Der schleichende Tod des Nachhaltigkeitstrends
Nachhaltigkeit
Assetmanager als Fähnchen im Wind
Dass Blackrock und Konsorten ihr ESG-Engagement zurückfahren, ist ein tödliches Signal für den Megatrend.
Von Alex Wehnert
Der angebliche Kapitalmarkt-Megatrend zu Nachhaltigkeit droht in den Vereinigten Staaten seinen schleichenden Tod zu finden. Denn führende Assetmanager, die sich in den vergangenen Jahren als Advokaten von Umweltschutz, sozialem Wirtschaften und guter Unternehmensführung gebärdet haben, entpuppen sich zunehmend als Fähnchen im politischen Gegenwind, der von republikanischer Seite in Bezug auf ESG weht. Blackrock als Branchenprimus liefert dafür das beste Beispiel: In den zwölf Monaten bis Ende Juni hat der Vermögensverwalter laut seinem jährlichen Investment-Stewardship-Report auf Hauptversammlungen lediglich 20 von 493 Aktionärsinitiativen zu Umwelt- und Sozialaspekten unterstützt, die ihm vorlagen – also gerade einmal 4%. Im Jahr 2021 waren es noch 47%, bereits in den vergangenen beiden Jahren erodierte der Rückhalt durch Blackrock.
Milliardenschwere Mittelabflüsse
Konkurrentin Vanguard votierte in der Hauptversammlungssaison 2024 indes mit keiner einzigen der 400 Umwelt- und Sozialinitiativen, die sie prüfte, und verwies dabei darauf, dass die Vorschläge „übermäßig normativ“ und unnötig gewesen seien oder sich zumindest auf kein materielles finanzielles Risiko ausgewirkt hätten. Auch wenn das Abstimmungsverhalten bei Governance-Initiativen bisher noch standfester ausfällt: Der Hund dürfte anderswo begraben liegen, als es die Vermögensverwalter glauben machen wollen. Schließlich hat die Unterstützung für Nachhaltigkeit die Branche in den USA milliardenschwere Kundenmittel gekostet. Ende April zog der Texas Permanent School Fund auf einen Schlag 8,5 Mrd. Dollar aus Blackrock-Vehikeln ab.
Eng koordinierte Kampagne
Dies bedeutete einen der bisher signalstärksten Schritte im Rahmen einer „eng koordinierten Kampagne“, die republikanische Bundesstaaten, konservative Thinktanks und rechte Interessengruppen laut der Ratingagentur S&P Global seit über zwei Jahren gegen ESG-Vehikel verfolgen. Blackrock hat das Engagement in Initiativen wie „Climate Action 100+“ zurückgefahren, Konkurrenten wie State Street oder die Allianz-Tochter Pimco haben sich sogar ganz zurückgezogen. In den abgelaufenen Quartalen haben Assetmanager in den USA laut Morningstar deutlich mehr nachhaltige Vehikel dichtgemacht als lanciert. Analysten sehen dies als Reaktion auf Maßnahmen von Staaten um Texas, die Fonds dafür abstrafen, dass sie angeblich Energieunternehmen boykottieren.
Die tiefe politische Spaltung innerhalb der USA kommt im Jahr der Präsidentschafts- und Kongresswahlen noch einmal besonders stark zum Tragen. Diese beschert demokratisch kontrollierten Bundesstaaten wie Kalifornien, die sich an einer progressiven Klimaschutzpolitik versuchen, eine großflächige Abwanderung von Unternehmen und Großkonzernen, die sich lieber im von einer laxeren Regulierung und überdies freundlicheren Steuerrechtsprechung geprägten Texas ansiedeln. Der Konflikt um ESG hat dabei auch für die beteiligten Manager äußerst unschöne Auswirkungen – Blackrock sah sich aus Furcht vor Attacken durch Anti-Woke-Aktivisten und Verschwörungstheoretiker bereits im vergangenen Jahr gezwungen, die Sicherheitsvorkehrungen für CEO Larry Fink kräftig hochzufahren.
Gelebter Opportunismus
Natürlich ist es inakzeptabel, wenn Entscheidungsträger großer Vermögensverwalter aufgrund ihres Engagements für bestimmte Themen um ihre körperliche Unversehrtheit oder die ihrer Familien fürchten müssen. Die damit einhergehenden psychologischen Belastungen sind ihnen nicht zu neiden. Und doch zeugt es von gelebtem Opportunismus, wenn ihre Firmen nun unter dem Druck rechter und konservativer Kreise einknicken. Denn zuvor war doch immer davon die Rede, dass ESG das zentrale Zukunftsthema sei, für das es sich gegen jegliche Widerstände zu kämpfen lohne – kurzfristige Mittelabflüsse oder die zwischenzeitliche Performanceschwäche grüner Fonds sollten für die vermeintlichen Ideologen des Assetmanagements da eigentlich eine untergeordnete Rolle spielen. Dass Häuser wie Blackrock und Vanguard ihre Fähnchen nun doch in den Wind hängen, kann aufgrund ihres enormen Stimmgewichts auf Hauptversammlungen tödliche Konsequenzen für den gesamten Nachhaltigkeitstrend haben.