„Die Finanzierbarkeit wird noch herausfordernder“
IM INTERVIEW: TOBIAS ALBRECHT
„Die Finanzierbarkeit wird deutlich herausfordernder“
Barclays-Bondexperte: Einbeziehung der Kapitalmärkte wird bei grüner Transformation noch stärker – Automobilbereich steht im Fokus
Im Rahmen der grünen Transformation werden die Kapitalmärkte und damit Green Bonds in den nächsten Jahren noch stärker in Anspruch genommen. Höhere Refinanzierungserfordernisse kommen auf den Automobilbereich aufgrund der E-Autos zu.
Das Interview führte Kai Johannsen.
Herr Albrecht, die grüne Transformation der Wirtschaft ist in aller Munde. Vor welchen Herausforderungen stehen die Kapitalmärkte in dieser Hinsicht?
Seit 2007 gibt es nun die grünen Anleihen, und der Markt der grünen, sozialen und nachhaltigen bzw. nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen hat sich mittlerweile global zu einem 4,5 Bill. Dollar schweren Markt entwickelt. Aber trotzdem muss die Finanzierung der grünen Transformation künftig noch mehr in den Fokus kommen, und die Einbeziehung der Kapitalmärkte sollte in diesem Zusammenhang künftig noch stärker werden. Die Europäische Zentralbank schätzt, dass jährlich 480 Mrd. Euro an Investitionen notwendig sind, um die Klimaziele in Europa bis 2030 zu erreichen. Wir befinden uns allerdings in einem Umfeld höherer Zinsen, so dass das Finanzierungsumfeld für Unternehmen deutlich anspruchsvoller geworden ist. Zudem sind notwendige technologische Innovationen immer auch mit Risiken verbunden. Das kann bedeuten, dass sich dadurch auch der Risikoappetit der Investoren für diese Unternehmen bzw. deren Finanzierungsinstrumente reduziert.
Das heißt, die Finanzierbarkeit wird zunehmend fraglich?
Ich glaube nicht, dass wir in dieser Hinsicht vor ein gewaltiges Problem gestellt werden. Aber die Finanzierbarkeit wird in den kommenden Jahren deutlich herausfordernder. Wichtig ist hierbei, dass die Unternehmen den Investoren wirtschaftlich nachhaltige Geschäftsmodelle bzw. einen klaren Transformationsweg präsentieren. Darauf werden die Anleger in den kommenden Jahren sehr stark achten. Und hierbei wird auch sehr genau geprüft werden, inwieweit die Finanzierung zu tragbaren Konditionen dargestellt werden kann.
Welche Sektoren haben sehr hohe Kapitalvolumina in diesem Zusammenhang in der Zukunft zu bewältigen?
Das ist ohne Frage zum einen der Versorgerbereich. Hier konnten wir in den vergangenen Jahren schon eine deutliche Zunahme der Emissionsaktivitäten am Anleihemarkt in Folge der Energiewende feststellen. Aber auch andere Sektoren, die sich in einer Transformation befinden – wie der Automobilsektor –, werden stärker in den Fokus geraten.
Warum gerade auch der Automobilbereich?
Unter anderem weil die Leasingaktivitäten in den kommenden Jahren zunehmen könnten. Bei den Fahrzeugen mit Verbrennermotor liegt der Leasing- und Finanzierungsanteil durch Kunden bei um die 40%. Bei den E-Autos wird geschätzt, dass dieser Anteil auf 80% ansteigen könnte. Denn viele Konsumenten möchten das Wertentwicklungsrisiko des E-Autos nicht übernehmen. Durch einen Leasingvertrag wird dies vermieden, da das Auto am Ende einer gewissen Zeitspanne wieder an den Produzenten zurückgeben werden kann. Das heißt für die Automobilproduzenten aber, dass im Financial Services Bereich ein enormer Kapitalbedarf in Form der Vorfinanzierung entstehen kann, und dieser wird unter anderem über den Bondmarkt finanziert werden müssen.
Mit welchen Instrumenten wird die grüne Transformation in den kommenden Jahren finanziert?
Der Anleihemarkt wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen und damit auch die Green Bonds. Unternehmen werden sich aber auch noch mehr Gedanken über die Wahl der Finanzierungsinstrumente machen müssen und damit über Produkte wie Projektfinanzierungen, ABS-Finanzierungen sowie Refinanzierungen in anderen Währungen. Einige Unternehmen erwägen z.B. Finanzierungen am US-Corporate-Bond-Markt. Die Diversifizierung der Finanzierungsinstrumente wird auf der Agenda weiter nach oben rücken.
Erwarten Sie eine Zunahme der entsprechenden ESG-Finanzierungen?
Das sehen wir nicht unbedingt. In den vergangenen Jahren lagen wir bei einem Anteil der ESG-Bonds an den gesamten Eurobond-Anleiheemissionen von 20% bis knapp 30%. 2022 war es ein Hoch von 28%. Wir gehen davon aus, dass es in der Bandbreite von 25% bis 30% ESG-Anteil bei allen Bondemissionen bleiben wird.
Warum wird sich das nicht verstärken?
Unternehmen setzen sich bereits seit Jahren intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten wie Green Bonds auseinander. Daher ist die Entscheidung, nachhaltige Anleihen zu nutzen, in vielen Fällen bereits gefallen. Wir sehen in den kommenden Jahren also weniger Emittenten, die sich diese Instrumente erstmalig anschauen Hinzu kommt, dass regulatorische Initiativen wie z.B. die EU-Taxonomie es Investoren erleichtern, nachhaltige Investitionen zu identifizieren. Allerdings stehen Unternehmen, die die regulatorischen Kriterien noch nicht erfüllen, vor Herausforderungen.
Gibt es weitere Gründe, weshalb Sie praktisch nur Stabilität im Markt bei ESG-Anleihen sehen?
Ja, ein Grund ist auch der Preis. Ein signifikanter Preisvorteil für ESG-Finanzierungen gegenüber konventionellen Anleihen ist statistisch nicht nachweisbar. Wir schätzen, dass der preisliche Vorteil einer ESG-Finanzierung aktuell in der Spanne von 0 bis 5 Basispunkten liegt.
Wie schätzen Sie Entwicklung im Segment der Sustainability-linked Bonds ein?
Der Euro-Anleihe-Markt hat in diesem Jahr einen 40%igen Rückgang der Emissionen erlebt, aktuell gibt es keine Anzeichen für eine deutliche Erholung.
Worauf ist der scharfe Einbruch zurückzuführen?
Dieser Markt ist noch relativ jung und ist vor allem für Unternehmen relevant, die noch auf ihrem Transformationsweg sind, das heißt Stand heute nicht als grüne Unternehmen klassifiziert werden. Die Finanzierungskosten werden hier an Key Performance Indicators, wie z.B. CO2-Emissionen geknüpft. Leider hat sich hier bislang am Kapitalmarkt noch keine Standardisierung bezüglich Wahl und vor allem Ambitioniertheit der Ziele gebildet. Hier gilt es, in Zukunft mehr Vertrauen bei Investoren zu schaffen, denn dieses Instrument verbindet die Finanzierung der grünen Transformationen direkt mit ESG-Zielen der Unternehmen.