Bezahlbares Wohnen schlägt Rendite
Immobilien
Bezahlbares Wohnen schlägt Rendite
Von Thomas List
Bei Immobilien sollten soziale Ziele eine Rolle spielen. Das kann mit Nachhaltigkeit kollidieren, doch der Zielkonflikt lässt sich lösen.
Sozial ist eigentlich jede Immobilie. Sie betrifft das gesellschaftliche Zusammenleben, so eine Definition. Aber soziale Ziele zu definieren und gar zu operationalisieren, um sie dann konkret umzusetzen und sich daran messen zu können, das fällt schon sehr viel schwerer. Und es geht um Zielkonflikte bei den drei Säulen der Nachhaltigkeit (ESG), insbesondere zwischen Umwelt (E) und dem Sozialen (S).
Denn klar ist: Umweltschutz kostet Geld. Konkret bei Immobilien: Isolieren, Fotovoltaik, nachhaltige Baumaterialien, vorbildliche Arbeitsbedingungen und so weiter. All das müssen letztlich die Immobiliennutzer bezahlen.
Beim Wohnen bedeutet eine entsprechende optimale Sanierung von Beständen deutlich höhere Mieten. Ist das sozial im Sinne eines der zentralen S-Ziele, bezahlbarer Wohnraum? Bei vielen Mietern ist die Antwort „Nein“. Sie können sich Kaltmieten von 15 Euro oder mehr pro Quadratmeter nicht leisten. Das dürfte auch dann gelten, wenn durch die Dämmung die Energiekosten sinken, also geringere Nebenkosten teilweise den Mietanstieg ausgleichen.
Dieser Zielkonflikt zwischen „S“ und „E“ lässt sich über mehrere Stellschrauben wohl nicht vollständig lösen, aber zumindest entschärfen. So ließen sich die Ansprüche an „E“ reduzieren. Sanierung muss nicht das gerade technisch mögliche Optimum erreichen. Wärmedämmung mit (umweltschonenden) Materialien, Fotovoltaik am Dach oder als Gemeinschaftsanlage, Nutzung von Fernwärme, Warmwasser mit Sonnenkollektoren – all das gilt es unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Tragfähigkeit für die (bisherigen!) Mieter zu prüfen.
Allerdings hat die Prüfung ihre Grenzen. Denn Förderungen zum Beispiel durch die KfW gibt es nur, wenn bestimmte Mindeststandards bei der energetischen Sanierung erreicht werden. Und wer zum Beispiel umweltfreundliches Dämmmaterial verwenden will, der hat nur wenig Auswahl und muss meist tiefer in die Tasche greifen als bei konventionellen Stoffen (wie dem üblichen Polyurethan-Hartschaum).
Und nicht zuletzt geht es um den Investor, der für sein Geld eine angemessene Rendite erwartet. Die Vorstellungen dürften beim Begriff der Angemessenheit allerdings weit auseinandergehen. Ein Venture-Capital-Investor hat deutlich höhere Renditeerwartungen als klassische Altersvorsorgeeinrichtungen oder manch Family Office. Ein „social discount“ geht bei Versicherern oder Pensionskassen direkt zulasten der Bezugsberechtigten. Bei den stark diversifizierten Anlagen dürfte dieser Abschlag aber letztlich überschaubar sein.
Und dieser Abschlag kann dem Kunden oder Pensionär ja auch schmackhaft gemacht werden. Immer mehr Menschen übernehmen angesichts der immer größeren Einkommens- und Vermögensunterschiede soziale Verantwortung – auch in Form geringerer Bezüge.
Bezahlbarer Wohnraum ist allerdings nur eines von vielen Zielen, die unter „S“ fallen. Vor zwei Jahren hatte auf EU-Ebene die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen eine Sozialtaxonomie vorgeschlagen. Dadurch sollte mehr Kapital in Aktivitäten fließen, bei denen die Menschenrechte eingehalten und die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessert werden.
Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied zwischen Umweltzielen (die in der EU-Umwelttaxonomie umgesetzt wurden) und einer sozialen Taxonomie: Umweltziele und -kriterien basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dagegen leitet sich eine soziale Taxonomie aus international verbindlichen Normen wie den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ab. Sie sind damit deutlich schwerer operationalisierbar. Erste Schritte in diese Richtung gibt es aber schon. So hat das Institut für Corporate Governance in der Immobilienwirtschaft (ICG) ein Scoring-Modell zur Messung von S-Kriterien für Social Impact entwickelt. Auf dieser Basis lassen sich Zielkonflikte bei der Nachhaltigkeit leichter lösen.