GastbeitragUmweltschutz

Klimaklagen werden zunehmend zum Risiko für Unternehmen

Klimaklagen sind trotz rechtlicher Hindernisse ein reales Risiko für Unternehmen und Regierungen. Welche präventiven Maßnahmen angeraten sind.

Klimaklagen werden zunehmend zum Risiko für Unternehmen

Klimaklagen werden zunehmend
zum Risiko für Unternehmen

Diskussion verlagert sich in den Gerichtssaal – Von vagen Aussagen ist abzuraten

Von Isabelle Knoché und Jasmin Runge *)

Mehr und mehr erfordert die Implementierung von Initiativen zur Nachhaltigkeit eine ganzheitliche, interdisziplinäre und klare Strategie, die auch die Minimierung von Haftungsrisiken umfassen muss. Diese Risiken gehen nicht ausschließlich aus gesetzlichen Regularien hervor. Immer häufiger klagen Bürgerinnen und Bürger sowie Nichtregierungsorganisationen gegen Regierungen und Unternehmen. Erst im April führte die erste erfolgreiche Klimaklage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu einer Verurteilung der Schweiz. Sechs Schweizer Seniorinnen haben der schweizerischen Regierung vorgeworfen, unzureichende Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Die Klage hatte Erfolg: Das Gericht gab den Klägerinnen Recht. Diese Urteilsverkündung vom 9. April könnte noch in weiteren Verfahren als Präzedenzfall und somit als wegweisendes Urteil dienen.

Greenwashing als Klagerisiko

Klimaklagen haben in den vergangenen Jahren die Debatte um den Klimaschutz geprägt. Sie zielen darauf ab, Regierungen sowie auch immer häufiger Unternehmen zu klimafreundlicherem Verhalten zu verpflichten. ESG-Strategien und Produktbewerbungen von Unternehmen rücken weltweit in den Mittelpunkt. Die verstärkte Implementierung von Nachhaltigkeitsinitiativen stellt insbesondere Unternehmen vor große Herausforderungen. Derzeit gewinnt der Vorwurf des Greenwashings immer mehr an Bedeutung. Greenwashing entwickelt sich zu einer schwer kalkulierbaren Haftungsgefahr.

Der weit auszulegende Begriff umfasst alle vorteilhaften, unrichtigen oder unvollständigen Angaben, von fehlerhafter oder unvollständiger Berichterstattung über fehlerhafte Angaben zu Finanzprodukten wie Geldanlagen und Versicherungen, Anlageberatung, Marketingaussagen, Prospekten und Werbeaussagen bis hin zu Angaben zu ESG-bezogenen Themen und unternehmerischen Klimazielen. Bei der Werbung von ESG-bezogenen Bestrebungen durch Unternehmen ist daher zunehmend Vorsicht geboten – Greenwashing birgt eine Vielzahl rechtlicher Fallstricke.

Klagen in Deutschland

In Deutschland folgten nach dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss von 2021 und dem Urteil gegen ein Mineral- und Erdgasunternehmen vermehrt Klimaklagen. So wurden im Herbst 2021 mehrere Klagen gegen Automobilhersteller eingereicht mit dem Ziel, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren bis 2030 einzustellen bzw. ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ein entsprechender Anspruch soll sich aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB wegen der Beeinträchtigung des gegenwärtigen und künftigen allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Privatpersonen ergeben.

Die Klagen wurden erstinstanzlich abgewiesen, da es dem Gesetzgeber obliege, zu entscheiden, welche Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden sollten. Klimaklagen begegnen erheblichen Hürden. Trotz zahlreicher Herausforderungen dürfen die mit einem Prozess verbundenen Kosten, sowie die damit einhergehenden Reputationsschäden nicht außer Acht gelassen werden.

Folgen und Empfehlungen

Erfolgreiche Klimaklagen setzen wegweisende Präzedenzfälle für die Klimarechtsprechung. Klimaklagen werden immer häufiger als Instrument für den Klimaschutz genutzt, und die Diskussion verlagert sich zunehmend in den Gerichtssaal. Insbesondere die Entscheidung des EGMR könnte einen Anstieg von Klagen gegen Unternehmen nach sich ziehen, die Klimarisiken ungenau, irreführend oder unvollständig darstellen.

Der Wandel in Richtung Nachhaltigkeit bringt auch eine Entwicklung der Rechtsordnung mit sich: Offene Rechtsbegriffe und eine dynamisch variable Verkehrsanschauung könnten zu einer noch klimafreundlicheren Rechtsprechung führen. Der regulatorische Trend zu einer nachhaltigen Entwicklung, die Förderung von Umweltstandards und sozialer Gerechtigkeit macht sich bereits verstärkt durch jüngst in Kraft getretene Regularien bemerkbar, etwa die EU-Taxonomie-Verordnung oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Durch die ansteigenden Klimaklagen kommt den Gerichten eine relevante Komplementärfunktion zu. Somit sind Klimaklagen trotz rechtlicher Hindernisse ein reales Risiko für Unternehmen und Regierungen.

Präventive Maßnahmen

Unternehmen haben die Möglichkeit, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um potenzielle Klimaklagen zu vermeiden. Bei der Beurteilung von Maßnahmen in der Unternehmensführung ist der Aspekt des Klimaschutzes stets mit zu berücksichtigen. Angesichts der umfangreichen Initiativen ist bei der Bewerbung von klimabezogenen Bemühungen und Angaben durch Unternehmen Vorsicht geboten. Unternehmen sollten die für sie relevanten ESG-Verpflichtungen identifizieren und frühzeitig Maßnahmen und Prozesse etablieren, wie beispielsweise die Implementierung von Green-Finance-Frameworks (Rahmenwerke für grüne Finanzinstrumente) im Finanzsektor.

Insbesondere sollten Aussagen über Produkte überprüfbar und unmissverständlich gestaltet werden – von vagen Aussagen wie „umweltneutral“ oder „klimaneutral“ ist abzuraten. Auch auf eine transparente ESG-Berichterstattung sollte ein Augenmerk gelegt werden. Es bedarf somit einer umfangreichen „Klima-Compliance“, um Verstöße zu vermeiden und somit Klagerisiken von vornherein zu minimieren.

Isabelle Knoché ist Rechtsanwältin und Senior Managerin von KPMG Law. Jasmin Runge ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kanzlei.

*) Isabelle Knoché ist Rechtsanwältin und Senior Managerin von KPMG Law. Jasmin Runge ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kanzlei.