Zwischen "Banking-Tinder" und sterbenden Websites

Von Carina Iris Kautz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.3.2019 Deutsche Banken verlieren beim Thema Digitalisierung an Boden, insbesondere im Vertrieb. Das behauptet zumindest das Beraterhaus Oliver Wyman in einer aktuellen Studie. Man sollte es kaum...

Zwischen "Banking-Tinder" und sterbenden Websites

Von Carina Iris Kautz, FrankfurtDeutsche Banken verlieren beim Thema Digitalisierung an Boden, insbesondere im Vertrieb. Das behauptet zumindest das Beraterhaus Oliver Wyman in einer aktuellen Studie. Man sollte es kaum glauben angesichts der Fülle an Fachtagungen zum Thema, auf denen man an Schlüsselbegriffen wie “agile Bank” und “künstliche Intelligenz” (KI) kaum noch vorbeikommt. Auf der 13. Fachkonferenz der Frankfurt School of Finance & Management etwa standen unter dem Titel “Finanzdienstleister der nächsten Generation” neue Wege digitaler Kundenkommunikation im Fokus. Die vielleicht provokanteste Prognose der Veranstaltung lautete “Web is dead”. Michael-Maria Bommer, General Manager EMEA beim Finanzdienstleister Live Person, prophezeite in seinem Vortrag zu “Conversational Commerce”, dass die Website in den nächsten Jahren komplett abgeschafft wird, da Kundenservice künftig nur noch über Messengerdienste stattfinde. Hintergrund sei, dass Kunden sich ein Zurück zum – allerdings schriftlich geführten – Gespräch wünschten, ob mit einem KI-gesteuerten Bot oder einem menschlichen Agenten. Sogenannte Messenger Banks gibt es laut Bommer bereits in China, Deutschland hinke hier hinterher – die Oliver-Wyman-Studie lässt grüßen.Demgegenüber will das Innovation Lab der Frankfurter Sparkasse (Fraspa) mittels digitaler Instrumente den Kunden zurück in die Filiale holen. Unter der Überschrift “Friends in Banks” können sich Kunden seit Ende Januar online den perfekt zur eigenen Persönlichkeit “gematchten” Berater zuordnen lassen. InnovationLab-Gründer Michael Koßmehl verwies auf eine Umfrage unter Jugendlichen, der zufolge ein Gespräch mit dem Bankberater ähnlich empfunden werde wie ein Zahnarzttermin. Mit dem “Banking-Tinder” soll sich das ändern. “Stellen Sie sich vor, Sie kriegen zwei Eintracht-Fans zusammen in den Raum.” Rund 80 % der Fraspa-Mitarbeiter hätten an dem Projekt teilgenommen. Aktuell werde das Kundenfeedback evaluiert.Vor diesem Hintergrund erscheint es stimmig, dass die Verfasser der ansonsten kritischen Oliver-Wyman-Studie die digitalen Kontaktmöglichkeiten deutscher Geldhäuser im internationalen Vergleich lobt. Beim digitalen Marketing hätten hiesige Institute sogar die Nase vorn. Hingegen fielen sie bei den Punkten Plattform, Payments, Robo-Advisory sowie Beyond-Banking-Dienste zurück. Am schwächsten schnitt der digitale Vertrieb ab. Entsprechend rät das Beraterhaus den Banken, ihr Digitalangebot zu komplettieren, “so dass Kunden alle relevanten Anfragen möglichst digital durchführen können”. Geht man nach dem Tenor der Frankfurt-School-Konferenz, dürfte es bis dahin nicht mehr allzu lange dauern, denn: “Heute kann man Innovation für wenig Geld machen”, wie es René W. Keller, Group Chief Data Officer & Group Head of Innovation bei der Deutschen Bank, formulierte.—–Ausgerechnet die Digitalisierung soll die Kunden wieder in die analoge Filiale locken.—–