stärker zugenommen haben als die Teuerung. Die Versicherer erlitten Gewinneinbußen, die sie mit kräftigen Prämienerhöhungen inzwischen aber mehr als wettgemacht haben. Zurich-Chef Mario Greco sagte auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten, Märkte wie die Schweiz und Deutschland seien für die Zurich zeitweise „sehr unprofitabel“ gewesen. Die Zurich habe ihre Prämien stärker erhöht als die Konkurrenz und so Kunden und Marktanteile bewusst gegen bessere Profite eingetauscht. Dieser Prozess sei inzwischen abgeschlossen. Im Gesamtmarkt gebe es wieder ein gesundes Profitabilitätsniveau, weshalb die Zurich in den kommenden Jahren das Volumenwachstum wieder verstärken könne, sagte Greco.
Privatkundengeschäft im Fokus
Es ist deshalb keine Überraschung, dass dem Privatkundengeschäft der Zurich 2024 der größte Anteil am Erfolg gebührt. Zwar hat das Privatkundengeschäft mit einem Betriebsgewinn von 1 Mrd. Dollar nur einen Anteil am gesamten Betriebsgewinn von etwa 13%, während dem Geschäft mit der Versicherung von Firmenkunden ein Anteil von 43% zukommt. Doch die im Vorjahresvergleich erreichte Steigerung des Betriebsgewinns um 618 Mill. Dollar im Privatkundengeschäft wurde von keiner anderen Sparte auch nur annähernd erreicht.
Fahrzeughalter, Hausbesitzer und Sparer, die wieder vermehrt fondsgebundene Vorsorgeprodukte nachfragen, haben der Zurich 2024 somit ein Drittel mehr Gewinn beschert. Von dem Reinergebnis in Höhe von 5,8 Mrd. Dollar sollen knapp drei Viertel in der Form einer von 26 sfr auf 28 sfr erhöhten Dividende pro Aktie an die Aktionäre abgeführt werden. Im Gegensatz zum Vorjahr, als die Zurich zugunsten ihrer Eigentümer zusätzlich einen Aktienrückkauf in Milliardenhöhe finanzierte und damit etwa 125% des Jahresgewinns ausschüttete, soll es in diesem Jahr bei der Ausschüttungsquote von 73% bleiben. Mit dem zurückgehaltenen Kapital wolle die Zurich in den kommenden drei Jahren mehr Wachstum finanzieren und so ein weiteres Gewinnwachstum von jährlich 9% pro Aktie erreichen.
Klimawandel erschwert Geschäft
Gerade in der Assekuranz sind derlei Prognosen allerdings mit Vorsicht zu genießen. Nicht zuletzt durch den Klimawandel wird die Welt der Versicherer immer unberechenbarer. Das manifestiert sich bei der Zurich gerade sehr deutlich im US-Geschäft, wo der Konzern zwar nicht direkt im Privatkundengeschäft tätig ist, aber als Betreiber der genossenschaftsähnlichen Farmers Exchanges stark exponiert ist. Allein die diesjährige Feuersbrunst um Los Angeles wird bei Farmers mit geschätzten direkten Kosten von 600 Mill. Dollar zu Buche schlagen. Darüber hinaus gilt es, höhere Rückversicherungskosten von 250 Mill. Dollar zu tragen. Bei der Zurich selbst fallen aufgrund des gleichen Ereignisses direkte Kosten von geschätzten 200 Mill. Dollar an.
Wie der Eisbär auf der Scholle
Klimaschäden zwangen die Zurich in den vergangenen Jahren, Farmers zu sanieren und ganze US-Bundesstaaten aufzugeben. Der Rückzug aus dem notorisch sturmgeplagten Florida mag für manche keine Überraschung sein. Aber dass auch ein Staat wie New York von Farmers nicht mehr abgedeckt wird, lässt doch aufhorchen. Selbst in New York gibt es inzwischen Phänomene wie extreme Trockenheit und heftige Stürme, die für manche Versicherer untragbare Risiken darstellen. So kommt einem der aktuelle Zurich-Gewinn ein bisschen vor wie der Eisbär, der nach einem großen Fang auf seiner schmelzenden Scholle ein Festessen veranstaltet.