KommentarEU-Lieferkettengesetz

Kein Grund zum Jubel

Durch das Scheitern des EU-Lieferkettengesetzes, so argumentieren Industrie und Handel, sei Rechtsunsicherheit abgewendet worden. Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation.

Kein Grund zum Jubel

EU-Lieferkettengesetz

Kein Grund zum Jubel

Von Detlef Fechtner

In Pressemitteilungen, die nach dem Scheitern des EU-Lieferkettengesetzes von Industrie und Handel versendet worden sind, ist von „guten Nachrichten“ die Rede. Immerhin sei ja eine „erhebliche Rechtsunsicherheit“ abgewendet worden. Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation. Denn dass nun wohl erst einmal keine EU-Regelung zustande kommt, bedeutet – zumindest für international tätige Unternehmen – definitiv nicht mehr Rechtssicherheit. Sie müssen jede Menge nationale Regeln beachten – und es werden gewiss noch mehr, weil etwa die Niederländer auf ihre (übrigens recht strikten) Vorgaben in Erwartung einer EU-Richtlinie zu verzichten bereit waren. Auch blenden viele Gegner des EU-Lieferkettengesetzes aus, dass diese neue Regelung vieles gebündelt hätte, was ohnehin längst beachtet werden muss. Nun müssen Firmen aufwändig prüfen, was sie dürfen und was nicht, sobald sie Holz einsetzen oder Batterien. Oder oder oder. Zudem spricht aus einigen Argumenten, die gegen das EU-Lieferkettengesetz vorgetragen wurden, eher Argwohn gegen alles, was aus Brüssel kommt, als eine belastbare Risikoabschätzung. Jedenfalls ist die Angst vor einer EU-Kommission, die jede Chance nutzt, um Unternehmen zu kujonieren, mit einem Fragezeichen zu versehen.

Die Intervention von Christian Lindner und Marco Buschmann hat dafür gesorgt, dass es der belgische EU-Ratsvorsitz nicht mehr schaffen dürfte, eine Mehrheit zu organisieren. Ab Sommer sind die Ungarn dran, die keinen Ehrgeiz für das Thema haben. Und für die stärker werdende Fraktion der Europagegner im EU-Parlament wird das mittlerweile miserabel beleumundete Lieferkettengesetz eine Einladung sein, um sich publikumsträchtig gegen EU-Gesetzgebung im Allgemeinen zu profilieren. Hinzu kommt der politische Schaden. Deutschland hat gezeigt, ein EU-Gesetz selbst dann noch kippen zu können, nachdem sich alle darauf geeinigt hatten. Alle, die das Scheitern heute bejubeln, sollten sich demnächst nicht beklagen, dass die Verlässlichkeit der Bundesregierung – und damit ihr Einfluss bei künftigen Dossiers – gelitten hat.

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