CSRD aus Investorensicht: Bessere Daten, bessere Entscheidungen
Gastbeitrag
CSRD aus Investorensicht: Bessere Daten, bessere Entscheidungen
Von Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei Deka Investment
Die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD hat einen schweren Stand. Unternehmen ächzen unter den scheinbar überbordenden Anforderungen, fortwährende Interpretationen auf EU-Ebene sorgen für Unsicherheit und „Berlin“ ziert sich bei der Umsetzung in nationales Recht. Dabei ist dies dringend notwendig. Denn CSRD ist aus Sicht von Aktionären ein deutlicher Schritt nach vorne.
Thema für Hauptversammlungen
Als EU-Richtlinie bedürfen die europäischen Regelungsvorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Umsetzung in nationales Recht. Der Bruch der Ampelregierung in Deutschland verhinderte jedoch den rechtzeitigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens. Die hiesigen Unternehmen sind daher formal weiterhin zur Non-Financial-Reporting-Richtlinie (NFRD) verpflichtet. Es ist den Unternehmen jedoch unbedingt anzuraten, ungeachtet der Verzögerungen eine transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzuzeigen und ihre Anstrengungen für ein aussagekräftiges ESG-Reporting nicht schleifen zu lassen. Auch eine Aufweichung der Standards wäre ein falsches Signal.
CSRD wird bei der bevorstehenden Hauptversammlungssaison eine besondere Rolle spielen. Datenpunkte aus dem ökologischen und sozialen Bereich werden dadurch dichter und genauer. Analog gilt dies für Aspekte der Governance. Dies verbessert die Vergleichbarkeit und Transparenz der Nachhaltigkeitsberichte enorm. Investoren können Chancen und Risiken deutlich besser einschätzen und ein Discounted-Cashflow Modell zum Unternehmenswert präzisieren. Begrüßenswert ist auch der Mindestprüfungsstandard Limited Assurance, der sicherstellt, dass die Unternehmen die geforderten Standards einhalten und die Nachhaltigkeitsleistung objektiv bewertet wird.
Die Haltung von Vorstand und Aufsichtsrat zur CSRD ist ebenfalls ein wichtiger Indikator und Treiber der Diskussion über die Nachhaltigkeitsambitionen des Unternehmens. Das Ambitionsniveau wird transparenter, Erfolge und Misserfolge werden damit sichtbarer. Sicherlich wird auch die Diskussion über die Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat zur ökologisch und sozialen Themen angeregt. Schließlich treibt der Fokus auf die drei Kriterien Environment, Social und Governance (ESG) zunehmend die Strategie von Unternehmen. Bei den Hauptversammlungen würde eine konsultative Abstimmung über die Klimastrategie durch die Aktionäre deutlich einfacher, denn zahlreiche Informationen über Klimaaspekte in der Konzernstrategie liegen nach CSRD vor.
Transparente Priorisierung
Die unter CSRD erfolgte Wesentlichkeitsanalyse zeigt ökologische und soziale Schwerpunkte aus Sicht des Unternehmens auf und legt damit eine Priorisierung offen. Finden sich diese nicht in der Nachhaltigkeitskomponente des Vergütungsprogramms wieder und werden die Abweichungen nicht ausreichend begründet, werden Aktionäre kritische Fragen stellen. Eine Ablehnung des Vergütungsprogramms oder sogar die Nicht-Entlastung der Gremien kann die Folge sein. Aufgrund der zahlreichen abzustimmenden Vergütungsprogramme in der bevorstehenden Hauptversammlungs-Saison kann dieser Aspekt eine besondere Brisanz entwickeln.
Heikel kann für die Unternehmen auch werden, dass sie noch stärker ins Visier von aktivistischen Investoren geraten. Diese attackieren schon heute zunehmend deutsche Unternehmen unter Zuhilfenahme von Nachhaltigkeitsdaten. Bei Pflichtverletzungen können sie ihr Recht auf Sonderprüfung ziehen, um einen unabhängigen Prüfer zu beauftragen. Bei bis zu 1.200 Datenpunkten und bislang keinen Erfahrungswerten, kann dies zumindest unangenehm werden und Ressourcen binden.
Mangelnder Gleichlauf
Ein negativer Aspekt ist der mangelnde Gleichlauf von CSRD und Offenlegungsverordnung SFDR, denn durch die Wesentlichkeitsanalyse können Unternehmen selbst entscheiden und müssen nicht jeden Datenpunkt berichten, den Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in der EU berücksichtigen müssen. Hier ist Reformbedarf notwendig. Schließlich können Investoren nur das berichten, was die Unternehmen auch veröffentlichen.
Es bleibt festzuhalten: CSRD ist aus Sicht von Aktionären enorm wichtig. Sie sollte nicht als bloße bürokratische Pflicht angesehen werden. Die Transparenz wird durch die Richtlinie erhöht, wodurch Chancen und Risiken besser eingeschätzt werden können.
Wechselseitige Wirkung
Die CSRD geht außerdem über die reine Berichterstattungspflicht hinaus – sie hat eine wechselseitige Wirkung. Sie wird die Strategie des Unternehmens stärker beeinflussen, was sich auf die „Equity-Story“ am Kapitalmarkt, das Vergütungsprogramm als Räderwerk des Ganzen und letztlich auch die Entlastung der Gremien durch die Hauptversammlung auswirken wird.