ExklusivEU-Lieferkettengesetz

Europaweite Sorgfaltspflichten für Finanzbranche rücken näher

Es geht um "eines der umstrittensten Elemente" des EU-Lieferkettengesetzes: Ein internes Verhandlungspapier zeigt, welche Sorgfaltspflichten auf Banken, Versicherer und Investmentdienstleister zukommen könnten.

Europaweite Sorgfaltspflichten für Finanzbranche rücken näher

EU-weite Sorgfaltspflichten rücken näher

Lieferkettengesetz: Schwierige Kompromisssuche zu Umgang mit Banken, Versicherern und Investmentdienstleistern

Es geht um "eines der umstrittensten Elemente" des EU-Lieferkettengesetzes: Ein internes Verhandlungspapier zeigt, um welche Optionen zu Sorgfaltspflichten für die Finanzbranche in Brüssel gerungen wird. Banken und Versicherer könnten anders behandelt werden als Investmentdienstleister.

rec Brüssel

Fachleute der 27 EU-Staaten eruieren mehrere Optionen, wie der Finanzsektor im Zuge eines einheitlichen Lieferkettengesetzes in globale Sorgfaltspflichten einzubinden ist. Das geht aus einem internen Dokument aus dem Verhandlungskreis der EU-Staaten hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt. "Die spanische Ratspräsidentschaft lotet die Spielräume für Kompromisse aus", heißt es in informierten Kreisen.

Die Behandlung von Banken, Versicherern und Vermögensverwaltern sei "eines der umstrittensten Elemente des Vorschlags", konstatieren die Verhandlungsführer aus Spanien.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Finanzsektor in EU-weite Sorgfaltspflichten aufzunehmen. Auch das Europaparlament ist dafür, zahlreiche Interessengruppen von Menschenrechtlern über Umweltschützer bis Gewerkschaften ohnehin.

Wird der Finanzsektor explizit einbezogen, müsste das deutsche Lieferkettengesetz nachgebessert werden. Es ist seit Anfang 2023 in Kraft und wird zum Jahreswechsel auf mehr Unternehmen ausgeweitet. Auf die Rolle von Banken, Versicherern und Investmentgesellschaften geht es allerdings nicht ein. Ob es den EU-Staaten selbst überlassen werden soll, den Finanzsektor einzubeziehen, ist ein zentraler Punkt in den politischen Verhandlungen zum EU-Lieferkettengesetz.

Furcht vor Flickenteppich

Vor allem die französische Regierung dringt dem Vernehmen nach darauf, die Finanzbranche pauschal auszuklammern. Sie will die heimische Finanzindustrie schonen. Die Bundesregierung soll die Sache differenzierter sehen und unter Umständen bereit sein, Banken und Versicherer in direkten Beziehungen mit Kunden stärker in die Pflicht zu nehmen.

Die niederländische Regierung steht unter Druck von Pensionsfonds, Versicherern und Banken, sich für die Aufnahme des Finanzsektors starkzumachen. Sie meinen: Unternehmen einschließlich der Finanzbranche könnten eine Schlüsselrolle spielen, um Menschenrechtsverletzungen einzudämmen und Umweltprobleme anzugehen. Ansonsten drohe ein regulatorischer Flickenteppich in Europa.

Insidern zufolge zeichnet sich eine Mehrheit für den Abschied vom Optionalmodell ab. Das würde bedeuten, dass Frankreich abblitzt und künftig in der gesamten Europäischen Union ausnahmslos gewisse Sorgfaltspflichten für Finanzunternehmen gelten. Die spannende Frage sei derzeit, welche Finanzmarktakteure unter das EU-Lieferkettengesetz fallen werden und welche nicht, heißt es.

Die spanische Ratspräsidentschaft sieht einen möglichen Kompromiss in abgestuften Sorgfaltspflichten für Investmentdienstleister. Eine Gleichbehandlung mit dem Banken- und Versicherungssektor könne verhindert werden, heißt es in dem Papier, das Grundlage für Verhandlungen unter den EU-Staaten in diesen Tagen ist. Die Bundesregierung unterstützt diese Linie dem Vernehmen nach. Ein Vorschlag ist, Sorgfaltspflichten mit der Aktionärsrechterichtlinie 2 (SRD II) zu verzahnen. Dabei geht es um die Kommunikation zwischen Unternehmen und Anteilseignern, wozu häufig institutionelle Investoren und Fondsgesellschaften gehören.

Teile der Wertschöpfungskette

Was Banken und Versicherer betrifft, erwägen die EU-Staaten, dass diese nicht die gesamte Wertschöpfungskette ihrer Kredit- und Versicherungsnehmer überwachen müssen. Diskutiert werden gleichwohl striktere Vorgaben, sofern Kunden im Zuge des Lieferkettengesetzes sanktioniert worden sind: In diesem Fall sollten Finanzdienstleister "von der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu diesem Unternehmen absehen oder zumindest angemessene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen", lautet eine Kompromisslinie.

Entscheidung muss jetzt getroffen werden

Scheitert die Kompromisssuche, steht ein eigenständiges Verfahren für Finanzunternehmen in Rede, "das an ihre Besonderheiten angepasst ist". Diese Option würde allerdings deutlich vom Gesetzesvorschlag der EU-Kommission abweichen und wohl länger dauern. Spekuliert wird, die Einbeziehung des Finanzsektors zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen.

Das würde zu Reibereien mit dem EU-Parlament und zivilgesellschaftlichen Gruppen führen. "Eine Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag halte ich für absolut nicht ausreichend", stellt der SPD-Europaabgeordnete René Repasi klar. Er ist für den Umgang mit dem Finanzsektor im Lieferkettengesetz verantwortlich. "Die Entscheidung über die Einbindung des Finanzsektors muss jetzt getroffen werden", fordert Repasi.

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