Im Gespräch: Marco Rummer

Kreditgenossen vertiefen sich in die Nachhaltigkeit

In der genossenschaftlichen Finanzgruppe gewinnt das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Fahrt. Das interne Ratingsystem und das Nachhaltigkeitsportal als Ausgangspunkt und Messinstrument erhalten immer größeren Zulauf.

Kreditgenossen vertiefen sich in die Nachhaltigkeit

Im Gespräch: Marco Rummer

Kreditgenossen vertiefen sich in die Nachhaltigkeit

Zuspruch beim internen Ratingsystem und Nachhaltigkeitsportal von DG Nexolution wächst – Zweite Investitionsrunde über knapp eine halbe Million Euro

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

In der genossenschaftlichen Finanzgruppe gewinnt das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Fahrt. Das interne Ratingsystem und das Nachhaltigkeitsportal als Ausgangspunkt und Messinstrument erhalten immer größeren Zulauf.

Die Genossenschaftsbanken kommen beim Thema Nachhaltigkeit voran. Mehr als die Hälfte der 735 Institute ist beim zentralen Nachhaltigkeitsportal der Gruppe aktiv, das vor einem Jahr gestartet wurde. In dessen Zentrum stehen die Analyse zur eigenen Ausgangslage und Angebote für die Transformation. „435 Institute und 2.500 Nachhaltigkeitsbeauftragte oder Vorstände sind im Nachhaltigkeitsportal registriert. Davon haben 225 Banken ihren Reifegrad-Selbsttest bereits absolviert, zum Teil bereits zum zweiten Mal“, berichtet Marco Rummer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von DG Nexolution als Betreiber des Portals. Der Reifegrad ist das interne Nachhaltigkeitsrating der Gruppe und Bestandteil der seit 2020 bestehenden Nachhaltigkeitsstrategie. Er dient als Standortbestimmung und damit als Ausgangspunkt für die selbst gesteckten Ziele bis 2025.

Der nachhaltige Reifegrad hat eine Spannweite von 1 bis 5, wobei 5 als Ideal der genossenschaftlichen GLS Bank entspricht, die Nachhaltigkeit als oberste Geschäftsstrategie gewählt hat. Die Volks-, Raiffeisen-, PSD- oder Sparda-Banken sollen bis 2025 zwischen 3 und 4 stehen, so eines der Ziele der gruppenweiten Nachhaltigkeitsstrategie. Die selbst auszufüllende Reifegrad-Analyse umfasst sechs Handlungsfelder (Strategie, Risiko, Kerngeschäft, Geschäftsbetrieb, Kommunikation, Ethik/Kultur) und aktuell 36 Fragen. Zum Schluss gibt es für jedes Feld eine Teil- sowie eine Gesamtnote.

„Die Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit erreichen bereits Werte von deutlich über 2 bis hin zu 3. Andere, die erst später mit dem Thema Nachhaltigkeit gestartet sind, ziehen nach in Richtung 2“, umreißt Rummer den aktuellen Stand. Konkrete Zahlen zu „besseren“ und „schlechteren“ Instituten macht er allerdings nicht. Für ihn ist wichtiger, dass schon deutlich mehr Banken mitmachen als noch vor einem Jahr (360 Banken). Und vor allem, dass bei Instituten, die ihren Selbsttest schon zweimal durchlaufen haben, Verbesserungen zum ersten Test erkennbar sind. „Damit zeigt sich, dass das Portal Banken dabei hilft, Wege zu finden, wie sich der eigene Stand der Nachhaltigkeit verbessern lässt, und aufzeigt, welche Maßnahmen dafür notwendig sind.“

Anreiz und Angebote

Gleich auf zweierlei Weise: Zum einen gibt das in der zweiten Ausbaustufe eingeführte Benchmarking den registrierten Instituten den klaren Anreiz, sich mit anderen Adressen der Gruppe (z.B. gleicher Größenordnung) zu vergleichen. Das dürfte schon den ein oder anderen Impuls geben, mehr Ehrgeiz zu entwickeln. Auch die nun hochladbaren Nachhaltigkeitsberichte der Institute setzen Anreize zum Nachahmen.

