Gender Diversity nimmt Fahrt auf
Gender Diversity nimmt Fahrt auf
Immer mehr Institutionen nehmen sich des Themas an, spezielle Bonds kommen auf den Markt.
Von Kai Johannsen, Frankfurt
Das Thema Nachhaltigkeit (Sustainability) spielt an den Finanzmärkten eine große Rolle, und auch 2024 wird es weiterhin das zentrale Thema an den internationalen Märkten sein. Immer mehr Emittenten begeben sich mit nachhaltigen Anleihen an den Markt. Eingesetzt werden die Gelder aus diesen zweckgebundenen Anleihen zur Erreichung der Sustainable Development Goals der UN. Viele Anleger denken dabei in erster Linie an sauberes Trinkwasser, Bildung, Leben an Land und im Wasser sowie bezahlbaren Wohnraum und anderes mehr. Ein Bereich, der in der Realwirtschaft und damit auch im Finanzierungsbereich über die Finanzmärkte einen immer größeren Stellenwert einnimmt, ist Gender Diversity und Inclusion, also Geschlechtervielfalt und Integration dieser in Beruf und Gesellschaft. Da wird zuerst an unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen gedacht und dabei zumeist – wenn es um den Beruf geht – an die Bezahlung – bekannt auch als das Gender Pay Gap. Denn in vielen Ländern werden Frauen für die gleiche Arbeit in ihrem Job mit einem geringeren Ein-kommen entlohnt als ihre männlichen Kollegen.
Auch der Standort Deutschland hat hier noch enormes Aufholpotenzial. In Deutschland verdienen Frauen im Durchschnitt über alle Berufsgruppen und Positionen hinweg betrachtet fast 18% weniger als ihre männlichen Kollegen. Das zeigen Daten von Eurostat, der EU-Statistikinstitution, für das Jahr 2021. Damit liegt die Bundesrepublik als in vielerlei Hinsicht gepriesener Wirtschaftsstandort innerhalb der EU auf dem drittletzten Platz. Schlechter verdient das weibliche Geschlecht nur noch in Österreich und in Estland. Offenkundig viel Entwicklungsspielraum nach oben hat Deutschland demzufolge in der Geschlechterangleichung bei der Bezahlung. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Luxemburg. Im Großherzogtum verdienten Frauen im Jahr 2021 im Schnitt 0,2% mehr als Männer. Ein Pay Gap, wenn auch ein minimales, zugunsten der Frauen. Viele Institutionen nehmen sich des Themas Gender Diversity und Inclusion an. Es sind auch bereits erste Gender Bonds auf den Markt gekommen, mit deren Erlösen Projekte zur Angleichung dieser Gender-Lücken finanziert werden. Auch Portfolios für Anleger werden aufgelegt, um genau solche Projekte zu adressieren. Es ist zu erwarten, dass das Thema 2024 Fahrt aufnehmen wird, d.h., dass weitere solcher Anleihen auf den Markt kommen werden. Vielleicht folgen auch andere Vehikel wie entsprechend ausgerichtete Fonds.
Viele Projekte in Arbeit
Doch beim Thema Gender und der Reduktion auf Mann und Frau wird es künftig nicht bleiben (können). Es geht auch um die Einbeziehung von Homosexuellen, Bisexuellen, Menschen, die sich als geschlechtslos einstufen etc. – zusammengefasst unter LGBTQIA+. Viele Institution starten mittlerweile entsprechende Projekte. An den Finanzmärkten wird mittlerweile deshalb auch schon von DEI gesprochen, also Diversity, Equity & Inclusion. Denn es geht um weit mehr als nur um Geschlechterdiversität und eine entsprechende Integration in der Arbeitswelt. Es geht auch um unterschiedliche Nationalitäten, Herkünfte, also ethnische Aspekte und damit auch sprachliche sowie kulturelle Hintergründe, um Menschen mit körperlicher Versehrtheit, unterschiedliche Bildungsniveaus etc. Diversität läuft eben auf sehr viele verschiedene Bereiche heraus. Studien zeigen, dass es für Firmen eine Bereicherung darstellt, diese Diversität anzugehen und diese Menschen zu integrieren. Unternehmen und andere Institutionen erfahren dadurch eine Weiterentwicklung in Form neuer Ideen und Kreativität, und das sind Aspekte, die einen Arbeitgeber voranbringen und ihn auch attraktiv für Menschen machen, insbesondere auch für Berufsanfänger.
Dass dies ein enormes Finanzierungserfordernis mit sich bringt, liegt auf der Hand. Für den Kapitalmarkt bedeutet dies aber auch, dass es neue Produkte geben wird, deren Erlöse genau diesen Zwecken dann zugeführt werden. Über eine mangelnde Nachfrage seitens der Investoren nach diesen neuen Kapitalmarktprodukten – vieles wird wohl über Bonds finanziert werden – wird man sich keine Gedanken machen müssen. Innovationen dieser Art sind in den vergangenen Jahren vom Markt und damit von den Investoren sehr gut aufgenommen worden. Das zeigen nicht nur die Green Bonds, sondern auch die Social Bonds, in diesen Bereich werden sie wohl am ehesten eingruppiert werden, und die nachhaltigen Anleihen. Neue Emittenten konnten sich regelmäßig über eine sehr gute Nachfrage, sprich prall gefüllt Orderbücher freuen. Und wegen einer Fragmentierung des Marktes und damit eines Liquiditätsverlusts der Papiere wird man sich kaum sorgen müssen. Denn sie lassen sich ja bequem unter den Sozialanleihen mitverbuchen – nur eben mit einer konkreten Ausrichtung. Für Anleger sind diese Produkte auch eine gute Nachricht, erhalten sie doch Produkte, mit denen sie ganz konkret ein bestimmtes Unterfangen finanzieren und damit ihr Portfolio thematisch diversifizieren können.