Rezension

Zwischen Sex, Liebe und Kryptogeld

Schon seinen vierten Wirtschaftskrimi veröffentlicht Markus Will. Dabei setzt er nicht nur auf eine ungewöhnliche Mischung, sondern auch auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Protagonistinnen.

Zwischen Sex, Liebe und Kryptogeld

Von Claus Döring, Frankfurt

Künstliche Intelligenz, Kryptowährungen, Cyberkriminalität und ein ordentlicher Schuss Sex: Das sind die Hauptzutaten des Cocktails, die Markus Will zu seinem mittlerweile vierten Wirtschaftskrimi gekonnt zusammengerührt hat. Der Titel „Carla Bell und die Dark Bankerin“ nennt die beiden Protagonisten des Thrillers, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Auf der einen Seite die Londoner Finanzjournalistin und City-Insiderin Carla Bell, krisen- und banker­erfahren, und auf der anderen Seite die „Dark Bankerin“ Iris Hubot, ein Human Robot, die mit ihrem selbstlernenden Google-Super-Brain tagsüber als Fintech-Start-up-Unternehmerin die Banker in der Londoner City über den Tisch zieht und nachts als „Dark Bankerin“ mit Bitcoins die Internet- und Geldwäsche-Mafia abzockt.

Hubot revolutioniert mit ihrem Start-up abc.tec allerdings nicht nur den Euro-Coin-Markt, sondern entwickelt auch ein perfides System der digitalen Geldwäsche für die italienische Mafia. Und weil Sex nicht nur zur Welt der Londoner Investmentbanker gehört, sondern angeblich – „sex sells!“ – auch den Verkauf von Wirtschaftskrimis anregt, ist die Dark Bankerin nicht nur mit einem Quantenhirn, sondern auch sonst mit allem ausgestattet, was „man“ sich in seinen Fantasien so alles vorstellen könnte beziehungsweise was sich dieser humanoide Sex-Roboter durch intensive Lektüre von Frauenmagazinen und regelmäßigen Praxistests so alles antrainiert hat.

Auch wenn der Erzählstil zwischen Wirtschaftsvorlesung und Groschenroman changiert, lernt der Leser doch auf unterhaltsame Weise jede Menge über die Funktionsweise von Finanzmärkten, über „echtes“ Fiatgeld, digitale Währungen und die Finanzierung von Start-ups. Der Krimi profitiert davon, dass der Autor in der Welt der Wirtschaft und der Banken zu Hause ist. Einst Wirtschaftsredakteur der Börsen-Zeitung, arbeitete Will später als Pressesprecher für Investmentbanken in Frankfurt und London, ehe er sich als Hochschullehrer und Privatdozent an der Universität Sankt Gallen auch wissenschaftlich mit Medien und Wirtschaft beschäftigte. „Wirtschaft ist spannend, die Geschichten liegen auf der Straße“, sagt er, und: „Ich bringe das in unterhaltender Form zusammen – mit Liebe, Lust und Leidenschaft gemischt mit Brexit, Bitcoins und Banken in der Dark Bankerin.“

Wie Wills vorherige Thriller spielt auch diese Geschichte auf einem realen Zeitstrahl und bezieht politische Ereignisse und Entwicklungen am Finanzmarkt mit ein, zum Beispiel den britischen Premier Boris Johnson und seine Brexit-Kampagne oder den Absturz und Wiederaufstieg der Bitcoins. Auch die Börsen-Zeitung wird geschickt in die Story eingebaut: Aus ihr bezieht nämlich die Dark Bankerin mit dem Quantenhirn unter anderem ihre Informationen über Trends an den Finanzmärkten, über Geldwäsche und die Bankenwelt. Zitiert wird insbesondere die Serie der Börsen-Zeitung über „Sewings To-do-Liste“.

Dass sich der einstige Ausbilder und Mentor Wills, der im Frühjahr 2021 verstorbene frühere Chefredakteur Hans Konradin Herdt über die Rolle „seiner“ Börsen-Zeitung in der „Dark Bankerin“ gefreut hätte, wie Will in seiner Widmung schreibt, kann angenommen werden. Für spannende Geschichten und den Blick hinter die Kulissen von Banken und Börsen war Herdt immer zu haben. Beim Redigieren des Thrillers hätte er aber vermutlich die allzu häufigen Sex-Szenen auf ein erträgliches Maß zusammengestrichen.

Inzwischen ist der als E-Book und Taschenbuch erschienene Thriller auch in englischer Sprache erhältlich. Fazit: Für lange Winterabende und monotone Homeoffice-Tage eine spannende wie auch lehrreiche Abwechslung. Fortsetzung folgt übrigens. Im zweiten Band, der im Sommer 2022 erscheinen soll, wird es um das Coronavirus, den Bitcoin-Boom und die Weltwirtschaftskrise 2020 gehen. Titel: „Carla Bell und ,Das vergiftete Angebot‘“.

Markus A. WillCarla Bell und die Dark BankerinNeopubliBerlin 2021ISBN 978-3-754118573 503 Seiten, 19,99 Euro
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