Zwischen allen Stühlen
Es ist schon ein Kreuz mit der regelbasierten Weltordnung, die seit dem Fall der Berliner Mauer den globalen Warenaustausch befördert hat. Ginge es nach Donald Trump, würden sich die Vereinigten Staaten daraus verabschieden, um nur noch Eigeninteressen zu verfolgen. Die Volksrepublik China verteidigt dagegen verbal den freien Welthandel, meint damit aber nur den reibungslosen Marktzugang für ihre Produkte. Noch ist es möglich, im Konflikt der beiden Großmächte eine neutrale Position einzunehmen. Doch kaum ein Unternehmen sitzt in dieser Situation so zwischen den Stühlen wie die HSBC: Die britische Großbank ist darauf angewiesen, dass sich die Globalisierung fortsetzt. Die Finanzierung des Welthandels ist ihr Geschäft. China spielt darin eine zentrale Rolle. Hongkong ist ihre alte Heimat, London als Hauptsitz unverzichtbar.Im Streit um das neue Sicherheitsgesetz, das Peking der ehemaligen britischen Kronkolonie aufzwingen will, forderte China von der Hongkong & Shanghai Banking Corporation Loyalität ein. Das Institut war zum Kotau bereit. Angesichts des Gewichts seines Geschäfts im Perlflussdelta hatte es gar keine Alternative. Auch Standard Chartered blieb nichts anderes übrig, als Unterstützung für das Gesetz zu bekunden. Beide Banken verwiesen darauf, dass Peking am Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” festhält. In Washington und London kam ihr Vorgehen gleichwohl nicht gut an. Auch Investoren wie Aviva und Hermes machten ihrem Unbehagen Luft. Wenn Unternehmen politische Stellungnahmen abgeben, müssten sie auch die unternehmerische Sozialverantwortung tragen, die sich daraus ergebe, lautete ihr Argument. Die Banken müssten sich auch dann öffentlich äußern, wenn es künftig im Zusammenhang mit dem Gesetz zu irgendwelchen Beeinträchtigungen demokratischer Freiheiten kommen sollte. Das mag sich in den luftigen Höhen der ESG-Prinzipienreiterei vernünftig anhören, entspricht aber nicht der Realität des Geschäfts mit einer Diktatur.Hatte es bislang gereicht, sich nicht kritisch zur Politik Pekings zu äußern, wird nun aktive Unterstützung verlangt. Die Bank könne in China kein Geld machen, während sie anderen westlichen Ländern folge, die versuchten, der Souveränität und Würde des Landes und den Gefühlen seines Volks zu schaden, erläuterte der Immobilientycoon Leung Chun-ying die Politik seiner Herren. Man müsse diesen Ländern klarmachen, dass Hongkong nicht ihre Kolonie sei. Wegducken funktioniert also nicht mehr. Das dürfte viele Unternehmen in Bedrängnis bringen, die in vergleichbarem Maße vom chinesischen Markt abhängig sind. Sie dürfte zudem beunruhigen, dass die Treuebekundung der HSBC in Peking wenig Respekt eingebracht zu haben scheint. Stattdessen wird dem Institut in Staatsmedien mit Strafverfolgung wegen angeblicher Zusammenarbeit mit der US-Regierung gegen den Telekomausrüster Huawei gedroht.In den Vereinigten Staaten bleibt HSBC keine Wahl, als mit den Behörden zu kooperieren. Vor acht Jahren hatte sich die Bank mit den US-Behörden auf die Zahlung von 1,9 Mrd. Dollar zur Beilegung von Vorwürfen der Geldwäsche für das kolumbianische Drogenkartell Norte del Valle und das mexikanische Sinaloa-Kartell sowie der Umgehung von Sanktionen gegen den Iran geeinigt. Seitdem erfreut sich HSBC der besonderen Aufmerksamkeit der Behörden, zumal von den großen weltweit tätigen Instituten, die solche Geschäfte abwickeln könnten, nicht mehr viele übrig geblieben sind. Und so droht Meng Wanzhou, der Tochter des Huawei-Chefs, nun die Auslieferung aus Kanada in die USA. Das chinesische Unternehmen soll Sanktionen gegen das theokratische Regime missachtet haben. Meng wird unter anderem vorgeworfen, einen HSBC-Mitarbeiter in Hongkong über die Natur der Beziehungen zwischen Huawei und der iranischen Skycom belogen zu haben.Nun könnte man fragen, ob sich HSBC nicht einfach für eine Seite entscheiden sollte. Seit langem trommeln einige Aktionäre für eine Rückverlegung des Firmensitzes nach Hongkong. Und wäre nicht auch ein Verkauf des US-Geschäfts denkbar? Nein, denn ohne Zugang zu Dollarliquidität könnte das Institut seine Rolle bei der Handelsfinanzierung nicht wahrnehmen. Der Renminbi ist weit davon entfernt, den Greenback abzulösen. Zudem setzt sich HSBC ja gerade durch ihre globale Präsenz vom Wettbewerb ab. Die Bank kann also nur hoffen, dass sie vom aufziehenden Sturm verschont wird.——Von Andreas HippinDie Debatte um das Sicherheitsgesetz für Hongkong zeigt: Wegducken geht nicht mehr. China fordert von Firmen wie HSBC aktive Loyalität.——