Nachhaltigkeitsberichte

Investoren beklagen ESG-Wirrwarr

Die von der EU-Kommission geplanten Erleichterungen für Unternehmen im ESG-Reporting sorgen für Protest im Finanzsektor. Brüssel riskiere, die Ziele anderer EU-Initiativen für nachhaltige Finanzen zu untergraben. Der deutsche Standardsetzer DRSC hofft auf global einheitliche Normen für Nachhaltigkeitsberichte.

Investoren beklagen ESG-Wirrwarr

Investoren beklagen ESG-Wirrwarr

BVI moniert Datenerosion in Nachhaltigkeitsberichten – DRSC-Präsident Lanfermann setzt auf globale Bilanzsprache

swa Frankfurt

Die von der EU-Kommission geplanten Erleichterungen für Unternehmen im ESG-Reporting sorgen für Protest im Finanzsektor. Brüssel riskiere, die Ziele anderer EU-Initiativen für nachhaltige Finanzen zu untergraben. Der deutsche Standardsetzer DRSC hofft auf global einheitliche Normen für Nachhaltigkeitsberichte.

Die Vollendung der ersten europäischen und internationalen Standards für Nachhaltigkeitsberichte fordert Unternehmen und Investoren heraus. Nutzer und Anwender der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind mit einem Wust an neuen Anforderungen konfrontiert. Für viele große Unternehmen sind Nachhaltigkeitsberichte seit vielen Jahren eine gewohnte Übung, sie haben sich mit dem Thema befasst und haben viele Daten schon vorrätig. Tausende Unternehmen betreten aber Neuland und kommen erstmals in die Berichtspflichten nach der CSRD-Richtlinie der EU.

In der gleichen Liga

Die Notwendigkeit des ESG-Reporting ist unbestritten. „Die Nachhaltigkeitsberichterstattung spielt in der gleichen Liga wie die Finanzberichterstattung“, betont Georg Lanfermann, Präsident des Deutschen Bilanzstandardsetzers, auf einer Veranstaltung zum 25. Jubiläum des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) in Berlin. Er hält ein systematisches Zusammenschalten von Finanz- und ESG-Berichterstattung für entscheidend und unterstreicht, dass es „in Richtung Integration“ der beiden Standardwelten gehen sollte.

Das DRSC wird sich nach den Worten Lanfermanns an vorderster Stelle dafür einsetzen, eine globale Sprache für das ESG-Reporting zu finden. Es werde nach Veröffentlichung der ersten Standards auf EU-Ebene und global weitere Anpassungsarbeiten geben müssen. Dabei sollte man aus Sicht von Lanfermann „nicht scheu sein, konstruktiv zu überlegen, wie man die Themen voranbringt“.

Politik in der Pflicht

Auch aus Sicht der Wirtschaftsprüfer werden sich viele Auslegungsfragen bei der ersten Anwendung der neuen ESG-Standards ergeben. Melanie Sack, stellvertretende Vorstandssprecherin des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht. „Die Auslegungsprobleme dürfen nicht bei den Prüfern abgeladen werden“, warnt die Branchenvertreterin.

Für erhebliche Unruhe auf Investorenseite sorgen die auf letzter Strecke von der EU-Kommission geplanten Erleichterungen für Unternehmen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. So will Brüssel den Firmen anheimstellen, nur noch im Detail über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte zu berichten, wenn sie diese Informationen für wesentlich halten. Die in Brüssel mit der fachlichen Ausarbeitung der Nachhaltigkeitsstandards ESRS beauftragte European Financial Reporting Advisory Group (Efrag) hatte in ihren Entwürfen dagegen strengere Anforderungen gesetzt und deutlich mehr Datenpunkte als „unwiderlegbar wesentlich“ qualifiziert. Für die Finanzindustrie steht der nun den Unternehmen eingeräumte „Wesentlichkeitsvorbehalt“ im Konflikt mit den europäischen Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor aus der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).

“Ein Bärendienst”

Aus Sicht des Fondsverbands BVI erweist die EU-Kommission mit der Unvereinbarkeit der Regelwerke der Nachhaltigkeitsberichterstattung „einen Bärendienst“. Der aktuelle Entwurf für den EU-Berichtsstandard ESRS werde dazu führen, „dass Assetmanager nicht alle notwendigen Informationen von den Unternehmen erhalten, die sie für ihre eigenen Berichtspflichten brauchen. Das angestrebte Ziel, Informationslücken zur Nachhaltigkeit zu schließen und die Abhängigkeit von ESG-Datenanbietern zu verringern, wird damit verfehlt“, moniert ein BVI-Sprecher auf Anfrage.

Der BVI fordert die EU-Kommission auf, den Vorschlägen ihrer Expertenkommission Efrag zu folgen und den Entwurf anzupassen. „Unternehmen müssen verpflichtend über die wichtigsten Umwelt- und Sozialindikatoren berichten, auch damit Assetmanager die Glaubwürdigkeit von Übergangsplänen der Unternehmen bewerten können“, heißt es vom Fondsverband.

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