Energetische Sanierung

Klimaziele im Gebäudesektor kaum erreichbar

Die Klimaziele für den Gebäudesektor sind de facto Illusion. Diese Schlussfolgerung kann man aus einer Studie der Beratungsgesellschaft S&B Strategy ziehen. Der wichtigste Grund: Es fehlen die Handwerker.

Klimaziele im Gebäudesektor kaum erreichbar

Gebäude-Klimaziele kaum erreichbar

S&B Strategy: Sanierungsquote viel zu niedrig – Handwerkermangel erfordert Neuorientierung

hek Frankfurt

Die Beratungsgesellschaft S&B Strategy hält es für illusorisch, unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Wichtigster Grund seien fehlende Fachkräfte. „Das wirkliche Nadelöhr liegt in der begrenzten Angebotskapazität. Es fehlen schlichtweg die erforderlichen Handwerker, um die Sanierungsarbeiten durchzuführen“, stellt Fabio P. Meggle klar, Co-Autor der Studie. „Damit bedrohen die Kapazitätsengpässe im Handwerk die gesamte Klimastrategie Deutschlands.“

Effekte durch Migration gering

Die EU hat sich Klimaneutralität bis 2050 auf die Fahnen geschrieben. Deutschland will dieses Ziel bereits 2045 erreichen. Dafür gibt es im Gebäudesektor im Kern zwei Hebel: zum einen die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung, zum anderen die Dämmung der Gebäudehülle. Der Betrieb von Gebäuden steht für etwa 15% der CO2-Emissionen, weitere 25% entfallen auf den Bau.

Der Analyse zufolge müssen in Deutschland 15,7 Millionen Wohngebäude energetisch ertüchtigt oder saniert werden. Hinzu kämen 1,7 Millionen Nicht-Wohngebäude, die potenziell sanierungsbedürftig seien.

Durch die energetische Sanierung von Fassade, Dach, Fenster und Heizung könnten zwei Drittel des CO2-Einsparpotenzials gehoben werden, stellen die Berater klar. Sie geben aber zu bedenken, dass neben der finanziellen Incentivierung einfach das Personal fehle, um die Sanierungen anzugehen. Denn in den kommenden Jahren gingen starke Jahrgangskohorten in Rente. Zuwanderung helfe wenig: Die Effekte durch Migration ins Handwerk seien sehr gering.

Vorkonfektionierung als Schlüssel

Mehr Personal kann laut S&B Strategy nicht die Lösung sein. Vielmehr müsse die Produktivität im Bausektor drastisch gesteigert werden. Schlüssel seien vor allem die Ausweitung der Vorkonfektionierung und neue Geschäftsmodelle. Durch vorgefertigte Module und effiziente End-to-End-Prozesse könne die geleistete Projektanzahl je Handwerker erhöht und der Sanierungsprozess beschleunigt werden. Des Weiteren fordert die auf den Bausektor spezialisierte Strategie- und M&A-Beratung den radikalen Abbau von Vorschriften. Die Baubranche sei durchzogen von Normen und Regularien und außerdem „unglaublich“ fragmentiert: „Wir brauchen einen neuen Modus, um Sanierung und Neubau komplett neu zu denken und zu realisieren.“

Investitionsbedarf mindestens 1,2 Bill. Euro

Die energetische Sanierung des Gebäudebestands könne mit der heutigen Sanierungsquote nicht annähernd bis 2045 abgeschlossen werden, heißt es in der Studie. Den Investitionsbedarf veranschlagen die Berater auf die gewaltige Summe von mindestens 1.200 Mrd. Euro. Die Crux: Neben den hohen Energiekosten gebe es grundsätzlich wenig Gründe, warum man für mehr als 100.000 Euro Heizung, Fassade und Dach eines Gebäudes erneuern sollte. Eine „sehr hohe Summe“ müsse vom Steuerzahler kommen. Doch selbst bei einer Förderung von bis zu 70% verbleibe ein hoher Eigenanteil für Eigentümer.

Bei Fenstern und Wärmepumpen sieht S&B Strategy Deutschland auf gutem Weg, hier sei viel angestoßen worden. Anders in den Bereichen Dach und Fassade. Unter aktuellen Bedingungen dauere es noch mehr als 100 Jahre, bis alle Fassaden in Deutschland saniert seien. „Bei Dach und Fassade sind wir meilenweit davon entfernt, die Sanierungsziele bis 2045 zu schaffen“, konstatiert Managing Partner Christoph Blepp.

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