Zum anderen sind im Portal auch 150 Angebote der Gruppenunternehmen beziehungsweise der Regional- und Spezialverbände zu finden, um den Reifegrad zu verbessern. Diese Angebote reichen von der Hilfe beim Erarbeiten einer Nachhaltigkeitsstrategie oder bei der Integration der Nachhaltigkeitsrisiken ins Risikomanagement nach den regulatorischen MaRisk-Vorgaben über das Entwickeln von Mobilitätskonzepten und Unterstützung bei Bondemissionen mit Nachhaltigkeitsaspekten bis hin zur Unterstützung bei der CO2-Bilanzierung. Ein Angebot der DG Nexolution selbst z.B. ist seit neuestem in Kooperation mit dem Schweizer Unternehmen Swiss Wood Solutions eine biologisch abbaubare Bankkarte komplett aus Holz (abgesehen von Chip, Antenne und Magnetstreifen), um beim Einsparen von Plastikmüll zu helfen.

Perspektivisch könnte es auch externe Angebote geben. „Derzeit fehlt etwa die Energieeffizienzberatung oder das Thema Fotovoltaikanlagen“, so Rummer. „Das werden wir ergänzen durch Angebote aus der Gruppe oder auch aus dem Markt. Gleichzeitig schauen wir uns auch im Bereich der Fintechs und Start-ups nach weiteren zukunftsträchtigen Lösungen um.“

Weitere Ausbaustufen

Die Angebote der Gruppenunternehmen, also aus der DZ-Bank-Gruppe oder von Atruvia, und der Verbände im Nachhaltigkeitsportal erklären wiederum, warum diese den Aufbau des Portals finanziert haben und sich mit dem Bundesverband BVR die Verantwortung teilen. Man erhofft sich auch neues Geschäft. Die erste Entwicklungsstufe des Nachhaltigkeitsportals vor einem Jahr hatte knapp 1 Mill. Euro gekostet. Derweil wurden in weitere Neuerungen wie den Benchmark-Vergleich, einen Ambitions-Fahrplan beim Reifegrad oder einen Newsroom mit aktuellen Themen zur Nachhaltigkeit weitere mehr als 200.000 Euro investiert.

Bei den künftigen Schritten greift die DG Nexolution allein ins Portemonnaie mit weiteren mehr als 200.000 Euro und soll nach Angaben Rummers ohnehin mehr in den Lead gehen beim Nachhaltigkeitsportal. Dann soll es ein Online-Forum zum Austausch geben im Stil eines Social-Media-Kanals, eine Gap-Analyse für die einzelnen Handlungsfelder, einen Planungsassistenten für Projekte sowie einen Regulatorikcheck.

„Viele Banken haben die Nachhaltigkeit lange nur als Erfüllung der regulatorischen Pflichten verstanden. Immer mehr dämmert aber nun, welche Geschäftschancen sich bieten, wenn die Kunden bei der nachhaltigen Transformation durch uns begleitet werden“, hat Rummer beobachtet.

BVR überarbeitet Konzept

Aktuell wird das interne Ratingsystem überarbeitet. „Auf Ebene des BVR wird das Reifegrad-Modell derzeit weiterentwickelt, etwa im Handlungsfeld Kern-
geschäft, sowie durch neue Status-quo-Analysen. Auch soll nachgeschärft werden bei der Auswahl an Maßnahmen, die den Reifegrad verbessern können“, so Rummer.

Die ab 2024 für alle EU-Banken verpflichtende Green Asset Ratio (GAR) als Indikator der nachhaltigen Kreditvergabe wird indes absehbar nicht enthalten sein. Für die Berechnung der GAR seien Portfoliodaten und Kundendaten notwendig, die nicht im Nachhaltigkeitsportal gepflegt würden, so die Begründung.

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