„Die wirklich großen Schritte macht man mit Technologie“
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"Die wirklich großen Schritte macht man mit Technologie"
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Die Lufthansa Group hat sich vorgenommen, ihre Netto-CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 zu halbieren und bis 2050 CO₂-neutral zu werden. Das erfordert eine Transformation, ist Caroline Drischel überzeugt. Als Verantwortliche für Corporate Responsibility bei der Airline-Gruppe sieht sich die 47-Jährige als „Speerspitze“ dieses Transformationsprozesses. Dabei arbeitet sie eng mit dem gesamten Lufthansa-Vorstand zusammen, auch wenn sie organisatorisch Christina Foerster, der für Nachhaltigkeit zuständigen Vorständin, zugeordnet ist.
Seit einem guten Jahr ist Drischel auf ihrer Position und hatte am Anfang „eine sehr steile Lernkurve“. Denn das Thema Nachhaltigkeit war für sie neu, zuvor war die Wirtschaftswissenschaftlerin vor allem mit den Themen Produkt und Marke beschäftigt, zuletzt als Head of Brand and Communication Strategy Lufthansa Group. Bei der Besetzung der Stelle als oberster Nachhaltigkeitsmanagerin habe das Augenmerk bei den Verantwortlichen wohl weniger auf detaillierten Kenntnissen in der Materie als vielmehr auf bestimmten „Skills“ gelegen, über die Drischel nach eigenen Angaben verfügt. „Ich bin sehr hartnäckig“, nennt die Mutter von zwei Kindern im Gespräch ein Beispiel.
Hartnäckigkeit ist sicher wichtig, sollen Fluggesellschaften auf mehr Umweltverträglichkeit getrimmt werden. Denn der Weg dorthin ist lang und steinig. Als wichtigster Hebel gilt der verstärkte Einsatz von nachhaltigem Flugbenzin (Sustainable Aviation Fuel – SAF), aber davon gibt es bisher nur sehr kleine Mengen. „Würden wir alles in der Welt vorhandene SAF aufkaufen, würde das bei uns für zwei Wochen reichen“, rechnet Drischel vor. Deshalb setzt die Managerin zunächst vor allem auf die Hebel, „die wir selbst in der Hand haben“. Etwa den Einsatz von künstlicher Intelligenz, um die Flugrouten zu optimieren – und so den Kerosinverbrauch zu senken. Auf Effizienzsteigerungen und das Schärfen des Bewusstseins für das Thema Nachhaltigkeit. Letzteres soll im Übrigen nicht nur bei den Mitarbeitern, sondern auch bei den Kunden gelingen. Unter Drischels Ägide hat Lufthansa „green fares“ auf den Markt gebracht, bei denen durch die Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe 20% der CO2-Emissionen reduziert werden und der Rest durch einen Beitrag zu Klimaschutzprojekten kompensiert wird. Das nachhaltige Fliegen hat seinen Preis, so dass sich bisher nur 3,5% der Lufthansa-Kunden für die Tarife entscheiden. Obwohl sich bei Umfragen mehr als 85% der Flugreisenden für mehr Umweltschutz aussprechen. Wichtig auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist auch das Flotten-Roll-over, um alte Flieger durch verbrauchsärmere Maschinen zu ersetzen. Der Konzern investiert dafür jährlich 2 Mrd. Euro. Allerdings geht es dabei nicht so schnell voran wie gewünscht, weil die Flugzeughersteller mit Produktionsproblemen zu kämpfen haben. Das sorgt nicht nur bei der ehemaligen Ski-Leistungssportlerin Drischel für Unmut: „Ich warte nicht gerne.“
In dem Bemühen um Klimaneutralität verfolgt die Lufthansa derzeit diverse Projekte, die alle zusammen einen gewichtigen Beitrag leisten können, „aber die wirklich großen Schritte macht man mit Hilfe von Technologie“, ist Drischel überzeugt. Und da war die Lufthansa schon immer Pionier, so die Managerin. Ein Atmosphärenforscher, der in ihrem Team mitarbeitet, habe schon vor vielen Jahren für Messsonden auf Flugzeugen gesorgt, um die Umweltbelastung zu erfassen, „da war noch keine Rede von CO2-Emissionen und ihren Folgen“. Der Luftfahrtkonzern ist beispielsweise auch Pilotkunde der weltweit ersten Power-to-Liquid-Anlage, die Schweizer Tochter Swiss, bei der Drischel ebenfalls tätig war, hat zudem in die weltweit erste Produktion von CO₂-neutralen Solartreibstoffen investiert. Der technologische Fortschritt könne am Ende dafür sorgen, dass man CO2-Neutralität erreicht, ohne dafür auf Flugreisen verzichten zu müssen, hofft die Lufthansa-Managerin, die vor ihrer Zeit in der Airline-Industrie unter anderem bei Credit Suisse und Renault gearbeitet hat.