Zusätzlichen Mehrwert schaffen

Förderung von Kultur und Digitalisierung zusammendenken - Digitales Mindset für Kulturwandel nötig

Zusätzlichen Mehrwert schaffen

Im Rahmen von Corporate Social Responsibility unterstützen Finanzinstitute, Versicherungen und andere institutionelle Investoren Kunst und Kultur mit dem Ziel, ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Vom klassischen Mäzenatentum für einzelne Künstler und Kulturschaffende bis hin zu ganzen Museen oder kulturellen Veranstaltungen – die Bandbreite ist groß.Mit der vom Harvard-Dozenten Michael Porter entwickelten Idee des “Shared Value” kommt nun immer stärker ein Konzept auf, das auch das Zusammenspiel von Finanzwirtschaft und Kultur noch weiterentwickeln könnte. Bei dem Ansatz geht es darum, dass ein Unternehmen Mehrwert nicht nur für seine Aktionäre schafft, sondern auch für die Allgemeinheit, ohne dabei auf Berührungspunkte für das eigene Geschäftsfeld verzichten zu müssen. In diesem Sinne spielen neben wirtschaftlichen auch gesellschaftliche Themen eine entscheidende Rolle, wenn es um das Erwirtschaften von Werten geht.Gesellschaftliche Fragestellungen – in deren Fokus derzeit insbesondere der Prozess der Digitalisierung steht – werden aber von Unternehmen bisher nur selten aus dieser Sicht evaluiert. Die Idee des Shared Value sieht hingegen eine direkte Verbindung zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritten. Dies wiederum bedeutet: Beschäftigten sich Kunst und Kultur eingehend mit der Digitalisierung und damit einhergehenden Fragestellungen und Problemen, dann käme dies auch unmittelbar der Wirtschaft zu Gute.Zudem ist die digitale Transformation ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der nicht bei den Unternehmen aufhört, sondern auch direkt den kulturellen Bereich betrifft. Schließlich ist der Kulturbetrieb von der Digitalisierung ebenso betroffen wie andere Sektoren der Wirtschaft. Nicht zuletzt sind beide Bereiche über das Kultursponsoring vieler Unternehmen ohnehin miteinander verzahnt.Dass die Digitalisierung die Gesellschaft tiefgreifend verändert und weiter verändern wird, dürfte unbestritten sein. Das betrifft den Alltag und das Privatleben genauso wie die Unternehmen hierzulande. Bei Letzteren steht häufig die Unternehmenskultur und Organisationsstruktur auf dem Prüfstand. Wie präsent das Thema inzwischen auch auf Entscheider-Ebene ist, zeigt eine Umfrage unter deutschen Vorstandsvorsitzenden. Daraus geht hervor, dass die Digitalisierung die größte Herausforderung der nächsten Jahre ist. Wohl gemerkt, die Digitalisierung ist nicht neu, aber sie hat in den vergangenen Jahren noch einmal an Fahrt aufgenommen.Digitalisierung meint dabei nicht nur die weitgehende Automation von bestehenden Prozessen, effizienteren Arbeitsabläufen oder die Senkung des Personalbedarfs und der Personalkosten. Dies wäre eine rein kaufmännische Betrachtungsweise. Zudem bleibt ein schlechter Prozess auch digitalisiert ein schlechter Prozess. Um Digitalisierung erfolgreich ins Unternehmen einzubinden und ihre Vorteile zu nutzen, bedarf es vielerorts neuer Denkweisen. So haben hier diejenigen Unternehmen Vorteile, die über eine agile, horizontale und damit zeitgemäße Unternehmenskultur verfügen.Jedoch ist die Unternehmenskultur keine strategische Entscheidung, die sich top-down verordnen lässt, sie muss gelebt werden. Was es braucht, ist also ein Ende des Silo-Denkens und ein echtes digitales Mindset, das sich am Kundennutzen orientiert, vernetzt denkt und den aktuellen Status quo als “always beta” und damit immer verbesserungswürdig sieht. Vor diesem Hintergrund liegt die größte Aufgabe darin, kulturelle und strukturelle Aspekte so anzupassen, dass eine Bereitschaft zur Veränderung entsteht. Ein digitales Mindset inspiriert und lässt sich inspirieren – womit wir wieder bei der Kultur wären.Inspiration, vernetztes Denken, neue Blickwinkel, das sind Attribute, die der Kunst- und Kulturbranche seit jeher zugeschrieben werden. Die Branche liegt in Deutschland im direkten Vergleich mit anderen Bereichen einer Studie zufolge in puncto Digitalisierung allerdings unter dem Durchschnitt. Was wir jedoch brauchen ist eine Kunst- und Kulturbranche, die die Digitalisierung als Chance sieht und sich gleichzeitig der Herausforderung bewusst ist. Beispiel intelligente City-Konzepte: Die Planung von den Städten der Zukunft könnte einer der Bereiche sein, wo Kultur, Technologie und Digitalisierung voneinander profitieren. Um bei deren Konzeption auch der Bedeutung von Stadt als sozialem Raum gerecht zu werden, wären starke Impulse aus dem kulturellen Bereich und eine sektorübergreifende Vernetzung nötig.Natürlich sind Kunst und Kultur noch immer primär analog – möchten wir ein Gemälde im Original sehen, müssen wir dazu ein Museum oder eine Galerie besuchen. Wollen wir ein Theaterstück sehen, führt an einem Theaterbesuch kein Weg vorbei. Es geht aber auch anders; Kultureinrichtungen haben es sich zum Ziel gesetzt, sich weiterzuentwickeln und Digitalisierungsprozesse voranzutreiben: So haben Museen in letzter Zeit angefangen, ihre Bestände zu digitalisieren und beginnen mit neuen digitalen Kunsterlebnissen zu experimentieren. Auch Künstler und Kulturschaffende fangen an, digitale Technologien entlang der Wertschöpfungskette zu nutzen. Von den neuen digitalen Kunst- und Kulturangeboten und Erlebnissen profitiert die Allgemeinheit, indem sie nicht nur Dinge in einem neuen Licht sieht, sondern ganz konkret erlebt, wie kreativ mit der Digitalisierung umgegangen werden kann.Unternehmen, die diese neuen digitalen Kunst- und Kulturevents fördern, ermöglichen der Gesellschaft nicht nur neue Erlebnisse. Sie verändern auch die eigene Unternehmenskultur, indem sie die gemachten Erfahrungen im Rahmen der digitalen Transformation berücksichtigen. Ausprobieren und testenDarüber hinaus haben insbesondere auch Finanzdienstleister verschiedene Erfahrungen in den vergangenen Jahren gemacht, auf die der Kulturbetrieb aufbauen könnte. Zum Beispiel in puncto Kooperationen. Denn wie Kunst und Kultur lassen sich mittelständische und große Unternehmen nicht immer von heute auf morgen digitalisieren. Ausprobieren und Testen gehören dazu. Auch wenn sich diese Kooperationsmodelle – etwa über spezielle Hubs, auf Plattformen im Zusammenschluss mit anderen Marktteilnehmern oder in Form von Beratung durch Externe – nicht eins zu eins übertragen lassen, können sie doch für die Kulturbranche als Inspiration dienen. Den Wandel voranbringenAuch von neuen Formen des digitalisierten Empfehlungsmanagements, die bereits im Versicherungs- und Private-Banking-Bereich genutzt werden, könnte der Kulturbetrieb sicher profitieren, etwa da, wo es darum geht, Aufmerksamkeit für das Leistungsangebot zu generieren – oder bei der Digitalisierung von Clustern und Netzwerken und relevanten Kontakten in Echtzeit.Fest steht: Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten und sie wird an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung eher gewinnen als verlieren. Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die dem digitalen Wandel offen gegenüberstehen und die Fähigkeiten haben, ihn zu gestalten. Mit der digitalen Transformation rücken in Unternehmen wieder der Faktor Mensch und die Unternehmenskultur in den Mittelpunkt. Eine zeitgemäße Unternehmenskultur setzt sich dabei in einer gesellschaftlichen Wertschaffung des Shared-Value-Ansatzes fort. Klassisches Mäzenatentum im Rahmen von Corporate Social Responsibility hat hier nach wie vor seine Bedeutung. Zugleich gilt es, bei der Förderung von Kunst und Kultur gesellschaftliche Themen wie die Digitalisierung in den Fokus zu rücken.—-Almir Adrovic, Mitglied der Geschäftsleitung bei Axon Insight